FC Bayern München: Die Ketten sitzen fest
Nach dem 7:0 Sieg gegen Basel ist der Meistertitel für Bayern nur noch für den Bluthochdruck von Uli Hoeneß wichtig. Was zählt ist die Champions League.
BERLIN taz | Goethe, warum nicht? „Schüttelt nur an Euren Ketten, der Mann ist Euch zu groß – Ihr werdet sie nicht zerbrechen“, maulte der Großdichter 1813, als ihm der patriotische Taumel der jungdeutschen Taliban doch etwas zu viel wurde. Wo er mit Napoleon leider nicht recht hatte, die Neo-Germanen gewannen und zogen ihre gnadenlos romantische Selbstverwirklichung bis 1945 durch.
Dem FC Bayern blüht das Schicksal des großen Kaisers nicht. Das Publikum der Kleinvereine im Ruhrgebiet, früher auch in den Hansestädten oder sogar in abgelegenen Gegenden wie der Pfalz, lechzt zwar immer nach der finalen Erniedrigung der rot-weißen Bazis – aber nach dem grandiosen 7:0 Sieg vom Dienstagabend gegen angstgelähmte Schweizer sind die Ketten wieder festgezurrt: Nur ein deutscher Verein spielt international mit; und die einzige Konkurrenz im Land selbst, ist kein Club, sondern die Fußballnationalelf von Jogi Löw.
Und wenn Bayern nicht Meister wird? Nun, who gives a fuck? Die Münchner müssen ökonomisch gesehen Champions League spielen, der Meistertitel ist nur für den Bluthochdruck von Uli Hoeneß wichtig. Und nachdem in diesem Jahr vier Plätze (inklusive Qualifikationsplatz) für die Bundesligisten bereitstehen, ist all der Rummel, der in den letzten Wochen geschrieben und gesendet wurde, eben nur das: Die ewige Bayern-Show.
Wenn man im Pressebereich der Allianz-Arena seinen Edel-Junk-Food runterschlingt, dann hat man Gelegenheit, die nüchterne Version der Dinge zu hören, nicht das Zeug für die Gäste: Selbst wenn bei Bayern alles ruhigst und erfolgreichst läuft, muss dem Affen Publikum wieder und wieder Zucker gegeben werden. Mainstream-Sportberichterstattung setzt immer auf die gleiche alte Leier, die gleichen unerzogenen Gefühle, den manchmal tatsächlich enorm dumpfen Hass der sogenannten Underdogs gegen den Rekordmeister.
Zwischen Rotweinfreunden eingeklemmt
Dass der Verein von der Säbener Strasse dabei grundsätzlich ein Strukturproblem hat, ist klar. Denn wer möchte schon Christian Nerlingers (geboren 1973 – in Dortmund!) Job als Sportdirektor machen, eingeklemmt zwischen den betagten Rotweinfreunden Hoeneß und Heynckes? Und gewiss war Louis van Gaal auf der Borderline zu Hause, aber vor allem war er nicht gewillt, sich den Zentralkomitee der Bosse unterzuordnen.
Dabei ist die Revolution des Münchner Spiels ganz allein sein Verdienst – oder sehnt sich jemand nach den Dusel-, Riegel-, und Aggrobayern der Ära Kahn? Man sehe sich das CL-Fianle 2001 gegen Valencia nochmal an: So spielt heute nur noch Augsburg. Das Bayern-Spektakel wird also weitergehen – jedenfalls bis sich das große Geld doch mal entscheidet, in Berlin einen echten, verhassten Hauptstadtclub zu finanzieren. Aber im romantisch-provinzverliebten Deutschland kann das noch dauern.
Leser*innenkommentare
ole
Gast
Nö, nö, nochmal nö...
Die Hertha braucht nicht das große Geld sondern die große Fachkompetenz. Also eine sachverständige Vereinsführung und ein realitätsnahes Management.
Aber bis dahin dürfen und müssen sich wohl oder übel die Bayern, die Werkself, S04 und andere Teams mit den finanziellen Wettbewerbsverzerrern der Primera "Pleite" División herumschlagen.
Daniel Preissler
Gast
@Siegfried
Das macht der "nationale Gedanke" wenn man so will. Der Mensch hat die Bestrebung sich von Menschen mit derselben oder einer ähnlichen Sprache unterdrücken zu lassen.
vergleiche die Zeit der Kolonien (also des Imperialismus) in Afrika mit der Zeit davor und danach: so wenige Kriege hat's nie gegeben*. Kannst ja mal versuchen irgendeinem/r AfrikanerIn zu erzählen, diese Zeit wäre "gut" (oder auch nur besser als andere) gewesen.
Grüße, DP
*Als Einschränkung: a)Das kann natürlich nicht der alleinige Indikator sein. b) Damit möchte ich keinesfalls die brutalen Methoden z.B. der Belgier im Kongo, der Deutschen in DSWA oder der Buren und Briten in SA herunterspielen!
