Kompromiss bei Kindergrundsicherung: Es reicht vorne und hinten nicht

Die Ampelkoalition ist ihren Streit vorerst los, nicht aber die Kinderarmut. Moralisch und wirtschaftlich ist die 2,4 Milliarden-Entscheidung eine schlechte.

Zeh guckt aus einem kaputten Sportschuh heraus

Armut lässt sich nicht wegkicken Foto: Andreas Poertner/imago

Da ist sie nun, die Kindergrundsicherung – oder vielmehr das, was davon übrig bleibt. Die Ampelregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, mit der Grundsicherung „mehr Kinder aus der Armut zu holen“. Das ist schön vage, mit den nun mühsam herbei verhandelten 2,4 Milliarden Euro wird sicherlich das ein oder andere Kind aus der Armut geholt, aber das meiste wird für Verwaltung und Digitalisierung draufgehen. Viel bleibt nicht mehr für die, um die es eigentlich geht: die Kinder. Mit der Kindergrundsicherung werden Leistungen wie Kindergeld, Bürgergeld und Kinderzuschlag zukünftig gebündelt, zu einer richtigen Leistungserhöhung kommt es jedoch nicht.

Nachdem das Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) zunächst 12 Milliarden Euro für den Haushalt anmeldete, wollte das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) nur 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Im Grunde ist beides nicht genug: Wissenschaftliche Studien zum Thema gehen je nach Berechnung von 17 bis 26 Milliarden Euro pro Jahr aus, um Kinderarmut effektiv zu beseitigen. Es bringt auch nicht nachhaltig etwas, das Geld stattdessen in Bildung oder Sprachkurse zu stecken. Beides muss geschehen: Geld muss auch bei den Eltern ankommen, die ihren Kindern regelmäßig neue Kleidung und Schulsachen kaufen müssen.

Armut verschleppt sich weiter, über Generationen hinweg. Das ist nicht neu, auch die Familienministerin weiß das. Als sie am Montagmittag in der Bundespressekonferenz gefragt wird, ob 2,4 Milliarden Euro reichen, um Armut zu beseitigen, senkt sie den Blick. Nach einer längeren Pause antwortet sie: „Wir haben das gut zusammen gemacht, es waren konstruktive Gespräche.“ Was für ein Hohn für jedes vierte Kind in Deutschland – so viele Kinder leben derzeit in Armut und sozialer Ausgrenzung. Da nützt es nichts, dass Paus am Montagnachmittag betont zu wissen, dass es größere Impulse braucht.

Abgesehen vom moralischen Aspekt ist dieser Schritt der Ampel auch wirtschaftlich und rechtlich nicht nachzuvollziehen. Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, in der das Recht auf Teilhabe von Kindern festgeschrieben ist. Das heißt: Familien sollten es sich leisten können, das Kind mit einem Geschenk zum Kindergeburtstag zu schicken. Jetzt kann man sagen, die Kindergrundsicherung legt erst einmal ein Fundament, bündelt Bürokratiewust, und die entsprechenden Leistungen können sich auch später noch erhöhen. Aber wie gut ist ein Fundament, wenn am Ende des Monats Millionen von Kindern trotzdem das Geld fehlt für Schulessen und neue Schuhe?

Der neue politische „Kompromiss“ ist wenig fortschrittlich und nützt vor allem der Ampel und nicht den betroffenen Kindern.

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