Flüchtlinge und die Arbeitswelt: Ungenutzte Potenziale

Aktuelle Zahlen zeigen, warum die berufliche Integration von Geflüchteten schwierig ist

Arbeitswillige Geflüchtete bleiben oft im Nadelöhr der Bürokratie stecken Foto: Oliver Killig/dpa

BREMEN taz | Seit 2013 hat sich die Zahl der im Land Bremen als arbeitssuchend registrierten Flüchtlinge verdoppelt – auf derzeit gut 6.400 Personen. Sowohl bei den Zahlen für Bremerhaven wie auch für Bremen-Stadt fällt dabei auf, dass der Zuwachs arbeitssuchender Frauen geringer ausfällt als bei den Männern.

Aus Sicht der CDU tut der Senat deutlich zu wenig, um die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt voranzubringen. Der Senat dürfe sich nicht, sagt die flüchtlingspolitische Sprechern der CDU, Sigrid Grönert, auf den Standpunkt zurückziehen, „die Arbeitsagentur wird das schon richten“. Auch das Engagement der Wirtschaft, Arbeits- oder zumindest Praktikumsplätze bereitzustellen, brauche stärkere Unterstützung. Bislang haben rund 200 Bremer Betriebe an die 700 Angebote gemacht.

Konkret fehlt aus Sicht der CDU ein fester Ansprechpartner im Wirtschaftsressort, der Initiativen und Kontakte bündelt. „Das kann man nicht allein den Kammern überlassen“, sagt Grönert, „als Land und als Kommune hat man da eine Aufgabe.“

Welche Aufgabe, wird innerhalb des Stadtstaates offenbar sehr unterschiedlich aufgefasst. Während Bremerhaven systematisch erfasst, welche Abschlüsse die dort ankommenden Geflüchteten haben, ist das in Bremen-Stadt nicht der Fall.

Ein besonderes Problem ist allerdings die Dauer der Berufsanerkennungen. Die Verdoppelung der Zahl der Arbeitssuchenden seit 2013 steht hier eine weitgehende Stagnation gegenüber: 2013 gab es 121 Anerkennungen ausländischer Abschlüsse, 2014 und 2015 waren es kaum mehr, hinzu kommen insgesamt 371 „Teilanerkennungen“ – ein Nadelöhr, in dem die berufliche Integration stecken bleibt. Gar nicht erfasst ist, wie viele Existenzgründungsberatungen es bereits für Geflüchtete gab. „Einem Erfahrungswert zufolge“, erklärt das Wirtschaftsressort jedoch, „werden Flüchtlinge nur in Einzelfällen hinsichtlich einer Existenzgründung beraten.“

Im Gegensatz zu deutschen Berufsschülern seien Flüchtlinge „oft hoch motiviert“, betont Grönert. Sie fordert daher eine Ausweitung der Altersobergrenze der Schulpflicht von derzeit 18 auf 21 Jahre, wobei diese „Pflicht“ dann als Beschulungsrecht wirksam wäre: Wenn beispielsweise 19-jährige Syrer den zweijährigen Vorkurs absolviert haben, sind sie raus aus dem obligatorischen staatlichen Bildungssystem – und haben es entsprechend schwerer, einen Berufsschulplatz zu bekommen.

Wer einen solchen Platz ergattert hat, muss mit weiteren Schwierigkeiten zurechtkommen: „Zahlreiche Flüchtlinge scheitern in der dualen Ausbildung an den Anforderungen der Berufsschule“, resümiert der Senat. Grönert schlägt daher vor, „Prüfungen in der Muttersprache“ anzupeilen, zumindest in technischen Bereichen.

Sigrid Grönert (CDU)

„Als Land und als Kommune hat man da eine Aufgabe“

Ein noch weitgehend ungenutztes Integrationsinstrument ist der Bundesfreiwilligendienst. Von den 429 in Bremen im Rahmen eines „Sonderkontingents mit Flüchtlingsbezug“ zu vergebenden Plätzen sind ausweislich der Statistiken des Senats nur 56 besetzt. Spezielleren Zuschnitt haben die „Arbeitsgelegenheiten“, die das „Asylbewerberleistungsgesetz“ regelt: In Bremer Unterkünften sind derzeit 38 Flüchtlinge für Reinigungsdienste und ähnliches eingesetzt, wobei es sich, wie der Senat erklärt, „um verpflichtende Angebote gegenüber den Geförderten“ handelt. Hier will die CDU „ein größeres Engagement der Stadt“ – sollen Flüchtlinge also großräumig Grünanlagen pflegen? Man müsse sich eben über „geeignete Beschäftigungen Gedanken machen“, antwortet Grönert, „als Angebote, nicht als Zwang“.

Die systematische Qualifikationserfassung, die seit November 2015 in Bremerhaven vorgenommen wird, hatte ein bemerkenswertes Ergebnis: Fast die Hälfte der Befragten übte in ihren Herkunftsländern einen Beruf aus, der eine Lehre voraussetzt, beinahe ein Drittel hat einen akademischen Hintergrund – ein klarer Verweis auf die derzeit noch weitestgehend ungenutzten Potenziale.

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