PPS @Sam:
Der FCB ist ein Scheißverein! Und die Hertha-Verantwortlichen sind zu dämlich, um jemals ein solcher zu werden! d;-)
Goha
Gast
Nerlinger wurde in Dortmund geboren, weil sein Vater als Münchner im Ausland spielen musste.
Bei manchen Kommentaren denkt man, dass Bayern den Freistaat wieder deutlicher formulieren sollte. Bayern ist der Verfassung ausdrücklich nicht beigetreten. Damit ließe sich doch etwas anfangen. Dann lass die 'Deutschen' nur machen, wer immer das auch sein soll. Servus dann
S.W.
Gast
Niedlich. Ich komme nicht um die Frage umhin: "Was will uns der Autor sagen?" - Bayern ist das Zentralgestirn des deutschen Fußballs? Ja, stimmt. 2576 Meisterschaften berechtigen zu dieser Sichtweise. Bayern ist das Maß aller Dinge? Laaaaaangweilig, stimmt auch. Der Nachrichtenwert dieses Artikels geht in puncto "Vermittlung neuer Einsichten und Erkenntnisse" gen Null. Und die alten Erkenntnisse sind auch nicht besonders originell aufbereitet. Mann (Waibel): Who gives a fuck!? - Da haben Sie schon Recht. Hoeneß ist toll, Bayern ist toll, alles hart erarbeitet ... blablabla ... Niemand im Publikum der Kleinvereine will die finale Erniedrigung der Bayern. Fußball ist schön. Auch ohne Bayern.
Hannover
Gast
Ich möchte anmerken, dass mindestens bis morgen auch noch Schalke und Hannover international spielen und die Bayern nicht, wie im Artikel behauptet, der einzige Verein wären.
Siegfried Bosch
Gast
Aha, wenn Deutschland also ökonomisch ausgeplündert wurde (wie zu Zeiten Napoleons), dann ist der Deutsche, der deshalb eine drückende Steuerlast bezahlen musste, also nicht unfrei. Wenn es den Leuten unter Napoleon so gut ging, warum gab es dann überhaupt die Befreiungskriege (die nicht von den Monarchen ausging)?
Sam
Gast
Hallo an alle, die sich wieder mal im Ressort vertan haben: dies ist tatsächlich der Sportteil und da könnt ihr euch eure freudschen Psychoanalysen über die Verstrickungen der deutschen Rüstungswirtschaft sparen. Zum Autor noch dies: der Artikel ist bis zum letzten Satz o.k., dann kommt allerdings mit voller Wucht der "provinzielle" Hauptstadt-Blick durch. Es gehört mehr dazu aus der Chaoten-Hertha einen international ausgerichteten Club zu machen, als nur ein paar Millionen in den Verein zu pumpen. Zum Beispiel eine personelle Änderung der Vereinsführung - das wäre zumindest ein Anfang.
Daniel Preissler
Gast
@Siegfried und Ambros
Mit der Befreiung ist das so eine Sache: die kleinen deutschen Leute waren unter Napoleon freier als davor und danach unter ihren eigenen Fürsten (Code Civil), und die Folter wurde auch in Preußen abgeschafft. "Antideutsch" kann ich zwar nicht besonders gut leiden, aber so schlimm war der Satz des Autors nun nicht - nur etwas einseitig. Es ist durchaus richtig, dass Reichsgründung, Wilhelminismus und Nationalsozialismus auf die romantische Karte setzten. Gleichzeitig wäre es ohne die Verbreitung der Gedanken der Franz. Rev. und des franz. Teils der Aufklärung (ich meine dabei die wissenschaftliche Komponente) wohl auch nicht zum deutschen industrialisiert-aufgeklärten Antisemitismus gekommen.
Selbst die Freiheit hat immer mehrere Seiten. Gut oder schlecht greift da zu kurz.
Grüße, DP
Besserwessi
Gast
TAZ? zahl ich !
sogar noch besser als das, was Gemuese-Ali so bringt.
Siegfried Bosch
Gast
"Goethe, warum nicht? „Schüttelt nur an Euren Ketten, der Mann ist Euch zu groß – Ihr werdet sie nicht zerbrechen“, maulte der Großdichter 1813, als ihm der patriotische Taumel der jungdeutschen Taliban doch etwas zu viel wurde. Wo er mit Napoleon leider nicht recht hatte, die Neo-Germanen gewannen und zogen ihre gnadenlos romantische Selbstverwirklichung bis 1945 durch": Was für ekelhaft antideutsches Gefasel. Der Völkermörder Napoleon hätte also nicht gestürzt werden sollen und das deutsche Volk hätte auf ewig in Ketten liegen sollen!
routier
Gast
Bayern und die verhängnisvolle Allianz:
Die Allianz ist mit 616 Mio. Beteiligung in der Herstellung von Streubomben führend und wer weiss wieviel Leichen noch unter diesem Rasen (AllianzArena) liegen.
BMW und Bayern sind ja beste Vorbilder. Trau keinem der so das Maul aufreist.
ciao