Kolumne Overseas: Online-Banking beispielsweise

Es gibt Dinge in den USA, die einfach nicht zu unserem Bild von einer Supermacht passen wollen.

Wer aus Europa zum ersten Mal in die USA kommt, hat so ein Gefühl der Ehrfurcht im Gepäck. Natürlich handelt es sich um geringschätzige Ehrfurcht, denn schließlich sind wir, die Alte Welt, moralisch ohne Frage auf jeden Fall zukunftsfähiger. Wenn ich hier Besuch in der Neuen Welt bekomme, dann klingen die ersten Beobachtungen irgendwie erleichtert. Man ist plötzlich da - und entzaubert: "Das hätte ich ja im Leben nicht gedacht!", sagen die Besuchenden immer wieder. Nach nur wenigen Ausflügen zerbröselt in ihren Augen die waffenstarrende Supermacht rasant zu einer freundlich unorganisierten Gesellschaft, die unbekümmert schlechten Kaffee trinkt und sich wegen ihrer Schwächen nicht einmal die Haare raufen mag.

Mein Vater, der aus Süddeutschland kommt und daher ein Qualitätsprüfungsgen in sich trägt, konnte den Zustand der New Yorker U-Bahn kaum glauben. Er dokumentierte mit seiner Digitalkamera die gröbsten Baumängel der zischenden und kreischenden Metro. Das alles nur, um sie später gut gelaunt am Bodensee in seiner von Bauherren besuchten Stammkneipe zu präsentieren.

Eine deutsche Freundin, die seit Jahren in Afrika lebt und mich besuchte, konnte es auch nicht glauben. Als sie in Washington zum ersten Mal zum Telefon griff, war sie erst falsch verbunden, dann brach der Anruf mitten im Gespräch ab, schließlich stand die Leitung, aber ihr Gegenüber war kaum zu verstehen, so rauschte es. In Washington? In der Hauptstadt?

Wir sind beglückt und enttäuscht zugleich, dass die Weltmacht hinter ihrer markigen Fassade nur aus Pappe und Sperrholz errichtet zu sein scheint. Was ist los mit ihr? Will niemand hier stabile Brücken haben? Oder, wie der Rest der Welt auch, Geld überweisen können? Uns Ausländischen will nicht in den Kopf, wie eine Nation, die sich von Marshmallows ernährt und Kriege per Laptop führen kann, zu Hause nicht einmal eine Internet-Überweisung hinbekommt.

Ich hatte es anfänglich nicht geglaubt. Nachdem der Liebste und ich kürzlich umgezogen waren, hatte unser neuer Vermieter, der zufällig jetzt in Deutschland lebt, uns gebeten, jeden Monat pünktlich zum 30. die Miete auf sein Konto bei einer amerikanischen Bank einzuzahlen.

Keine Sache, dachten wir und veranlassten die Überweisung von unserem Girokonto natürlich per Internet-Formular. Online. Einige Wochen später kam eine freundliche Mahnung des Vermieters. Wir riefen bei unserer Bank an. Alles sei ordnungsgemäß und fristgerecht rausgegangen, sagte man uns. Es kam eine zweite Mahnung. Und ein, zwei weitere Wochen später schließlich der Anruf unseres "Landlords".

"Seid ihr verrückt geworden? Warum schickt ihr mir denn einen US-Verrechnungsscheck nach Berlin?" - "Wieso Scheck? Wir haben die Miete doch online überwiesen!" Wie sich herausstellte, hatte unsere Bank, jawohl, online den Auftrag erhalten - einen Scheck ausgestellt und diesen ordnungsgemäß per Post an die US-Adresse des Wohnungsbesitzers geschickt. Also an uns, denn wir wohnen jetzt in seiner Wohnung.

Wir wiederum haben seine Post, wie gewünscht, in einem größeren Schwung nach Deutschland nachgesendet.

Seit dieser Episode kann man uns jetzt jeden 30. eines Monats mit Sonnenbrille und einer Jacke mit dicken Innentaschen bekleidet zur Bank des Vermieters huschen sehen. Das riesige grüne Geldbündel, das wir auf den Banktresen legen, wird von einer Latina mit rasender Handakrobatik nachgezählt, nach Motiv geordnet und schließlich nochmals in die Geldzählmaschine gesteckt, bevor es auf das Konto unseres Vermieters gelangt.

Zugegeben, es ginge etwas einfacher. Wir könnten eine von 350 Scheckarten wählen, um unsere Mietschulden zu begleichen. Aber wir haben nie verstanden, warum man beim Zahlen mit Scheck eine Versicherung abschließen sollte, was einen Kassierer-Scheck besser macht und warum hier Online-Banking bedeutet, unserer Bank eine freundliche E-Mail zu schicken.

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