Konzertempfehlungen für Berlin: Und eine Prise Utopie

Das Festival „Cosmic Awakening“ widmet sich dem Thema Zukunft in der Musik. Girls in Synthesis sind dem Zeitgeist Großbritanniens auf der Spur.

Eine Frau hockt vor einem Tonbandgerät und Verstärker

Szene aus „Sisters With Transistors“ Foto: Foto: Peggy Weil

Popmusik: im besten Falle ein Einfangen des Hier und Jetzt. Oder braucht es doch eine Prise Zukunft, damit sie ihre Hö­re­r:in­nen fliegen lässt? Der Theoretiker Marc Fisher jedenfalls hielt den Pop in den Nuller Jahren schon deshalb für erledigt, weil kaum mehr alternative Vorstellungen der Zukunft verhandelt wurden.

Statt Utopien oder auch Dystopien Raum zu geben, recyclete der Popbetrieb nur noch schon Dagewesenes. Fand er zumindest. Für weite Teile des Mainstreams mag oder mochte das gelten. Oder auch nicht, denn auch da verschwimmen die Grenzen. Ein Anlass, näher hinzugucken.

Der Frage, wie Zukunftsvisionen in die Musik kommen, widmet sich seit Donnerstag und bis Sonntag das interdisziplinäre Festival Cosmic Awakening im Haus der Kulturen des Welt, in Talks, Konzerten und Filmen. So gibt es etwa an jedem der vier Abende den Dokumentarfilm „Sisters With Transistors“ zu sehen, der die Geschichte von Pionierinnen elektronischer Musik wie Daphne Oram oder Suzanne Ciani erzählt (10.-13. 11., 19 Uhr, Eintritt frei).

Am Freitag stellt im Anschluss der schön schräge Adi Gelbart seine Komposition „The Portal, Finally“ vor, neben der Rapperin Makimakkuk aus Ramallah und dem Tokioter Psych-Rock-Trio Kuunatic. „The Portal, Finally“ dreht sich um nicht weniger als die Frage, ob im Laufe des Abends ein Erstkontakt mit einem anderen Universum stattfinden wird (11. 11., 20 Uhr, Eintritt 13, erm. 10 Euro).

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Da muss man wohl dabeisein! Auch der Samstagabend präsentiert sich vielseitig: mit einer Performance des Künstlers und Musikers Lonnie Holley (dessen Kurzfilm „I Snuck Off the Slave Ship“ vorab zu sehen ist) & Mourning [A] BLKstar. Zudem spielt das Duo Space Afrika aus Manchester, das Clubsounds mit zerfranstem Ambient und verstolperten Dub fusioniert. Und Nídia bringt afroportugiesische Clubmusik mit.

Am Sonntag gibt es dann die großartige Klein zu erleben, ihr eklektisches Album „Harmattan“ (2021), in dem es neben Neuer Musik viel Noise und Rap stecken, spielte sie pandemiebeingt als Einpersonenorchester ein (13. 11., 19 Uhr, Eintritt 13, erm. 10 Euro). Man darf gespannt sein, wie es hier auf die Bühne gebracht wird.

Ebenfalls am Sonntag stellt Brittney Denise Parks aka Sudan Archives ihr ziemlich tolles Album „Natural Brown Prom Queen“ vor, eine Synthese aus R&B, experimenteller Elektronik und Beatbasteleien.

So richtig warm wurde die in Cincinnati aufgewachsene, dieser Tage in Los Angeles beheimatete Violinistin und Sängerin mit ihrem Instrument, der Geige, erst, als sie sah, wie die Fiddler im Osten Afrikas sie nutzten. Sie brachte sich das Spielen selbst bei und nimmt sich folgerichtig einige Freiheiten heraus; nicht zuletzt ist das Instrument bei ihr vor allem Rhythmusgeber. Zu erleben im Metropol (13. 11., 20 Uhr, VVK 29,30 Euro).

Am Mittwoch gibt es dann schön wütenden Post-Punk vom Londoner GIRLS IN SYNTHESIS; den Zeitgeist auf ihrer auf so vielen Ebenen im Niedergang befindlichen Brexit-Insel fangen sie so intensiv wie gut ein – mit Noise, Hardcore-Elementen, furiosem Schlagzeug und nicht minder furiosen Gesang.

Live wird das bestimmt nochmal immersiver als auf ihrem neues Album „The Rest Is Distraction“, schließlich hebt das Trio die Grenzen zwischen sich und Publikum gerne auf (Urban Spree, 16. 11., 20 Uhr, Tickets 14,95 Euro).

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