Glücksspiel-Regelung bedroht Vereine: Der Sport braucht Spielverlierer

Weil das Glücksspiel durch Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr rund läuft, fließt weniger Geld an die Spitzenklubs der Hauptstadt. Ein Erstliga-Team wurde bereits abgemeldet.

Geld, dass im Casino verzockt wird, kommt auf Umwegen dem Sport zugute. Bild: dpa

BERLIN taz Der erste Verein hat bereits kapituliert. Der SC Berlin meldete diese Woche sein Frauen-Judoteam aus der ersten Liga ab. Deren Fachwart Joachim Thärig erklärt, der Etat seiner Kämpferinnen sei bislang zu 40 Prozent aus der Sonderabgabe der Berliner Spielbank gestützt worden - eine unverzichtbare finanzielle Zuwendung im unteren fünfstelligen Bereich, die Ende Oktober komplett gestrichen wurde.

Im Kampf um die staatliche Monopolstellung auf dem Glücksspielmarkt wurden die Landesregierungen vom Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, künftig gegen die Spielsucht vorzugehen. Geringere Einnahmen werden die logische Konsequenz sein. Und deshalb setzte die Berliner Spielbank nun gerichtlich durch, ihre Sonderabgabe an die Spitzenklubs der Stadt nicht mehr auszahlen zu müssen.

Die radikale Kürzung hat neben dem SC Berlin auch 31 weitere Erstligisten in eine außerordentliche Krisenstimmung versetzt. Im Jahre 2007 erhielten sie alle zusammen noch 1,6 Millionen Euro Spielbankgeld. Thärig, der Judo-Funktionär, sagt: "Diese Streichung ist ein katastrophaler Schlag gegen den Berliner Leistungssport." Auch international erfolgreiche Klubs wie die Volleyballer vom SCC Charlottenburg, die Tischtennisspielerinnen von 3 B Berlin oder die Hockeyfrauen vom HC Berlin bangen jetzt um ihre Existenz. Die Vereine taxieren ihre Etateinbrüche zwischen 20 und 40 Prozent. Einen größeren Anteil am Budget darf das Spielbankgeld laut Richtlinien auch gar nicht einnehmen. Die Realität sieht aber anders aus. Hinter vorgehaltener Hand räumen Klubvertreter ein, dass die Etats in der Regel schöngerechnet werden, um eine möglichst hohe Zuzahlung zu erzielen. Gerade die Randsportarten sind darauf angewiesen, weil sie wegen der starken Konkurrenz in der Stadt bei der Sponsorensuche meist leer ausgehen.

Das bisherige Berliner Modell der Subventionierung von Spitzenvereinen ist einmalig in Deutschland. Bislang sind die Eliteklubs dort unmittelbar davon abhängig gewesen, dass möglichst viele Spielbankbesucher ihr Vermögen verzocken. Drei bis vier Prozent der Kasino-Gewinne wurden als Sonderabgabe an eine Lottostiftung ausgezahlt, die das Geld wiederum je nach erzielten Erfolgen an die besten Hauptstadtvereine überwies.

In den meisten anderen Bundesländern wird der gesamte Sportbereich aus einem Anteil aller Glücksspielerlöse alimentiert. In Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein wird dem Sportsektor sogar unabhängig von den Lotto-, Wett- und Spielbankgeldern ein Etatposten zugewiesen.

Die Berliner Sonderregelung zur Förderung von Erstligisten erweist sich jetzt für die Vereine als fatal. Streng genommen tragen die betroffenen Vereine und der Landessportbund Berlin (LSB) für die jüngste Entwicklung eine Mitverantwortung. Denn sie haben sich trotz der zu erwartenden geringeren Spielbankeinnahmen vehement für die Beibehaltung des Staatsmonopols beim Glücksspiel ausgesprochen. Norbert Skowronek, der Direktor des LSB, erwidert: "Das war doch damals die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub." Wenn der Glücksspielmarkt liberalisiert worden wäre, dann wäre die Finanzierung des Sports in Deutschland total zusammengebrochen. Es mache wenig Sinn, private Anbieter zu Abgaben zu verpflichten. Das hätte lediglich zur Folge, dass diese ins steuergünstigere Ausland abwandern würden. Skowronek fordert, die Finanzierung des Berliner Sports müsse in den nächsten zehn Jahren auf eine stabilere Basis gestellt werden.

Die Loslösung aus der Abhängigkeit von Lottoeinnahmen, wie sie in den südlichen Bundesländern vorgenommen wurde, hält er für vorbildlich. Doch in Berlin ist erst einmal Krisenmanagement angesagt. Skowronek erwartet, dass die Senatsregierung bis Ende des Jahres den Vereinen eine Perspektive aufzeigt, mit welchem Geld sie rechnen können. Mündlich hat ihm der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit eine Kompensation von einer Million Euro in Aussicht gestellt. "Bislang hat er immer gehalten, was er versprochen hat", betont Skowronek.

Bliebe es dabei, müssen die Vereine aber unter dem Strich mit einen Drittel weniger an Unterstützung auskommen.

Die Judoteams vom SC Berlin könnten mit diesen verminderten Einnahmen nicht überleben, sagt Fachwart Thärig. Er gehe davon aus, dass nun wenigstens das Erstligateam der Männer dieselbe Förderung wie zuvor erhalte. Schließlich habe der Verein mit der Abmeldung der Frauen seinen eigenen Sparbeitrag erbracht.

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