Kommentar SPD nach den Sondierungen: Sie sind keine cleveren Händler

Die SPD wirkt wie ein Schiffchen, das in den Wellen mal hier, mal dorthin trebt. Der Parteiführung fällt täglich Neues ein, das in den Sondierungen fehlte.

Düsseldorfer Jusos protestieren vor einem Hotel

Die Jusos sind ziemlich unzufrieden Foto: dpa

Die SPD ist in einer vertrackten Lage. Wenn sie weiter mit der Union regiert, droht der freie Fall bei den nächsten Wahlen. Denn als Juniorpartner wirkt sie wie das Stützrad der Union. Sagt sie Nein zur Regierung, stehen Neuwahlen an. Die können vieles bringen – eine stärkere AfD, mehr Stimmen für die regierungswilligen Christdemokraten und Grünen. Der zerzausten, müden SPD werden sie nicht nutzen.

In so kniffeligen Situationen braucht jede Organisation ein Zentrum, das die Sache vom Ende her denkt. Die SPD aber hat – Martin Schulz. Der beteuert mal ohne Not, nie in eine Regierung Merkel einzutreten, um dann verwandelt als besonders überzeugter Groko-Befürworter aufzutreten. Die SPD, früher mal ein unbeweglicher Tanker, wirkt wie ein Schiffchen, das von den Wellen mal hier, mal dorthin getrieben wird. Als Schröder und Gabriel noch auf der Kommandobrücke standen, gab es klare Basta-Ansagen von oben. Die kurzatmige Stimmungspolitik à la Schulz ist ebenso fatal.

Schulz hat vor ein paar Tagen das Sondierungsergebnis – wieder ohne Not – „hervorragend“ genannt. Erstaunlicherweise fällt der Parteiführung, von Ralf Stegner bis Malu Dreyer, täglich Neues ein, das in diesen hervorragenden Sondierungen irgendwie fehlt: der Einstieg in die Bürgerversicherung, weniger prekäre Jobs auf Zeit, Mietpreisbremse und vieles mehr. Alles sinnvolle Ideen, die leider mit der Union kaum zu machen sind.

Oder sind die Nachforderungen eine raffinierte Taktik, um aus der Position der Schwäche eine der Stärke zu zaubern? Das Versprechen, noch viel mehr SPD-Politik durchzusetzen, mag Wankelmütige beim Parteitag zum Ja bewegen. Und in den Koalitionsverhandlungen kann man dann, mit Verweis auf das nötige Ja der SPD-Basis, am Ende der Union doch noch einiges abringen.

Dies mag das Kalkül sein – aber es ist Roulette. Wenn die SPD verspricht, Entscheidendes nachzuliefern, dann muss sie das auch tun. Sonst droht der GAU – das Nein der Basis zum Koalitionsvertrag. Dass die Union der SPD aber noch Entscheidendes zugesteht, ist unwahrscheinlich. 2013 wäre das möglich gewesen, 2018 mit Merkel im Abendlicht ihrer Karriere und einer panischen CSU, zudem bedrängt von FDP und AfD, nicht mehr.

Die SPD ist verunsichert bis ins Mark. Die Parteispitze des mächtigsten Landesverbands, Nordrhein-Westfalen, ist noch nicht mal in der Lage, ein Votum abzugeben – aus Ratlosigkeit. Ein Nein zur Groko, sonst eher ein mediales Gespenst, um den Genossen einen Schreck einzujagen, rückt näher. Die Schulz-SPD wirkt nicht wie ein cleverer Händler, sondern wie der Hochstapler, der den Schwindel, der gerade aufgeflogen ist, mit dem nächsten vergessen machen muss.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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