Krautreporter online: Experimentiert wird mit der Crowd

Die Krautreporter sind online. Mit ordentlichen, aber nicht besonders originellen Geschichten. Die Reparatur des Onlinejournalismus ist das noch lange nicht.

Das Neueste im Onlinejournalismus. Bild: imago/Westend61

Selten hat ein journalistisches Projekt schon vor seinem Start für so viel Diskussionen gesorgt wie Krautreporter. Im Frühsommer legten die rund 25 Journalisten los. Ihr Ziel: Ein Internetmagazin mit hochwertigen Texten, hintergründig, experimentell und tiefgründig, finanziert ausschließlich durch Abonnenten.

Innerhalb von vier Wochen wollten sie 15.000 Menschen finden, die dafür 60 Euro spenden. 900.000 Euro sollten so zusammenkommen. Am Ende waren es 17.585 Spender und gut eine Million Euro.

Damit machten sie sich auf die Suche nach einem Büro, nach Programmierern und Mitarbeitern für die PR. Aus der Öffentlichkeit zogen sie sich komplett zurück – die Krautreporter hatten gelernt. Mit ihrem Spruch: „Der Online-Journalismus ist kaputt. Wir kriegen das wieder hin“, haben sie viel Kritik und Häme auf sich gezogen. Gemeint war: Viele Nachrichtenseiten hetzen dem Weltgeschehen hinterher, fokussiert auf die schnelle Schlagzeile und viele Klicks. Das ist in der Tat zu kritisieren, aber eben nicht mit so einem Auftreten. Mittlerweile bereuen sie das und trotzdem müssen sie sich nun daran messen lassen.

16 Artikel stehen nun auf der Seite. Jeder kann sie lesen, kommentieren können nur zahlende Mitglieder. Es gibt eine Reportage aus Gaza nach dem Waffenstillstand, ein Portrait der Autorin Dora Heldt, ein Interview mit einem dänischen Krankenpfleger im Ebola-Gebiet.

Nicht alles speziell fürs Projekt

Es sind vor allem Auslands-, Kriegs- und Krisengeschichten. Die Texte sind gut geschrieben und ordentlich recherchiert. Besonders originell sind sie aber nicht. Viele von ihnen könnten so auch in Zeitungen und Magazinen erscheinen – oder an anderer Stelle im Internet. Und das tun sie zum Teil auch schon, denn nicht alle Formate, die auf krautreporter.de zu finden sind, sind speziell für das Projekt entwickelt.

Tilo Jung zum Beispiel hat seine Interviewsendung „Jung und Naiv“ mitgebracht, Peer Schader, der seinen privaten Supermarktblog betreibt, schreibt über „Edeka und das Märchen vom Tante-Emma-Laden“ und Christoph Koch führt die Rubrik „Medienmenü“ weiter, die bisher auf seinem Blog erschien und in der mehr und weniger Prominente erzählen, was sie lesen, schreiben und hören.

Ihren Anspruch, journalistisch zu experimentieren, erfüllen Krautreporter bisher also nicht. Außer in einem Punkt, der aber immerhin wesentlich ist: dem Umgang mit der Crowd.

Beta-Version für Mitglieder

Vor gut zwei Wochen bekamen die zahlenden Mitglieder Zutritt zu einer Beta-Version der Webseite. Sie sollten sie testen und Fehler finden. Immerhin ein paar Leute haben das getan. In den Kommentaren steht jetzt zum Beispiel: „Mit meinem Mobil-Browser ist die Webseite kaum benutzbar“ oder „Im Firefox30 stimmt die Textformatierung nicht mehr“. Auch jetzt zum Start sind diese Probleme noch nicht vollständig gelöst.

Aber nicht nur technisch sollen die Leser mitbestimmen, auch und vor allem inhaltlich. Zahlende Nutzer sehen neben dem Text eine Kommentarleiste. Dort posten zum Einen die Autoren Zusatzinfos, Fotos oder Eindrücke aus ihrer Recherche. Tilo Jung hat in seinem Israel-Interview zum Beispiel ein Video vom Bombenalarm in Tel Aviv hinterlegt. Hannah Hünniger hübscht ihren Text über Dora Heldt mit Fotos vom Interviewort und Beschreibungen der Interviewsituation auf. Zum Anderen können Leser dort ihre Zeilen hinterlassen. Den etwas bemüht poetischen Einstieg zum Dora Heldt Portrait kommentiert Leser Sebastian mit „Ich möchte auch an diesen Ort, nicht nur um zu verstehen, warum diese Einleitung deinen Text schmückt, nein, es muss dort auch schön sein.“

Nichts blinkt

Die Seite ist schlicht gehalten, das war von Anfang an der Plan: Keine Werbung, keine Banner, nichts blinkt oder springt den Leser an. Schwarze Schrift auf weißem Grund. Jeder Text beginnt mit einem großen Bild, Links und Menüpunkte sind rot geschrieben. Eine Einteilung in Ressorts gibt es nicht, auch das gehört zum Konzept. Hier geht es um die Geschichte, nicht um programmiererische Tüftelei.

Für jeden sichtbar sind die Auflistungen zu Spenden und Ausgaben. Der Großteil des Geldes, 68 Prozent, ist demnach tatsächlich, wie versprochen, in die Redaktion und Autoren geflossen. Auch ihren Umgang mit Nutzerdaten legen die Reporter offen: Sie messen, wie die Leser die Seite nutzen, mit welchen mobilen Geräten, welchen Browsern und über welche IP-Adresse. Geld verdienen sie mit diesen Informationen aber nicht.

Ihr Versprechen, die Nutzer vollwertig in das Projekt einzubeziehen, lösen Krautreporter also ein. Es wird interessant zu sehen, ob sie es durch die Paywall vor den Kommentaren schaffen, eine anspruchsvolle Debattenkultur zu etablieren. Gerade erst hat sueddeutsche.de dazu einen neuen Versuch gestartet.

Die Reparatur des Onlinejournalismus ist das deswegen aber noch lange nicht. Ein Jahr haben die Krautreporter jetzt Zeit, zu zeigen, dass sie ihr Niveau halten können und sich hoffentlich noch mehr trauen, zu experimentieren. Ob das aber reichen wird, genügend Leute zu überzeugen, jährlich 60 Euro zu spenden – für etwas, das sie ähnlich an vielen anderen Stellen im Netz finden – ist damit noch nicht bewiesen.

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