Klimakonferenz als Zeitmaschine: Die COP ist ein Kinderspiel

Klimakonferenzen sind für fast niemanden angenehm. Aber für unseren Autor waren sie einige Jahre eine spannende Abwechslung – trotz Schulhoftyrannen.

Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Klimakonferenz, eine Frau (in der Bildmitte) schaut sehr gespannt und trägt Kopfhörer

Delegierte bei der COP15 in Kopenhagen: „Es gab mal eine Zeit, da habe ich mich auf die COPs richtig gefreut“ Foto: Danish Foreign Affairs Ministry/dpa/picture alliance

Eine UN-Klimakonferenz ist keine angenehme Sache. Auch und gerade nicht für JournalistInnen. Man schläft kaum, das Essen ist knapp oder schlecht, die Hektik groß, keiner weiß, was gerade passiert, tut aber so, als wüsste er’s. Dazu kommt: Man muss ans andere Ende der Welt, sieht aber von diesem Ende nur die immer gleichen Konferenzzentren. Und dafür wird man dann in die Wüste geschickt.

Aber ich gestehe: Es gab mal eine Zeit, da habe ich mich auf die COPs richtig gefreut. Das war die ferne Vergangenheit (unsere Kinder sagen dazu: „Damals, als die Gummistiefel noch aus Holz waren“), als ebendiese Kinder noch klein waren. Ich war viel zu Hause, habe immer wieder mit Begeisterung das erholsame Berufsleben gegen die aufreibende Care-Arbeit getauscht, Windeln gewechselt, Zucchini-Kartoffelbrei gekocht und Wutanfälle ausgehalten. So viele Abenteuer habe ich nie wieder erlebt.

Aber dann, alle Jahre wieder: COP. Eine oder zwei Wochen konnte/musste ich weg und mich 24/7 auf die Arbeit konzentrieren. Mit erwachsenen Menschen reden. Fakten recherchieren. Studien lesen. Nächtelang über die Rettung der Welt diskutieren. Kein Geschrei, dass die Legosteine wieder nicht passen. Schluss mit „ich muss Pipi“ und „ich will Pippi Langstrumpf auf Kassette hören“. Kein genervtes Schlichten, wenn das Kuchenstück von Jonas zwei Millimeter kleiner war als das von Tina. Kein An- und Ausziehen von Schneeanzügen und nassen Socken. Keine Notfallbesuche mit röchelnden Kindern beim Lungenspezialisten. Keine Läuseattacken abwehren.

Nein, ich kümmerte mich ganz ernsthaft um Klimapolitik. Las die Gutachten, lernte die Menschen kennen. Redete mit SpezialistInnen, LobbyistInnen, EntscheiderInnen. Verbrachte endlose Tage und Nächte in Konferenzsälen und Pressezentren. Ich verfolgte die Verhandlungen, verstand, worum es geht, verzweifelte über die geringen Fortschritte.

Und langsam dämmerte mir: Auch hier bei all den hochtrabenden Delegationen und wichtigen PolitikerInnen gibt es Geschrei, weil jemandem die Bausteine für den Klimaschutz nicht passen. Auch auf den COPs wollen alle recht haben, weil sie das schon immer so gesagt haben – egal, ob dann alle darunter leiden. Wehe, das Stück vom Kuchen ist ein paar Millio­nen geringer als beim Nachbarn, auch wenn es dem schlechter geht.

Auch hier gibt es die Schulhoftyrannen, die alle nach ihrer Pfeife tanzen lassen wollen. Es gibt die Streber, die es immer allen recht machen müssen. Es gibt eine hilflose Kitaleitung (die UNO), die sich nicht mal zu einem ordentlichen Streik durchringt. Und einen überforderten Tagesvater (den COP-Präsidenten), der versuchen muss, 198 widerspenstige Bälger dazu zu bringen, beim Ausflug in den Zoo nicht dauernd aus der Reihe zu tanzen. Und dabei immer nett zu lächeln hat.

Seitdem fahre ich versöhnt auf die COP. Sie ist eine Zeitmaschine: Sie erinnert mich daran, wie aufregend das Leben als Vermittler/Suppenkoch/Animateur sein kann. Und an diesen weisen Buchtitel von Robert Fulghum: „Alles, was ich je wirklich wissen musste, habe ich im Kindergarten gelernt“.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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