Prozess wegen Genitalverstümmelung: Der Arzt mit der Bastelschere

Ein Frauenarzt ist angeklagt, in der Hochzeitsnacht mit einer Schere an seiner Frau herumgeschnitten zu haben. Ob es zum Prozess kommt, ist fraglich.

Der Vorsitzende Richter Serra de Oliveira auf der Richterbank im Landgericht Braunschweig.

Ohne Angeklagten kein Prozess – Richter Serra de Oliveira hatte trotzdem einiges zu sagen Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Der Vorfall ist einigermaßen bizarr und auch schon vier Jahre alt: Ein Frauenarzt wird beschuldigt, seine Frau in der Hochzeitsnacht in Dubai mit einer Bastelschere „operiert“ zu haben, weil ihm die Penetration nicht gelang. Er habe wohl ohne Betäubung Teile des sogenannten Jungfernhäutchens entfernen wollen – ein Begriff, der in der Medizin mittlerweile umstritten ist, weil er falsche Vorstellungen weckt.

Die damals 31-jährige Frau, so heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts, habe dies über sich ergehen lassen, weil er mit Scheidung drohte und sie Angst vor der Schande gehabt habe. Sie soll erhebliche Blutungen und Schmerzen erlitten haben. Erst nach der Rückkehr nach Deutschland zeigte sie ihn an.

Für Aufregung sorgte der Fall, als er vor zwei Jahren zum ersten Mal öffentlich bekannt wurde, vor allem deshalb, weil in der Anklage zunächst vom Vorwurf der Genitalverstümmelung die Rede war. Immerhin war der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt noch Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe an einer Klinik in der Nähe von Braunschweig in Niedersachsen.

Dieser Vorwurf, macht der vorsitzende Richter Pedro Serra de Oliveira deutlich, lässt sich allerdings nicht aufrechterhalten. Eine Genitalverstümmelung, wie sie im Gesetzestext gemeint ist oder auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert wird, zielt darauf ab, dauerhafte Veränderungen und Einschränkungen zu produzieren. Das sei hier nicht der Fall. Infrage kommt deshalb eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung. Bei der liegt der Strafrahmen aber immerhin auch zwischen einem und zehn Jahren.

Eine Genitalverstümmelung liegt nicht vor

Auch warum es bis zur Prozesseröffnung so lange gedauert hat, erklärt der Richter noch einmal ausführlich. Da seien zunächst Zuständigkeiten zu klären gewesen – Tatort war Dubai, die Anzeige wurde in Nordrhein-Westfalen erstattet, das Verfahren wanderte anschließend noch vom Amtsgericht ans Landgericht, wo er auch aufgrund von Überlastung, Terminschwierigkeiten und notwendiger Nachermittlungen erst einmal liegen blieb.

Chefarzt ist der Angeklagte seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Seine Kündigungsschutzklage gegen den ehemaligen Arbeitgeber mündete in einem außergerichtlichen Vergleich, wie die Braunschweiger Zeitung berichtet. In diesem Zusammenhang ließ sich der Beschuldigte auch zum ersten Mal inhaltlich ein: Seine Ex-Frau wolle sich rächen, soll er gesagt haben. Gegenüber den Ermittlern im Strafverfahren schwieg er.

Seine weiteren Versuche, beruflich wieder Fuß zu fassen, seien durch die Presseberichterstattung zum Scheitern verurteilt gewesen, beklagen seine Verteidiger. Und das alles ohne Urteil. Dabei beruhe die Anklage ausschließlich auf der Aussage der Ex-Frau und man könne durch Atteste belegen, dass diese nicht verletzt gewesen sei.

Der Angeklagte erscheint nicht

Doch zu einer Beweisaufnahme kommt es auch an diesem Montag nicht. Obwohl das Gericht zu diesem Eröffnungstermin einiges aufgeboten hat, um die Vorwürfe zu klären. Neben der Staatsanwältin sitzt die Anwältin der Ex-Ehefrau als Nebenklägerin, zwei Sachverständige für ein medizinisches und ein psychologisches Gutachten, vor der Tür wartet eine Zeugin.

Nur der Platz des Angeklagten bliebt leer. Der 53-Jährige hat ein Attest aus einer Privatklinik in der irakischen Hauptstadt Bagdad geschickt, wo er Familie hat. Aus diesem geht hervor, dass er aufgrund einer Rückenverletzung nach einem Treppensturz Ende September nicht reisefähig sei.

An diesem Attest hat der vorsitzende Richter so seine Zweifel, er hat es sogar von der Medizinischen Hochschule auf Stimmigkeit begutachten lassen. Den deutschen Kollegen erschien die Kombination aus Diagnose, angestrebten Behandlungsmaßnahmen und daraus resultierender Reiseunfähigkeit nicht so ganz schlüssig.

Auch die dem Gericht bekannten deutschen Wohnsitze des Angeklagten sind überprüft worden, stellt der Richter ausführlich dar – der Arzt sei dort nicht erreichbar gewesen, zum Teil schon seit Monaten nicht.

Für die Nebenklägerin ist die Aussetzung bitter

Die Staatsanwaltschaft beantragt erwartungsgemäß einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, über den aber in dieser Verhandlung nicht entschieden wird. Die Verteidiger argumentieren dagegen: Ihr Mandant habe ein großes Interesse daran, die Vorwürfe aufzuklären und seinen Ruf wiederherzustellen.

Ob es je dazu kommt, ist fraglich. Es gibt kein Auslieferungsabkommen mit dem Irak, er müsste also schon selbst wieder einreisen und sich der gerichtlichen Aufarbeitung stellen. Zunächst einmal wird die Hauptverhandlung ausgesetzt.

Für ihre Mandantin ist die lange Verfahrensdauer eine Katastrophe, sagt die Vertreterin der Nebenklägerin am Rande der Verhandlung noch. Sie leidet immer noch unter den psychischen und familiären Folgen der Tat und möchte endlich mit der Sache abschließen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.