Filmtage: Kino der dritten Dimension

Auf dem 23. Internationalen Filmfest in Braunschweig ist ein Programmschwerpunkt dem dreidimensionalen Film gewidmet. Die einen vermuten in dem Format einen bloßen Hype, die Kino-Industrie erhofft sich eine goldene Zukunft.

Bei den Dreharbeiten zu "Avatar": Sam Worthington, Michelle Rodriguez, Sigourney Weaver, Joel Moore. Bild: dpa

Wenn das Internationale Filmfest Braunschweig in der kommenden Woche beginnt, wird dort ein kontroverses Thema diskutiert: das 3-D-Format. Vor allem die Kino-Industrie sieht darin ihre Zukunft, und im Moment scheint die Rechnung aufzugehen: Kaum ein Multiplex, in dem nicht mindestens einer der Säle für die digitale Projektion in 3-D umgerüstet wurde. Allein in Deutschland sind es mehr als 310 Kinos, in denen die großen Hollywoodproduktionen gezeigt werden, mit denen die Filmindustrie hofft, der Videopiraterie und dem Flachbildheimkino Paroli bieten zu können.

Animationsfilme wie "Toy Story 3" und "Ich - einfach unverbesserlich" sind sowohl an den Kassen wie auch bei der Kritik erfolgreich, und James Cameron hat im letzten Jahr mit dem 3-D-Epos "Avatar" wieder einen "erfolgreichsten Film aller Zeiten" produziert.

Allerdings nicht, weil ihn die meisten Zuschauer gesehen haben - diesen Rekord hält Cameron immer noch mit "Titanic". Diesmal brach vielmehr der Profit alle Rekorde, weil die Besucher mit dem 3-D-Aufpreis mehr Geld für die Kinokarten bezahlen mussten. So sind es die großen Studios und Kinobetreiber, die gerne darüber fabulieren, dass es in ein paar Jahren kaum noch "Filmware" - so nennt die Branche ihr Produkt - geben wird, die nicht im 3-D Format produziert würde.

Die Mehrzahl derer, die den Film als Kulturgut oder gar als Kunstform verstehen, bleibt skeptisch. Roger Ebert, einer der einflussreichsten Filmkritiker der USA, schrieb vor kurzem für das Newsweek-Magazin eine Art Manifest mit dem Titel "Why I hate 3-D (and you should too)", in dem er die Vorbehalte gegen das Format aufzählte und fragte, was große Werke des Erzählkinos wie etwa "Casablanca" oder "Fargo" durch die Illusion des räumlichen Sehens noch gewinnen könnten.

Da Festivals meist von Cineasten organisiert und besucht werden, sind (von einigen künstlerisch anspruchsvollen Renommierprojekten wie Pixars "Oben" in Cannes abgesehen) bisher kaum 3-D-Produktionen auf Filmfesten vorgestellt worden. So ist es alles andere als selbstverständlich, wenn ein Programmschwerpunkt des diesjährigen Internationalen Filmfests Braunschweig den Titel "Zur Zukunft des Kinos - Film und Raum in 3-D" trägt. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die neusten 3-D-Filme "Jackass 3-D" und "Resident Evil - Afterlife" im Braunschweiger C1 Cinema nicht in den vom Festival angemietete Sälen, sondern im normalen Programm laufen werden.

Anders ergeht es dem ersten in Deutschland hergestellten 3-D-Film "Konferenz der Tiere", der auf beiden Hochzeiten tanzen darf. Die beiden Regisseure Reinhard Kloos und Holger Tappe werden von den "technischen Schwierigkeiten und ästhetischen Herausforderungen" der Produktion aus Hannover berichten. Die Neuinterpretation des Kinderbuchklassikers von Erich Kästner ist zwar bei der Kritik umstritten, aber in der Animation und 3-D Technik auf dem gleichen Niveau wie die Konkurrenz in Hollywood.

Eine Enttäuschung ist dagegen "Das Auge", der im Katalog als "der erste hierzulande in 3-D produzierte Dokumentarfilm" beschrieben wird. Nikolai Vialkowitsch zelebriert darin 45 Minuten lang die riesigen Teleskope der Sternwarte Eso in der Atacamawüste in Nord-Chile mit seiner Kamera und hat dabei vergessen, dass auch die tollste Wüstenlandschaft und die größten optischen Apparate bald fad wirken, wenn mit und in ihnen nichts weiter passiert. Aber Vialkowitsch hat noch einen zweiten, stilistisch hoffentlich spannenderen Film im Programm. In "Die Ruhe vor dem Sturm" hat er 38 auf dem Flohmarkt gefundene Stereoskopien, also 3-D-Bilder aus den zwanziger Jahren, elektronisch animiert und so historische und moderne Techniken des dreidimensionalen Sehens vereint.

Ähnliches versucht auch der Direktor des Filmmuseums München, Stefan Drößer, in seinem Vortrag "Die Geschichte des 3-D-Films", in dem er anhand vieler Beispiele zeigt, dass diese Geschichte schon über hundert Jahre alt ist. Bereits die Urväter des Films, Lumiére und Méliès, experimentierten mit synchronisierten Doppelkameras und anderen Techniken, um das räumliche Sehen im Kino zu ermöglichen.

Einen eher grundsätzlichen Vortrag wird der Filmtheoretiker Georg Seeßlen zusammen mit Markus Metz unter dem Titel "Die erweiterte Kinomatographie" halten. Dabei wird er drei Szenarios über die Perspektiven des 3-D-Films liefern: Eine Möglichkeit besteht darin, dass 3-D, wie von der Industrie immer wieder beschworen, zum herrschenden Standard des Kinos wird. Das zweite, wahrscheinlichere Szenario sieht so aus, dass sich die neue Technik nur in einem bestimmten Marktsegment durchsetzt und das Publikum also wie jetzt schon in in erster Linie Trick- und Genrefilme in 3-D sehen will.

Schließlich kann sich die Technologie wie im dritten Szenario aber auch als "kolossaler Flop" entpuppen. Dann müsste sich Alaric Hamacher einen neuen Beruf suchen, der in Braunschweig über seine Arbeit als "Stereograph und 3-D Consultant" spricht.

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