Klimakrise in Serien und Games: Hurra, die Welt geht unter

Endzeitstimmung ist aus Serien und Spielen kaum wegzudenken. Aber die Klimakrise wird bislang erstaunlich selten thematisiert.

Computerspielbild: ein Pandabär zwischen Bambus auf einer Insel

In „Terra Nil“ müssen die Menschen die von ihnen zerstörte Umwelt restaurieren Foto: Terra Nil

Auf heftige Hitzewellen folgen starke Gewitter und Sturmböen: Durch die aktuellen Extremwetterereignisse werden die Gefahren des Klimawandels gerade besonders spürbar. Für Viele spielt sich der Sommer dieser Tage daher zum Großteil im Drinnen ab. Dort, wo sich nicht nur hohen Temperaturen, sondern auch den Gedanken daran noch ziemlich gut entkommen lässt. Denn dafür, dass uns die Ankündigungen dessen, was uns bei weiterer Untätigkeit bevorsteht, in der wahren Welt schon so deutlich begegnen, behandeln Phänomene wie Videospiele und Serien (Literatur und Kino sind weiter), den Klimawandel bislang erstaunlich selten.

Im Streaming- und TV-Bereich rückt er derzeit zwar in den Fokus der Aufmerksamkeit – in der bei AppleTV+ erschienenen Anthologie-Serie „Extrapolations“ etwa. Darin erzählt Scott Z. Burns („Contagion“) von mannigfaltigen Konsequenzen, die die globale Erwärmung für Menschen rund um die Welt haben könnte. Zum Cast zählen Schauspielgrößen wie Meryl Streep und Edward Norton. Oder in der beim ZDF zu sehenden Adaption von Frank Schätzings „Der Schwarm“, die ein Szenario imaginiert, in dem sich durch ein ökologisches Ungleichgewicht eine Bedrohung in den Meeren formiert. Mit Kosten von 44 Millionen Euro gilt die Produktion als eines der teuersten TV-Projekte Europas.

Trotz großer Namen und Budgets ist das Thema mit den beiden Produktionen allerdings noch nicht recht in der Serienwelt angekommen. Beide Prestigeprojekte enttäuschten Publikum und Kritik, mitunter weil die Erzählungen konstruiert wirkten oder das Schicksal der Figuren nicht empathisch gezeichnet wurde.

Auszublendender Rahmen

Zwar umfasst der „Climate-Fiction“-Trend durchaus Serien, die besser funktionieren. Wie etwa den HBO-Hit „The Last of Us“, wo die globale Erwärmung zu einer Pilzmutation führt, die die Menschen in Zombies verwandelt. Allerdings ist der Klimawandel hier nur leicht auszublendender Rahmen, der einzig die Ausgangssituation definiert. Ein echter „Gamechanger“, der den Klimawandel als Thema wahrlich im Streaming-Bereich etabliert, steht also noch aus. Ähnlich verhält es sich in der Gaming-Welt.

Dystopische Szenarien, in denen die Spie­le­r*in­nen durch die Postapokalypse manövrieren, sind hier zwar längst nicht mehr wegzudenken. Gerade in den großen Blockbuster-Titeln sind es oft aber andere oder schlicht nicht weiter ergründete Katastrophen als der menschengemachte Klimawandel, die den Planeten unwirtlich machen.

Eine beachtliche Ausnahme ist „Horizon Zero Dawn“. Etwa ein Jahrtausend nach dem Zusammenbruch der Zivilisation streift die junge Protagonistin Aloy durch eine paradiesisch anmutende Natur, in der nur noch an Dinosaurier erinnernde Roboterwesen und Ruinen von der Existenz der „Alten“ zeugen. Gemeint sind damit unmissverständlich wir, die gegenwärtige Menschheit, die durch den Technokapitalismus entscheidend zur Katastrophe beitrug. Mahnende Narrative wie diese in Videospielen zu erzählen, hat nicht nur ob ihrer schieren Reichweite – laut Schätzungen spielen mittlerweile rund 2,5 Milliarden Menschen regelmäßig – eine besondere Bedeutung.

Games wirken immersiver als andere Medien. Aufgrund der längeren Zeit, die Spie­le­r*in­nen innerhalb der jeweiligen Welt verbringen und der Möglichkeit, selbst Einfluss auf das Geschehen zu nehmen, ist das Mitgefühl mit den Figuren und ihren Schicksalen tendenziell größer – und die Wahrscheinlichkeit, ein Bewusstsein für das Thematisierte zu schaffen oder zu stärken, vermutlich ebenso.

