Filmempfehlungen für Berlin: Seltsame Allianzen

Diese Woche: das kollektive Gedächtnis Brasiliens, drei Billboards bei Missouri und experimentelle Kunstfilme aus Melbourne zu Gast beim LaborBerlin.

Szene aus „Three Billboards“: Mildred (gespielt von Francis McDormand) steht auf einer Landstraße, hinter ihr stehen zwei große rote Schilder mit schwarzer Schrift. Dort ist zu lesen „How Come, Chief Willoughby?“ und „And Still No Arrests?“

Mildred stellt unbequeme Fragen, gespielt von Francis McDormand in „Three Billboards“ Foto: Fox Searchlight

Die Hollywoodfilme, in denen Carmen Miranda in den 40er- und frühen 50er-Jahren auftrat, sind heute überwiegend vergessen. Und wenn man sich an die in Portugal geborene und in Rio de Janeiro aufgewachsene Sängerin und Entertainerin noch erinnert, dann meist an ihr von einem späten Busby-Berkeley-Musical geprägtes Image als „The Lady with the Tutti Frutti Hat“, das Bezug nimmt auf ihre extravaganten Hutkreationen mit ganz viel Obst – offenbar eine brasilianische Tradition aus Bahia, die in Technicolor ordentlich Eindruck machte.

Miranda war bereits in ihrer Heimat ein Star gewesen, ihre Popularität brachte sie dann erst an den Broadway und wenig später nach Hollywood, wo sie mit ihrer outrierten Persönlichkeit das Image der lateinamerikanischen Frau nachhaltig prägte. Die Regisseurin Helena Solberg hat die 1955 im Alter von nur 46 Jahren verstorbene Entertainerin in ihrem Doku-Essay „Carmen Miranda: Bananas Is My Business“ auf ganz persönliche Weise porträtiert; der Film ist in der Reihe „Brazilian Mythscapes“ im Kino Arsenal zu sehen, die sich mit den Mythen und Bildern beschäftigt, die das kollektive Gedächtnis Brasiliens ausmachen (20.8., 19 Uhr, Arsenal 1).

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„Wenn wir hier alle Polizisten mit rassistischen Neigungen entlassen würden, säßen in der Station nur noch zwei Leute. Und die hätten was gegen Schwule.“ Scheint ja echt ein toller Ort zu sein, dieses Ebbing, Missouri, das der Polizeichef (Woody Harrelson) da gerade in so leuchtenden Farben schildert. Und dabei sehr gut den Tonfall der doppelbödigen Tragikomödie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ (2017) von Martin McDonagh definiert: Natürlich ist dieses Bonmot ebenso ernst gemeint wie auch gleichzeitig ein Gag. Die Handlung ins Rollen gebracht hat die nach außen stets stoisch wirkenden Mildred (Frances McDormand), die an einem der Ortseingänge drei Plakatwände gemietet und darauf – ein Jahr nachdem ihre Tochter vergewaltigt und ermordet wurde – direkt nachgefragt hat, warum es immer noch keine Verhaftung gibt.

Das richtige Wort

In dem kleinen Ort haben die Leute zu dieser Aktion schnell eine Meinung – und meist keine gute. Polizeichef Willoughby, sein nicht gerade heller Mitarbeiter Dixon (Sam Rockwell), Mildreds Ex-Ehemann und der Besitzer der Werbeagentur – sie alle müssen sich zu dem Plakatärgernis irgendwie verhalten. Viel aufgestaute Wut und latente Gewalt treten zutage. Irgendwann ist letztere nicht mehr ganz so latent, was der Film moderiert, indem er sie ins Absurde treibt.

Doch es gibt auch eine andere Seite. Denn eigentlich sind Liebe und Verständnis hier nur einen kleinen Schritt entfernt: Wenn man mal ein Vorurteil fallen lässt, dem anderen einfach zuhört oder zur richtigen Zeit das richtige Wort der Ermunterung fallen lässt. Und so kommt es im Verlauf des Films zu seltsamen Allianzen von Leuten, die einem zusehends ans Herz wachsen – von der verhärmten Mildred bis zum dämlichen Dixon. Der sensible Polizeichef sowieso (21.8., 20.25 Uhr, FLK Hasenheide).

Das unabhängige Filmkollektiv LaborBerlin widmet sich vor allem dem experimentellen Filmschaffen und präsentiert nach einer zweijährigen Pause nun in der Freiluftbühne Weissensee das 17 Kurzfilme umfassende Programm „DIFFRAKTION #11“, das diesmal neben neuen Arbeiten der Mit­glie­der von LaborBerlin auch Filme des Artist Film Workshop aus Melbourne, Australien vorstellt. Der Filmkurator Florian Wüst führt durch den Abend, anwesend sind der australische Filmemacher Lucas Haynes und die Künst­le­r:in­nen von LaborBerlin (20.8., 20.45 Uhr, Freiluftbühne Weissensee).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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