Fünfzig Jahre danach: Mauerbau hat immer noch Fans

Laut einer Forsa-Umfrage findet jedeR dritte BerlinerIn den Mauerbau vor 50 Jahren teilweise nachvollziehbar. Oder sogar richtig. Was sagt uns das?

Die Mauer mit Sperranlagen und Todesstreifen: Bernauer Straße 1965 Bild: Foto: dpa

Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage finden viele BerlinerInnen den Mauerbau vor 50 Jahren richtig. Zehn Prozent der im Auftrag der Berliner Zeitung Befragten waren "voll und ganz" der Meinung, dass die Mauer "aus damaliger Sicht nötig und gerechtfertigt war, um die Abwanderung von Fachkräften aus der DDR zu stoppen und die politische Lage zu stabilisieren". Weitere 25 Prozent waren immerhin "teilweise" dieser Meinung. Das heißt: jedeR dritte BerlinerIn findet den Bau der Mauer zumindest nicht falsch. 62 Prozent der Befragten teilten die Meinung, der Mauerbau sei nötig gewesen, überhaupt nicht.

Die meisten Mauerbefürworter lebten schon zu DDR-Zeiten in Ostberlin und wählen in der Mehrheit die Linkspartei. 28 Prozent der "Linke"-Anhänger stimmten der Frage voll zu, weitere 46 Prozent teilweise. Unter SPD-Wählern waren es knapp zehn Prozent, die voll, und 30 Prozent, die teilweise zustimmten. Unter Grünen-Wählern fanden sich mit 15 Prozent Teil-Zustimmern die wenigsten Mauerbefürworter. Noch blöder fanden die Mauer nur Westberliner und nach 1990 Zugezogene: von ihnen fanden 69 beziehungsweise 75 Prozent den Mauerbau "überhaupt nicht" nötig.

Angesichts dieser Meinungslage könnte man fast denken, dass sich die BerlinerInnen bis heute im Klammergrif der Kalten Kriegs-Ideologie befinden. Hüben Mauer-Gegner, drüben Befürworter des "Antiimperialistischen Schutzwalls". So einfach ist es natürlich nicht. Thomas Flierl, stadtenwicklungspolitischer Sprecher der Linkspartei-Fraktion im Abgeordnetenhaus, widerspricht der These von der wirtschaftlich stabilisierenden Mauer heftig: "Der Mauerbau ist, zumal aus heutiger Sicht, durch nichts zu rechtfertigen", so Flierl. Die Berliner Mauer sei "ein verfehltes Mittel, um eine Gesellschaft zu stabilisieren - langfristig stellte sie sich ja auch als verheerend heraus." Warum viele Genossen offenbar anderer Ansicht sind, erklärt Flierl mit "einer gewissen Staatsfixiertheit und Autoritätsgläubigkeit". Aber auch die Umfrage kritisiert er. Die Frage sei suggestiv und folge der Argumentation der damaligen SED-Führung.

Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, zeigt sich von den Umfrageergebnissen wenig überrascht. "Mir zeigt das, wie groß die Unkenntnis über historische Umstände und Folgen des Mauerbaus noch heute sind - und wie wichtig unsere Arbeit ist", sagte er. Vor allem die "erschreckende Unkenntnis" junger Leute, die, wie die Umfrage auch ergab, häufig nicht wissen, was am 13. August 1961 geschah, zeige, dass die jüngste deutsche Geschichte im Schulunterricht zu wenig behandelt werde.

Klaus Schröder, Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat und Arbeitsstelle Politik und Technik an der Freien Universität ist sogar erstaunt über die "eher geringe" Zahl der Mauer-Befürworter: "Immerhin war Ostberlin eine reine Funktionärsstadt - für die war die DDR ihr Leben." Auch im Westteil hätten sich viele an die Mauer gewöhnt.

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