Umso bedauerlicher ist es, dass gerade große Entwicklerstudios weitgehend davor zurückschrecken, den Klimawandel mit einer gewissen Ernsthaftigkeit zu behandeln. Womöglich, weil gesellschaftlich oder politisch Relevantes innerhalb der Mainstream-Titel zu verhandeln, mit trauriger Zuverlässigkeit zu „Shitstorms“ führt und daher als wirtschaftlich riskant gilt. Kurioserweise wirken hier vermutlich ähnliche Kalküle wie jene, die die Erderwärmung befördern: Kurzfristigen Gewinnen wird eine größere Bedeutung beigemessen als der Bewältigung der langfristigen Herausforderung.

Debatte über Energieverbrauch

So sind es in der Spielewelt vor allem die kleineren Player, die sich wagemutig zeigen und sich dem Thema ausführlicher nähern. Das Ende 2022 erschienene „Floodland“ etwa benennt ausdrücklich den Klimawandel als Ursache für einen gestiegenen Meeresspiegel, der Küstengebiete überschwemmte. In der postapokalyptischen Welt müssen die Spie­le­r*in­nen eine Gruppe an Sied­le­r*in­nen auf Expeditionen schicken, Ressourcen sammeln und Beziehungen zu anderen Clans unterhalten, um zu überleben. Ferner gilt es verschiedene Gesetze zu erlassen und Technologien zu erforschen, um die Zivilisation wieder aufzubauen und dabei den Frieden zu wahren.

Das seit März verfügbare „Terra Nil“ zielt in eine ganz ähnliche Richtung. Auch hier ist die Umwelt von den Menschen zerstört worden, ihre Restauration gestaltet sich im weniger komplexen Strategiespiel aber sehr viel einfacher. Um die Balance im Ökosystem wieder herzustellen, braucht es nicht viel mehr als ein paar Windräder und andere fortschrittliche Technologien in der Landschaft.

Einen unangenehmen Beigeschmack hinterlässt nicht nur die Suggestion, dass der Kollaps mit ein paar kosmetischen Eingriffen (oder ausreichend „Technologieoffenheit“) zu verhindern sein könnte. Sondern auch die Tatsache, dass das Spiel ausgerechnet von Netflix vertrieben wird und wahrscheinlich vom grünen Gewissen des Strea­ming-Giganten zeugen soll.

Dass sich der Konzern um eine Aufwertung des eigenen Images im Bereich der Nachhaltigkeit bemüht, ergibt angesichts der wachsenden Debatte um den Energieverbrauch beim Streaming durchaus Sinn. Vor der Pandemie schätzten Ex­per­t*in­nen diesen weltweit auf etwa 200 Milliarden Kilowattstunden im Jahr, was ungefähr dem Strombedarf aller Privathaushalte in Italien, Polen und Deutschland zusammen entspricht.

Mehr als Greenwashing?

Der hohe Energieverbrauch kommt vor allem durch den Betrieb leistungsstarker Server und Datenübertragung zustande. Beides spielt durch den Trend zum „Cloud-Gaming“ auch in der Videospiel-Branche eine immer größere Rolle. Auf die negativen Auswirkungen des Sektors auf das Klima reagierte das UN-Umweltprogramm (Unep) im Jahr 2019 immerhin mit der „Playing for the Planet“-Allianz.

In deren Rahmen verpflichten sich große Unternehmen, wie Sony, Niantic, Ubisoft und Microsoft dazu, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu formulieren und in ihren Spielen sogenannte „Green Nudges“ einzubauen, also klimafreundliches Verhalten durch kleine Anstöße, etwa innerhalb der Storylines, zu fördern. Erreicht man im Game „Horizon Forbidden West“ etwa eine bestimmte Trophäe, pflanzt Sony in Kooperation mit der Arbor Day Foundation dafür einen Baum in der echten Welt.

Inwiefern sich hinter der Initiative mehr als bloßes „Greenwashing“ verbirgt, wird die Zeit zeigen. Ebenso, ob es Serien und Spielen gelingen wird, eine erzählerische Herangehensweise an den Klimawandel zu entwickeln, die mehr ist als ästhetische Weltuntergangskulisse für schaurig-schönen Grusel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.