Kommentar NRW: Merkels Stern sinkt nicht in Düsseldorf

Vielen BürgerInnen dürfte unklar sein, wo genau die Unterschiede zwischen der Kanzlerin und ihren Kontrahenten liegen. Was Merkel geschickt für sich nutzt.

Von einem Tag auf den anderen ist Angela Merkel mit einem Szenario konfrontiert, das ihre eigene Zukunft stark beeinflussen wird. Die Neuwahl in Nordrhein-Westfalen ist allein deshalb wichtig für den Bund, weil sie ein weit repräsentativerer Stimmungstest ist als die Wahl im Saarland oder anderswo.

Auch die politische Konstellation gleicht derjenigen, die sich 2013 ergeben könnte. Mit Norbert Röttgen kämpft ein als progressiv-liberal geltender Christdemokrat gegen SPD und Grüne, die auf Lagerwahlkampf setzen. Die FDP fällt als Player aus, während mit den Piraten ein Neuer die Bühne betritt – auch dies deutet sich auf Bundesebene an.

Entscheidet sich also Merkels Schicksal bereits jetzt, in einer Art vorgezogenen Bundestagswahl? So einfach ist es nicht. Natürlich wäre es für die Kanzlerin ein herber Schlag, würde Rot-Grün in NRW mit ordentlicher Mehrheit bestätigt. Und natürlich verbindet Merkel und Röttgen viel. Beide gelten in der CDU als „Moderne“, beide liebäugeln mit Schwarz-Grün. Und beide müssen bei ihren Wahlen mit aller Macht verhindern, dass es für SPD und Grüne zur Mehrheit reicht. Denn dann sind sie am Zug.

Doch bei allen Ähnlichkeiten, klar ist auch: Wenn Röttgen in NRW scheitert, muss Merkel im Bund noch lange nicht verlieren. Denn ihre Startpositionen könnten unterschiedlicher nicht sein. Dem Bundesumweltminister werfen selbst die eigenen Leute vor, nur ab und zu aus Berlin nach Düsseldorf gejettet zu sein. Ihm fehlt in NRW jeder Amts- und Kompetenzbonus. Merkel hingegen wird in ihren Wahlkampf als Regierungschefin mit hohen Beliebtheitswerten ziehen. Ihr trauen viele Deutsche zu, das Land, wenn nicht ganz Europa, durch Großkrisen zu führen.

Auch inhaltlich lassen sich beide Wahlen kaum vergleichen. Während Röttgens CDU erwartbar und langweilig daherkommt, bietet Rot-Grün eine kluge Alternative zu der alles beherrschenden Austeritätslogik an. Was Röttgens Chancen nicht gerade verbessert. Und im Bund? Hier gibt Merkel den Ton an, während SPD und Grüne am liebsten zustimmen.

Vielen BürgerInnen dürfte jedenfalls unklar sein, wo genau die Unterschiede bei Fiskalpakt oder Rettungsschirm zwischen der Kanzlerin und ihren Kontrahenten eigentlich liegen. Was Merkel nutzt. SPD und Grüne sollten sich also nicht zu früh freuen: Merkels Stern wird nicht in Düsseldorf sinken.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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