Kolumne Mithulogie: Jungfernhäutchen verbieten

In Dänemark wird die Rekonstruktion des Hymen verboten. Das ist ein Schritt gegen die Mythen über das Jungfernhäutchen. Richtig so!

OP-Besteck in einem Operationssaal, im Hintergrund operierende Ärzt*innen

Nur wenn die Vagina hermetisch versiegelt ist, ist eine OP notwendig Foto: dpa

Nun ist es immer schwierig, Menschen etwas zu ihrem Besten zu verbieten. Aber an einem Punkt haben die Dän*innen Recht: Es ist höchste Geisterbahn, dass wir aufhören das Engernähen der Vagina, damit es beim nächsten penetrativen Sex zu einer Verletzung kommt, die dann gefälligst aufs Betttuch blutet, als „Wiederherstellung des Jungfernhäutchens“ zu bezeichnen.

Das Jungfernhäutchen ist das Here be Dragons der Biologie. Es ist keinen Heiligen Georg realer als der Lindwurm auf alten Landkarten, doch während wir seit dem Mittelalter gelernt haben, dass an den Enden der Welt und auf einsamen Inseln keine Drachen lauern, glauben wir noch immer an das mythische Hymen.

Das Problem damit, Jungfernhäutchen zu sagen, ist, dass es nahe legt, es handele sich um eine Haut, die etwas mit Jungfräulichkeit zu tun hat. Bloß ist da keine Haut straff über den Vaginaleingang gespannt wie die Klarsichtfolie über die Schale Äpfel im Supermarkt, um anzuzeigen, dass die Früchtchen noch unberührt sind. Statt dessen gibt es eine Reihe Schleimhautfalten, die die Vagina keineswegs hermetisch versiegeln.

Wenn sie das in sehr seltenen Fällen doch tun, muss dieses Problem gynäkologisch behoben werden, da sonst Vaginalfluid und Menstruationsblut nicht abfließen können, was im schlimmsten Fall zu Blutvergiftung und Tod führen würde. Mehr zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie in dieser Kolumne.

Vaginale Korona statt Jungfernhäutchen

Weil sie aussehen wie die Zacken einer Krone, hat der schwedische Sprachrat bereits vor 10 Jahren entschieden, sie auch so zu nennen: vaginale Korona. Die vaginale Korona ist so dehnbar, dass sogar ein Baby durch sie hindurch passt. Man kann ihr ebenso wenig wie einem Penis ansehen, ob eine Person schon mal Sex gehabt oder Spagat gemacht hat. Trotzdem kenne ich noch Bilder aus Biobüchern, auf denen die Schüler*innen das Jungfernhäutchen einzeichnen sollten, während die Klitoris mit keinem Bild erwähnt wurde. #CheckYourPriorities

Um mit der Vorstellung eines verräterischen Häutchens aufzuräumen, hat Dänemark den falsch Revirginisierung genannten Eingriff jetzt verboten. Jorinde Wiese startet gerade eine Petition, das auch in Deutschland zu tun.

Nur machen Leute das nicht als Freizeitgestaltung – Fortnite oder Hymenrekonstruktion? – sondern aus Angst, was passiert, wenn sie „beim ersten Mal“ nicht bluten. Und ein Verbot hilft in Notlagen herzlich wenig. Es sei denn, es gibt breite Hilfsangebote. Deshalb fordert Wiese statt OPs Aufklärung, sowie staatlich finanzierte Workshops zur Anwendung von Kunstblut-Kapseln oder Blutschwämmchen. Und im Härtefall natürlich trotzdem die Operation, aber dann auf Krankenkasse, damit „Schönheitschirurgen“ nicht an der Angst von Menschen verdienen.

Oder mit Shakespeare: „Be bloody, bold and resolute!“

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Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)

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