Insolvenz der Signa-Gruppe: Benkos Kartenhaus bricht zusammen

In Österreich spricht man von der größten Pleite seit dem Zweiten Weltkrieg. Was passiert nun mit den einzelnen Teilen der Galeria-Karstadt-Mutter?

Menschen in einer Fussgängerzone, einer trägt eine Karstadt-Tüte

Bei Galeria Karstadt Kaufhof muss man mit großen Sorgen in die Zukunft blicken Foto: Nikita/imago

MÜNCHEN taz | Die hastigen Rettungsversuche in letzter Minute waren nicht von Erfolg gekrönt: Am Mittwoch hat die riesige Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko in Wien einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Zu dem verschachtelten Benko-Reich gehören verschiedenste große Immobilienprojekte in Deutschland, Österreich und Italien, auch ist es im Handel aktiv, etwa mit der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Nun ist Signa wegen Überschuldung zusammengebrochen, Benko ist pleite.

Bei der Sanierung in Eigenverwaltung wird dem Unternehmen drei Monate Zeit gegeben, einen Plan vorzulegen. Die Gläubiger müssen am Ende mindestens 30 Prozent ihres Einsatzes wieder erhalten – und sie müssen dem vorgeschlagenen Angebot zustimmen. Ob dies bis zum Februar kommenden Jahres gelingt, ist völlig offen.

Für den österreichischen Teil der Firmengruppe ist ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der, so sagte es der Insolvenz­experte Rudolf Mitterlehner im ORF, „die Notbremse ziehen kann“. Bestellt wurde vom Gericht der Wiener Anwalt Christof Stapf. In Deutschland und der Schweiz, wo weitere Tochterfirmen sitzen, konkurrieren namhafte Kanzleien und Verwalter um lukrative Mandate.

Dem einst hoch bejubelten 44-jährigen Unternehmer Benko – in Österreich nannten sie den Innsbrucker den „Wunderwuzzi“ – war schon seit langem ein äußerst risikoreiches, hasardeurhaftes Handeln zugeschrieben worden. Seine Projekte in Top-Innenstadtlagen bewertete er hoch und erhielt dafür lange Zeit günstige Kredite. Mit den gestiegenen Zinsen und den höheren Baukosten war absehbar, dass dieses Modell zumindest in eine Schieflage geraten würde.

Baustellen in Schockstarre

Vollkommen offen ist, was nun mit den einzelnen Teilen des Konzerns geschieht. Wahrscheinlich ist, dass sie herausgelöst werden und man versucht, sie einzeln zu verkaufen. Gegenwärtig herrscht auf allen Baustellen Stillstand.

Größtes bisheriges Prestige-Projekt ist der Elbtower in der Hamburger Hafencity. Er sollte 245 Meter hoch werden, ein Drittel davon steht bisher. Immer wieder wird über den aus Hamburg stammenden Transportunternehmer und Milliardär Klaus-Michael Kühne als möglicher neuer Bauherr spekuliert. In der Münchner Innenstadt nahe dem Stachus ist die „Alte Akademie“ ein großes Signa-Projekt, wo sich nichts tut und alle Fragen offen sind. Dort wird noch geworben mit: „Ein Herzstück Münchens erstrahlt in neuem Glanz.“

Auch bei Galeria Karstadt Kaufhof muss man mit großen Sorgen in die Zukunft blicken. Die Warenhauskette hat schon zwei Insolvenzverfahren hinter sich und ist deutlich geschrumpft. Der Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein ist skeptisch und fragt: „Wer kauft heutzutage ein Kaufhaus?“

Wirre Organisation

Bisher bleibt vieles äußerst verworren. Anfang November hat René Benko Berichten zufolge den Vorsitz des Signa-Beirates an den Unternehmenssanierer und Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz aus Neu-Ulm übergeben. Dieser sollte Ordnung in das komplexe Firmenkonstrukt bringen. Von Benko oder von Geiwitz war dazu aber nie eine Bestätigung zu hören. Benko hatte sich offenbar nicht von der Macht getrennt, über seine Familienstiftung ist er weiterhin an Signa beteiligt.

Die Unternehmensgruppe hatte schon zum Abschluss 2022 knapp 11 Milliarden Euro Schulden, mittlerweile dürften es einige mehr sein. Versicherungsgruppen, Banken, Unternehmen – nahezu alle hatten Benko Geld gegeben, nahezu alle hatte er von sich und seinen Projekten überzeugen können. Viele davon sind in Österreich und Deutschland ansässig. In Österreich spricht man nun von der größten Insolvenz seit dem Zweiten Weltkrieg.

Einen ungewöhnlichen Schritt ist die Schweizer Privatbank Julius Bär Anfang der Woche gegangen, als sie indirekt mitteilte, wie viele Schulden Benko bei ihr hat: als größtem Schuldner des Instituts sind es 600 Millionen Franken, was in etwa dem Euro-Wert entspricht. In Deutschland sind auch Landesbanken betroffen, etwa die Helaba in Hessen und Thüringen, die Bayern LB sowie die LBBW in Baden-Württemberg. Über die Höhe ihrer Kredite an Benko schweigen sie sich aus, geschätzt werden dreistellige Millionenbeträge.

Zum Ende des Monats wurden laut Berichten 200 bis 300 Millionen Euro an Rückzahlungen fällig. Es gab vielerlei Meldungen darüber, wie René Benko, dem bisher alles geglückt war, das Geld kurz vor knapp aufbringen wollte. Den vielfach beschworenen reichen Ölscheich als Finanzier hat es nicht gegeben. Am Ende wurden Geldgeber, so sagte es der Journalist und Benko-Kenner Sebastian Reinhart im ORF, „massiv abgeschreckt“ durch die „Intransparenz und das systemische Verbergen“ der tatsächlichen Unternehmenszahlen. Es gab in den vergangenen Tagen einige wilde Berichte, wie Benko doch noch an schnelles Geld kommen wollte. So soll er etwa seine Luxusyacht „Roma“ für 40 Millionen Euro zum Verkauf angeboten haben. Und seine millionenschwere Kunstsammlung, von der bisher niemand wusste, dass sie überhaupt existiert.

Dem Wirtschaftsmagazin Forbes zufolge hat sich Benkos Privatvermögen im Zuge des Signa-Absturzes halbiert. Demnach besaß er im Sommer dieses Jahres 6 Milliarden Euro, jetzt sind es noch 2,8 Milliarden. Der Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch von der Universität Innsbruck ist sich aber sicher: „Benko bleibt Multimillionär oder gar Milliardär.“ Dafür habe er genug Vermögen von Signa auf seine Privatkonten herausgezogen.

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