Kommentar Anerkennung Jerusalems: Provokation als Chance

Trumps Handeln ist befremdlich, die Reaktionen sind übertrieben. Für die Palästinenser war die Lage für Verhandlungen selten besser.

Jugendliche stehen um ein Feuer, einer wirft einen Autoreifen hinein, ein anderer filmt die Szene mit seinem Handy

Spontane Müllverbrennung als eine Form des Protests Foto: dpa

Es ist, als wolle sich US-Präsident Donald Trump selbst ein Bein stellen. Da kündigt er einerseits einen „Deal des Jahrhunderts“ an, um den Nahen Osten zu befrieden. Andererseits provoziert er den Eklat mit einer der zwei Parteien, die bei seinem Jahrhundertedeal die Hauptrollen spielen. Verstehe jemand den Chef im Weißen Haus. Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels ist zum aktuellen Zeitpunkt so befremdlich wie überflüssig.

Nichtsdestrotrotz sind die Reaktionen übertrieben, wenn die palästinensische Führung von einer Zerstörung der Zweistaatenlösung spricht oder wenn in Gaza die radikal-islamische Hamas eine neue Intifada entzünden will. Am Tag nach Trumps Rede bleiben Massendemonstrationen, gewaltsame Ausschreitungen und gar neuer Terror aus. Die Palästinenser sind Schlimmeres gewohnt als eine provokante Erklärung des US-Präsidenten.

Trump hat keine neue Intifada angefacht und kein Ende der Zweistaatenlösung verschuldet. Es wird sich nichts ändern, weder konkret durch seine Anerkennung der umstrittenen Hauptstadt noch in der Konsequenz. De facto ist Westjerusalem längst Hauptstadt Israels. Hier sitzen Regierung und Präsident, der Oberste Gerichtshof und die Ministerien, mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv und des Justizministeriums, das als einziges umziehen müsste, wenn die Zweistaatenlösung kommt, denn das Justizministerium liegt in Ostjerusalem.

Dass in den USA Jerusalem fortan offiziell als Hauptstadt Israels gilt, bedeutet mitnichten, dass Jerusalem nicht auch Hauptstadt Palästinas sein kann. Das Weiße Haus tritt für ein geteiltes Jerusalem ein, für eine Stadt mit zwei Regierungen für die beiden Staaten Israel und Palästina. Darauf gilt es hinzuarbeiten mit Trump als Vermittler, für den es keine Alternative gibt, und der jetzt mehr denn je in der Schuld der Palästinenser steht.

Das ist eine Chance. Palästina ist wieder in den Schlagzeilen, und die internationale Gemeinschaft macht mobil, um den Status quo zu retten und den Friedensprozess. Selten war die Ausgangslage so günstig für die Palästinenser, die gut daran täten, mit Rückenwind in neue Verhandlungen zu gehen.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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