Kommentar Unterhaltsrecht: Scheinväter sind auch Väter

Justizminister Maas entmystifiziert die Bedeutung der Gene für die Vaterschaft. Sein Gesetzentwurf enthält aber eine überflüssige Sex-Auskunftspflicht.

Ein Mann geht imit zwei Kindern spazieren

Schein- oder Nicht-Schein-Vater? Foto: dpa

Wenn ein Kind ehelich geboren wird, testet niemand, ob der Ehemann der leibliche Vater des Kindes ist; rechtlich ist er automatisch Vater. Stellt sich dann aber Jahre später heraus, dass der Mann doch nicht der biologische Erzeuger ist, kann er die Vaterschaft anfechten. Bisher konnte dieser „Scheinvater“ seine gesamte Unterhaltsleistung (ab Geburt des Kindes) vom leiblichen Vater einklagen. Juristen nennen das den „Scheinvater-Regress“.

Justizminister Heiko Maas will diesen Regress nun stark reduzieren. Für die Zeit, in der der Mann das „Kuckuckskind“ für ein eigenes hielt, soll er keine Forderungen stellen können. Damals fühlte er sich als Vater, agierte als Vater und genoss auch die Freuden des Vaterseins. Ein Scheinvater ist auch ein Vater. Das alles wird nicht nachträglich vernichtet, nur weil das Kind das Erbgut eines anderen Mannes in sich trägt. Die Situation ist für den Scheinvater schwierig genug, wenn er erfährt, dass er von falschen Annahmen ausging. Dass er jetzt durch die Rechtslage auch noch auf eine totale finanzielle Rückabwicklung fokussiert wurde, war kontraproduktiv, denn es forcierte die Entfremdung von Vater und Kind unnötig. Die Grundausrichtung der Maas'schen Reform ist also zu begrüßen.

Man könnte sogar erwägen, den Scheinvater-Regress ganz abzuschaffen. In der Schweiz zum Beispiel gibt es ihn gar nicht. Doch Minister Maas will ihn zumindest teilweise bestehen lassen. Der Scheinvater soll für die Zeit bis zum Abschluss seiner Vaterschaftsanfechtung und für die zwei Jahre davor, Unterhalt vom leiblichen Vater fordern können. Begründung: Damit der (nun oft getrennt lebende) Scheinvater nicht sofort jede Verantwortung aufgibt und stattdessen weiter Unterhalt leistet, soll er diesen später vom eigentlich verpflichteten biologischen Vater rückfordern können. Dieser Rest vom Scheinvaterregress dient also dem Kind und einer Stabilisierung seiner Situation. Das ist ein akzeptabler Grund.

Damit der Scheinvater seine Ansprüche einklagen kann, muss er allerdings immer noch wissen, wer überhaupt der leibliche Vater ist. Und das führt zu einem problematischen Punkt von Maas' Entwurf. Die Mutter (in der Regel seine Ex-Frau) soll künftig gesetzlich verpflichtet sein, den Namen des biologischen Vaters zu nennen. Die Bild-Zeitung hat das nicht zu Unrecht als „Sex-Auskunftspflicht“ bezeichnet. Denn die Frau muss benennen, mit wem sie in der Zeit, als das Kind gezeugt wurde, Sex hatte.

Teilweise ist zu lesen, Maas setze mit der Auskunftspflicht einen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts um. Das ist falsch. Karlsruhe hat nur kritisiert, dass der Bundesgerichtshof einen solchen Auskunftsanspruch ohne gesetzliche Verankerung erfunden hat. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aber ausdrücklich offen gelassen, ob er nun ein entsprechendes Gesetz schaffen will oder nicht. Maas hätte also durchaus auch darauf verzichten können.

Auskunftspflicht am Ende doch nur auf dem Papier

Und er hätte auch darauf verzichten sollen. Wer wann mit wem geschlafen hat, das sind Informationen, die den Kern der persönlichen Intimsphäre betreffen. Vielleicht war der damalige Sex-Partner der Freund der besten Freundin, vielleicht aber auch eine Person, die einem heute peinlich und widerlich ist. Es gibt viele Gründe, so etwas für sich behalten zu wollen. Dass der Staat hier eine Auskunftspflicht anordnet, wirkt völlig unverhältnismäßig. Vor allem, wenn es nur noch um die Durchsetzung eines kurzzeitigen Zahlungsanspruches geht.

Dass Maas eine Ausnahme von der Auskunftspflicht vorsieht, wenn die Auskunft „unzumutbar“ ist, mildert die Abstrusität dieses Vorschlags nur wenig. Das zeigen schon die Beispiele, die das Ministerium in der Begründung selbst anführt. Die Partnerin eines gutgläubigen Scheinvaters muss dann keine Auskunft geben, wenn sie das Kind zum Beispiel mit ihrem Bruder gezeugt hat, weil sie sich dann selbst wegen Inzest strafbar machen würde. Oder wenn sie von einem nahen Verwandten vergewaltigt wurde und diesen nun schützen möchte. Die Monstrosität der Beispiele zeigt, dass die Zumutbarkeits-Regel in der Praxis wenig helfen wird.

Gegen eine Auskunftspflicht spricht aber auch, dass sich die Anwendungsfälle ohnehin in Grenzen halten würden. Denn es ist vermutlich nicht die Regel, dass die Frau die Information verweigert. Sie hat ja meist gar kein materielles Eigeninteresse, dass der Scheinvater nicht klagen kann. Und oft ist dem Ehegatten ohnehin bekannt, mit wem die Frau in der fraglichen Zeit ein Verhältnis hatte.

Wenn die Sex-Auskunftspflicht am Ende nicht zu verhindern ist, wird sie aber doch meist leerlaufen. Denn wenn die Frau sich geschickt anstellt und sich einfach nicht mehr erinnern kann oder nur die vage Beschreibung eines Unbekannten liefert, dann steht diese Auskunftspflicht eben doch nur auf dem Papier. Warum also belastet der Justizminister seinen sinnvollen Reformansatz mit einer so hanebüchenen und nutzlosen Vorschrift?

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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