Kommentar Mehr sozialer Wohnungsbau: Schulz würde, wenn er könnte

Erst hat die SPD die Mietenfrage verschlafen, jetzt unterschätzt sie sie. Mit lauwarmen Vorschlägen kann sie nicht gegen Merkel punkten.

Eine weiß-gelbe Plattenbaufassade

Schlicht, hell, schon fast elegant: Warum hat die SPD die Schönheit der Plattenbauten erst so spät erkannt? Foto: dpa

Als „schwer beweglichen Tanker“ hat der verstorbene SPD-Generalsekretär Peter Glotz einmal die Sozialdemokratie bezeichnet: eine Partei, die (zu) lange braucht, um zu entdecken, dass sich eine Gesellschaft verändert. Das galt schon in den 70er und 80er Jahren, als die ökologische Frage aufkam und die SPD das so lange für ein nebensächliches Problem hielt, bis die Grünen dauerhaft in den Parlamenten saßen.

Ähnliches gilt jetzt für die Mietenfrage. Dass in den Nullerjahren auch Sozialdemokraten die öffentlichen Wohnungsbestände in großem Stil an Private verhökerten, ist das eine. Dass sie nicht umsteuerten, als in den Großstädten der Betongoldrausch der Immobi­lien­branche begann, das andere – und geradezu rätselhaft.

In der aktuellen Legislaturperiode scheiterte Justizminister Heiko Maas mit seiner Mietpreisbremse an der Union, die die entscheidenden Punkte verwässerte. Bauministerin Barbara Hendricks wollte der Immobilienbranche mit Subventionen weit entgegenkommen, bis ihre Pläne an der eigenen Fraktion zerschellten. Danach passierte: nichts mehr – außer weiter steigenden Mieten.

Auch die als große wohnungspolitische Rede angekündigte Ansprache von Kanzlerkandidat Martin Schulz gibt wenig Anlass zur Hoffnung. Sicher: Schulz will die Mietpreisbremse verschärfen. Ob die SPD sie – anders als bisher – zum Knackpunkt in Koalitionsverhandlungen macht, bleibt aber offen. Eine Grundgesetzänderung soll zudem die Länder verpflichten, die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für den sozialen Wohnungsbau auch tatsächlich dafür einzusetzen. Dass diese Mehrheit zustande kommt, darf man bezweifeln.

Pläne für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit hat Schulz nicht

Von der neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, die Grüne und Linke vorschlagen, sprach Schulz nicht. Damit sollen kommunale Wohnungsbauunternehmen oder Genossenschaften Steuernachlässe erhalten, wenn sie preisgünstige Wohnungen bauen. Ohne diese Rechtsform dürfte billiger Wohnungsbau in großem Stil kaum zu haben sein.

In zehn Jahren wird die SPD-Wohnungspolitik ein spannender Fall für Zeithistoriker sein: Warum hat eine Volkspartei wie die SPD die Brisanz des Themas so lange unterschätzt? Aktuell aber gilt: Angesichts der lauwarmen Schulz-Pläne muss Angela Merkel den Umzug aus dem Kanzleramt kaum befürchten.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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