Keine Luft für Fische in Hamburg: Todeszone in der Elbe

In Hamburg ist so wenig Sauerstoff im Wasser, dass Wanderfische die Stadt nicht passieren können. Schuld daran ist der Ausbau des Flusses für die Schifffahrt. Umweltschützer verlangen Flachwasserzonen.

Erschreckende Sauerstoffwerte ermittelt: Messstelle Seemannshöft im Hamburger Hafen. Bild: Torsten Bätge/Wikimedia Commons

HAMBURG taz | Den Fischen in der Elbe vor Hamburg fehlt der Sauerstoff zum Atmen. Obwohl der Sommer noch gar nicht offiziell begonnen hat, ist der Sauerstoffgehalt im Wasser unter den für Fische kritischen Wert von drei Milligramm pro Liter gesunken, an einer Stelle sogar bis auf 1,4 Milligramm. "Der gesamte Hafen ist für Fische eine Todes-Zone", warnt der Förderkreis "Rettet die Elbe". Für Wanderfische stelle sie ein unüberwindliches Hindernis dar. Eine weitere Elbvertiefung könnte das Problem verschärfen.

Der ökologische Zustand der Elbe hatte sich in den 1990er Jahren stark verbessert. Kläranlagen wurden gebaut, Industrieanlagen der ehemaligen DDR und CSSR entweder saniert oder gleich abgerissen. Der Zustrom von Giften und Nährstoffen schwand.

"Sauerstofflöcher" - Zonen mit einem Sauerstoff-Gehalt unter drei Milligramm - wurden zur Seltenheit, allerdings nur bis zum Jahr 2000. In diesem Jahr wurde die Fahrrinne für den Hamburger Hafen zum letzten Mal vertieft. Seither geht den Elbfischen wieder jeden Sommer die Luft aus.

Über die Wirkungskette, die dem zugrunde liegt, besteht weitgehend Einigkeit. Bei viel Sonne, warmem Wasser und hohem Nährstoffeintrag etwa von den Äckern gedeihen oberhalb Hamburgs prächtig die Algen. Im Hamburger Hafen stürzt die Sohle des Flusses plötzlich von drei auf 14 Meter Tiefe ab.

Ein Teil der Algen sinkt in die Tiefe, wo sie mangels Licht und unter Verbrauch von Sauerstoff absterben. "Normalerweise würden sie bis zur Salzwassergrenze schwabbeln", sagt Klaus Baumgardt von Rettet die Elbe, "und dort absterben." Die Salzwassergrenze liegt 70 Kilometer weiter bei Glückstadt.

Die Unterelbe, der Stromabschnitt vom Stauwehr in Geesthacht oberhalb Hamburgs bis zur Mündung bei Cuxhaven, muss unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden.

Ästuar: Die trichterförmige Flussmündung ist ein ganz besonderer Lebensraum. Ebbe und Flut schwappen bis hinter Hamburg ins Land hinein.

Wasserstraße: Als Zufahrt für den Hamburger Hafen ist die Fahrrinne im Strom in den vergangenen 200 Jahren immer tiefer gegraben worden. Dadurch hat sich der Tidenhub stark vergrößert. Nach der jüngsten Vertiefung 1999/ 2000 hat der Aufwand für die Unterhaltungsbaggerei explosionsartig zugenommen.

An den Werten der Messstationen des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt lässt sich dieses Phänomen nachvollziehen: Lag der Sauerstoffgehalt Anfang der Woche oberhalb des Hafens bei gut sechs Milligramm pro Liter, wurden in Hamburg nur noch 1,4 Milligramm und unterhalb der Stadt 1,7 Milligramm gemessen.

Dabei empfiehlt ein Gutachten, das das Potsdamer Institut für Binnenfischerei 2008 den Hamburger Behörden vorgelegt hat: "Die Mindestsauerstoffkonzentration von drei Milligramm Sauerstoff pro Liter im Gewässer sollte zu keiner Zeit unterschritten werden."

Die meisten Tiere weichen der Erstickungszone aus. "Wir wissen noch nichts von toten Fischen", sagt Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde. Probleme macht das Sauerstoffloch vor allem den Fischen, die in den Binnengewässern laichen und sich im Meer groß und stark fressen: Meerforellen, Lachse und Neunaugen.

Die flussabwärts wandernden Jungfische kämen etwas zu spät zum Fressen, die flussaufwärts ziehenden älteren Fische etwas zu spät zum Laichen, stellt "Rettet die Elbe" fest. Unter beidem litten die Bestände. "Dadurch, dass sie in ihrer Wanderung aufgehalten werden, gibt es jedes Jahr einen neuen Dämpfer", sagt Baumgardt.

Um die Probleme nicht zu verschärfen, haben die Umweltschützer den Senat gebeten, er mögen darauf verzichten, die Elbe noch weiter zu vertiefen. Der neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat dieses Vorhaben jedoch für prioritär erklärt. Die Baggerei soll es Containerschiffen der neuesten Generation erlauben, weitgehend tideunabhängig den Hafen anzulaufen.

Um deren Effekte zu neutralisieren, will der Senat sich zum einen dafür einsetzen, dass in den Oberlauf der Elbe weniger Nährstoffe eingetragen werden. Zum anderen will er zusätzliche Flachwasserzonen schaffen, in denen sich das Wasser mit Sauerstoff anreichern kann. In Arbeit ist aber nur ein derartiges Projekt, das nach Ansicht von Umweltschützern andere Umweltsünden ausgleichen muss.

Dumann verweist darauf, dass die Hamburger Hafenbehörde (HPA) an einem Konzept arbeitet, das die vertiefungsbedingt wachsende Dynamik der Tideelbe dämpfen soll. Das würde sich auch auf den Sauerstoffhaushalt auswirken. Überdies solle die Stiftung "Lebensraum Elbe" noch in diesem Jahr die Arbeit aufnehmen.

Finanziert mit Geld der HPA und einem kleinen Teil der Hafengebühren, soll sie die ökologische Qualität der Elbe verbessern - zum Ausgleich für die nächste Vertiefung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.