Gesetz gegen russische Oppositionelle: Enteignung à la Putin

Haft allein reicht nicht mehr. Mit Präsident Putins neuem „Gesetz über Dreckskerle“ können Andersdenkende jetzt auch ihren Besitz verlieren.

Foto von Präsident Putin.

Präsident Putin im Kreml Foto: Sputnik/reuters

MOSKAU taz | „Das Gesetz über die Dreckskerle wurde angenommen“, frohlockte Wjatscheslaw Wolodin, der schrill ausrufende Vorsitzende der Staatsduma, des Unterhauses des russischen Parlaments, bereits vor zwei Wochen. Da hatten alle Anwesenden der Sitzung – fast 80 Prozent aller Duma-Abgeordneten – für das Gesetz gestimmt, mit dem der Staat Kri­ti­ke­r*in­nen des Regimes deren Besitz, Orden und Titel konfiszieren darf.

An diesem Mittwoch hat nun auch der russische Präsident Wladimir Putin die Änderungen unterschrieben. Damit tritt ein weiterer Gummiparagraf in Kraft, dessen Ziel vor allem die Abschreckung ist und sich in erster Linie gegen russische Emi­gran­t*in­nen richtet. Sie sollen sich auch außerhalb ihres Landes nirgends sicher fühlen.

Rache an russischen Emigranten

Haft allein reicht dem Regime nicht mehr aus, um politische Ansichten von Menschen zu bestrafen, die es nicht dulden will. Mit dem Gesetz der Enteignung will es sich vor allem an denen rächen, die den Krieg, der in Russland weiterhin offiziell nicht Krieg, sondern „militärische Spezialoperation“ genannt werden muss, verurteilen und das Land zu Hunderttausenden verlassen haben.

„Sie führen ein Leben in Wohlstand, vermieten ihr Eigentum und bekommen weiterhin ihre Tantiemen auf Kosten russischer Bürger. Diese Mittel verwenden sie zur Unterstützung des Nazi-Regimes in der Ukraine. Sie besudeln unser Land mit Dreck und fühlen sich im Ausland ungestraft. Sie glauben wohl, dass die Justiz sie nicht erreichen kann“, schrieb Wolodin noch vor der Verhandlung in der Duma und meinte damit wohl bekannte russische Showgrößen und Oppositionelle, die mittlerweile im Ausland leben.

„Dreckskerle“ und „Verräter“ nennt er alle, die den russischen Überfall auf die Ukraine auch nur zu hinterfragen wagen. Das Parlament erfülle lediglich ein „Bedürfnis in der Gesellschaft“, die Einschränkungen entsprächen dem Willen des Volkes, behauptet Wolodin immer wieder.

Vage formuliertes Gesetz schürt Ängste

Mit der Verschärfung des Gesetzes können nun mehr Straftaten als bisher mit der Konfiszierung des Eigentums geahndet werden. Dazu gehören vor allem die „Verbreitung vorsätzlicher Falschinformationen über die russische Armee“ und „öffentliche Aufrufe zu Tätigkeiten, die gegen die Sicherheit des Staates gerichtet sind“. Darunter fallen: Desertion, illegaler Grenzübertritt, Spionage, Hochverrat, geheime Zusammenarbeit mit ausländischen Organisationen, Beihilfe zur Erstellung von Sanktionslisten, Rehabilitierung von Nationalsozialismus (darunter fallen nach offiziöser russischer Handhabung jegliche Äußerungen zur Unterstützung der Ukraine).

Das Gesetz ist – wie viele russische Gesetze – vage formuliert. Damit erweitert die Justiz den Anwendungsbereich der Paragrafen. Letztlich weiß niemand, womit er sich strafbar macht. Die Willkür ist gewollt. Zu den bereits jetzt oft unverhältnismäßig langen Haftstrafen kommt nun für die Verurteilten durch die Verschärfung die Beschlagnahme von Besitz, mit dem sie die angebliche Straftat begangen hätten.

Autos, Handys, Honorare – nichts ist mehr sicher

Auch Mittel, die sie durch das ihnen zur Last gelegte Vergehen erhielten, kann der Staat konfiszieren. Das kann bei einer, die etwas Regimekritisches postet, das Mobiltelefon sein, bei einem Journalisten, der über die Ukraine schreibt und somit in den Augen der russischen Justiz „Falschnachrichten über die russische Armee“ verbreitet, das Honorar sein, bei jemandem, der die „Sicherheit des Staates gefährdet“, auch schon das Auto sein, das dieser lange vor der „Straftat“ gekauft hatte.

Das Gesetz soll nicht rückwirkend angewendet werden. Bislang. Abgeordnete, die dafür stimmten, meinen, damit russische Bür­ge­r*in­nen zu schützen, „unsere Kinder und Enkel“, wie Irina Jarowaja sagte, die das Gesetz mit in die Duma eingebracht hatte, wie so viele andere diskriminierende Vorhaben zuvor.

Die Verschärfungen sind ein Teil der Politik, die auf Rache sinnt und ihrer Ohnmacht gegenüber Andersdenkenden mit immer radikaleren Repressionen beizukommen versucht. Einer Politik, die auf Drohungen setzt und Angst sät, bei Rus­s*in­nen im In- wie im Ausland.

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