Kommentar Zerschlagene Gay-Parade: Inszenierung à la Putin

Drinnen hui - und außen pfui. Während das staatlich gelenkte Fernsehern Europa eine bunte Inszenierung des Song-Contests bietet, wird drumherum jede schwule Regung im Keim erstickt.

Mitwirkende jeglicher Couleur überboten sich am vergangenen Samstag geradezu in ihren Lobeshymnen auf die gelungene Inszenierung des Eurovision Song Contest in Moskau. Das Präludium zu dem Gesangsmarathon war alles andere als ein Ruhmesblatt. Im Gegenteil: Wieder einmal zeigte Russland sein hässliches Gesicht, als Ordnungskräfte der Miliz mit äußerster Brutalität gegen Aktivisten einer nicht genehmigten Homo-Demonstration vorgingen und rund 40 Personen vorübergehend festnahmen.

Dazu passt auch die zynische Äußerung eines Teilnehmers einer sogenannten Gegenkundgebung, Gay-Paraden sollten allenfalls in Straflagern stattfinden. Eine weltoffene Stadt sieht anders aus!

Dabei sind Homosexuelle nicht die einzige Minderheit, die in der gelenkten Demokratie à la Wladimir Putin täglich Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung werden. "Jagd gemacht" wird auf alle, die von der Norm abweichen: Oppositionelle, ausländische Studierende, bevorzugt aus afrikanischen Staaten, oder Menschen aus dem Kakausus, die als "Schwarzärsche" verunglimpft werden.

Wo es darum geht, das Andere zu stigmatisieren, marschiert neben der russisch-orthodoxen Kirche auch immer die Regierung in der ersten Reihe mit.

Vor allem für die regimekritischen Kräfte, die unter Präsident Dmitri Medwedjew eine Verbesserung des Klimas auszumachen glauben, dürften die Ereignisse vom Samstag ein herber Rückschlag sein. Schließlich ist eines von Medwedjews erklärten Zielen, den Rechtsstaat zu stärken und Bürgerrechte durchzusetzen.

Bereits einmal meldete sich der Staatschef in diesem Sinne mahnend zu Wort, als er dem Chefredakteur der oppositionellen Zeitung Nowaja Gaseta im Kreml eine Audienz gewährte. Eine Neuauflage wäre jetzt dringend geboten.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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