Ex-Heimkinder zu Hamburgs Heim-Plänen: „Wir sind klar dagegen“

Ehemalige Betroffene protestieren gegen ein geplantes geschlossenes Kinderheim in Hamburg. Auch einige Anwohner sind skeptisch.

Eine Frau spricht ins Mikrophon, ein Mann steht daneben, dahinter grüne Blätter und Gras

Ex-Heimkinder warnen am Zaun des Baugeländes in Hamburg vor den Schäden geschlossener Unterbringung Foto: Andreas Kiesselbach

HAMBURG taz | Eine Demo, ein Polizist, Plakate mit Aufschriften wie „Wir sind alle schwer erziehbar“. Ein ungewohnter Anblick bot sich am Samstag den Anwohnern des Klotzenmoorstiegs in Hamburg Groß-Bostel. Nach den Plänen der Stadt soll auf einer grünen Wiese neben idyllischen Einfamilienhäusern 2026 ein Kinderheim eröffnen, das auch einen geschlossenen Bereich hat. „Wir sind klar dagegen, wir wollen das nicht. Das ist uns eine Herzensangelegenheit“, sagte Renzo Martinez, ein früherer Bewohner der Haasenburg-Heime, der mit weiteren Betroffenen die Aktion organisierte.

Ein NDR-Team filmte die Ansprache, mit der Martinez vor dem Heim warnte. Er hat eine Interessengemeinschaft der Ehemaligen der brandenburgischen Haasenburg-Heime initiert und kennt hundert Betroffene. „Ich hab einen guten Einblick erfahren, wie es in dem Seelenleben dieser ehemaligen Kinder aussieht“, sagte er. „Und ich habe noch nie so viele zerstörte Seelen gesehen. Menschen mit so viel Potential, deren Leben von Angst bestimmt ist.“ Diese Angst habe eine Institution beigebracht, die helfen sollte. Das sei „eine Schande“.

Die Sozialbehörde konnte am Freitag noch nicht sagen, wann der Bau des inzwischen „Casa Luna“ getauften Heims beginnt. Ihr Sprecher betont aber, dass es sich nicht um ein geschlossenes Heim handle. Es sei vielmehr eines, das „auch“ Kinder geschlossen unterbringen könne. Hier werde eine Angebotslücke geschlossen.

Ombudsstellen sind auch gegen geschlossene Heime

Laut den Bauplänen, die kursieren, soll es im ersten Stock, also fern des Ausgangs, eine gesonderte Aufnahmestation mit vier Plätzen geben. Die Relativierungen der Stadt beruhigen die Sorgen der Betroffenen nicht. Dürfe das eine Kind raus, das andere nicht, sei es ein „Zweiklassensystem, das Konflikte provoziert“, sagte eine junge Frau aus Leipzig. Auch sie schilderte am Zaun ihre Geschichte. Sie sei als Kind vom Jugendamt geschlossen untergebracht worden und habe dadurch jedes Vertrauen in Erwachsene verloren. „Das bedeutet, im Winter bei Schnee und Kälte lieber in fremden Kellern zu schlafen, als im Jugendamt noch mal nach Hilfe zu fragen.“

Die beiden, die von weiteren Ex-Heimkindern unterstützt wurden, appellierten an die Anwohner, dem Bauprojekt zu widersprechen. Es sei keinesfalls so, dass die geschlossen untergebrachten Kinder Schwerverbrecher seien, erklärte Martinez. Er und viele andere seien wegen Schulschwänzens eingesperrt worden.

Das Wort ergriffen auch die Schriftstellerin Gritt Poppe, die über DDR-Jugendheime schrieb, und Sozialarbeiter wie die Leiterin der Hamburger Ombudsstelle für Kinder und Jugendhilfe, Anja Post-Martens. Inzwischen lehnt das bundesweite Netzwerk aller Ombudsstellen geschlossene Heime ab und hält sie auch für rechtlich unzulässig.

Anwohner erinnerten daran, dass vor 15 Jahren ein solches Heim in der Feuerbergstraße wieder schließen musste, weil es nicht funktionierte. „Warum“, sagte eine Nachbarin, „setzt man uns dann hier so ein Ding hin?“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.