Hardware gegen Störerhaftung: Sorglos dank Crowdfunding

Wegen der sogenannten Störerhaftung sind offene WLan-Netze selten geworden. Mit der „Sorglosbox“ soll sich das ändern.

Getippt muss werden – mit oder ohne Sorgen. Bild: photocase / susann städter

BERLIN taz | In den letzten zwei Jahren sind viele Cafés und Kneipen zur internetlosen Zone geworden. Aus Angst vor Abmahnungen haben sie ihre offenen Netze geschlossen und durch anmeldepflichtige Angebote ersetzt. Selbst im Oberholz, Treffpunkt der digitalen Bohème Berlins, ist das WLan nur noch nach Registrierung nutzbar.

Schuld ist ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2010, das es untersagt, unkontrolliert ein offenes Netz zur Verfügung zu stellen. Gemeint ist die sogenannte Störerhaftung: Wer ein offenes WLan betreibt, haftet dann, wenn einer der Nutzer gegen geltendes Recht verstößt und nicht ermittelt werden kann; beispielsweise, wenn er illegal Filme oder Musik runterlädt. Er muss dann in Zukunft verhindern, dass ein anderer mittels des offenen Netzes Urheberrechtsverletzungen begeh – also sein freies Netz einzäunen.

„Die Störerhaftung ist mindestens ein Kollateralschaden der Bestrebungen von Musik- und Filmindustrie, ihre Rechte durchzusetzen“, sagt Joerg Heidrich, Rechtsanwalt und Justitiar Computerzeitschrift c't. Das Problem sei auch, dass die Rechtsprechung keiner klaren Linie folge.

Zum Beispiel sind Access-Provider, etwa die Telekom mit ihren Hotspots, von der Haftung ausgeschlossen. Warum das nicht auch für Cafés und Kneipen gilt, sei kaum nachzuvollziehen. „Die Störerhaftung steht noch nicht mal im Gesetz, und die Prüfungspflichten, denen man als Betreiber nachkommen muss, sind uneinheitlich: das LG Köln entscheidet da ganz anders als das LG Hamburg.“

Dank Crowdfunding 5.000 Euro eingenommen

Dazu soll es eine Alternative geben: die Sorglosbox. Sie verspricht, einem die Angst vor Abmahnungen zu nehmen, wenn man sein Internet teilen will. Momentan gibt es sie nur als Prototyp, aber das ist nur ein Übergangsstadium. Ein Crowdfunding-Aufruf über 5.000 Euro ist, einen Tag vor Ende der Kampagne, bereits erfolgreich.

„Wir haben uns gedacht, dass es eine unkomplizierte Lösung für kleine Anbieter geben sollte“, sagt Wolfgang Lauterbach, einer der Initiatoren des Projektes. Und die Lösung, die die Betreiber gefunden haben, ist tatsächlich erstaunlich simpel: über eine VPN-Verbindung bezieht der Router seine IP-Adresse vom Server eines Access Providers, der als großer Telekomunikationsdienstleister geschützt ist vor Haftungsansprüchen. Und diesen Schutz gibt er dann weiter.

Eine auch juristisch elegante Lösung: Schließlich kann niemand dem Nutzer vorschreiben, unter welcher IP er im Netz unterwegs zu sein hat.

Alternative Freifunk

Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis das Gerät auf den Markt kommt: Momentan befindet sich ein Prototyp im Betatest, er soll in verschiedenen Locations ausprobiert werden. Im Laufe des Novembers werden, falls notwendig, Anpassungen an der Software vorgenommen, „und dann kann die Box auch schon bald in Produktion gehen“, sagt Lauterbach. Um die 20 Euro solle das Gerät kosten.

„Die Resonanz ist bisher sehr positiv“, sagt Lauterbach. Er hofft, mit der Sorglosbox den Druck zu erhöhen, damit der Gesetzgeber die Störerhaftung anpasst. Tatsächlich wächst der Druck.

Auch Freifunk-Aktivist Jürgen Neumann schilderte im taz-Interview ein ähnliches Verfahren, um freies W-Lan in Berlin anbieten zu können. Freifunk nutzt die VPN-Zugänge eines schwedischen Providers, um der Störerhaftung zu entgehen, und importiert damit sozusagen Rechtssicherheit. Diese technischen Lösungen werden wohl noch eine ganze Weile der Ausweg für kleine Anbieter bleiben, denn bisher lässt der Gesetzgeber keinen Willen erkennen, das Dilemma zu lösen.

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