Krönung von Charles III.: Der Regenkönig

Die Krönung des britischen Königs wird auch weitab von den Kameras rund um Westminster Abbey begangen. Aber nicht immer mit Jubel.

Das Königspaar auf dem Balkon von Buckingham Palace, Samstag Foto: Chris Jackson/Getty/ap

LONDON taz | Wer erwartet hatte, dass London zur Krönung von Charles III. und seiner Königin Camilla glänzen würde so wie vor knapp einem Jahr zum 70. Jubiläum der Queen, wurde am Samstag enttäuscht. Klar, vor den Kameras der Welt rund um die Westminster Abbey, wo die Krönungszeremonie mit allem Prunk stattfand, glänzte und jubelte fast alles.

Das Polizeiaufgebot in London war sogar das größte aller Zeiten mit um die 11.000 Beamt:innen. Scharf­schüt­z:in­nen waren sogar auf dem Dach des Buckingham Palace plaziert. Als der Vorsitzende der größten antimonarchischen Organisation „Republic“ königsfeindliche Plakate aus einem Kleinlaster ausladen wollte, wurde er mit anderen festgenommen, passend zur neuen Verschärfung des Polizeigesetzes. Zwischenrufe gegen den König gab es später trotzdem.

Dort wo die Kameras nicht waren, herrschte diesmal oft nur die gewohnte Leere. Zudem war der Krönungstag ein gewöhnlicher Samstag, die Geschäfte waren geöffnet. Ein Busfahrer klagte gegenüber der taz, dass er wegen der abgesperrten Innenstadt den ganzen Tag lang Menschen erklären musste, wie sie jetzt an ihr Ziel kämen.

Königliche Dekoration gab es nur in einigen Geschäften und in den Haupteinkaufsstraßen, hier und da war auch der eine oder andere Pub mit ein paar billigen Fähnchen geschmückt. Straßenfeste gab es vor allem in wohlhabenden konservativen Gegenden wie Chelsea und Kensington, nicht bei den jüngeren und diverseren Gemeinschaften in Gegenden wie Tottenham, Brent oder Brixton. Überraschungen gab es dennoch.

Eine Ausrede für laute Musik

Bereits am Freitag konnte in einer Straße in Hackney ein alter roter Briefkasten gesichtet werden, auf dem ein gestricktes Häubchen mit handgemachten Königs- und Königinpuppen zu bewundern war., daneben eine Häkeldecke mit einem königlichen Zitat: „Die Zukunft der Menscheit kann nur dann gesichert werden, wenn wir unser Leben als Teil der Natur wiederentdecken, statt von ihr zu leben.“

Man wolle trotz der berechtigten Kritik an der Königsfamilie an den Feiern beteiligt sein, erklärt der 75-jährige Clifford Headley, Vorstandsmitglied des karibischen Kulturzentrums Hibiscus im Ostlondoner Bezirk Stratford. Die Monarchie bleibe ja eine wichtige und bei vielen beliebte Institution. Deshalb hat er zwei Veranstaltungen mit „afro-kulturellem“ Kern organisiert, eine familienfreundliche für alle und eine zweite für jüngere Menschen mit MCs und Reggae, Drill und anderen musikalischen Darbietungen.

Die 64jährige Pearl Boatswain sieht es in ihrer Südlondoner Wohngegebend zwischen Brixton und Camberwell anders. Sie und ihr Soundsystem-Partner Toby Broom hätten sich nur deswegen auf die Liste der königlichen Feiern eintragen lassen, weil es ein guter Grund war, Lautsprecherboxen auf ihren Balkon aufzustellen, ohne dass sich jemand über den Sound beschweren würde, erläutert sie.

„Wenn mein Dad denken würde, dass ich zu einem königlichen Event gehen würde, würde er sich im Grab umdrehen“, versichert sie. Ihre Eltern hätten in Carriacou in den Grenadinen als Menschen zweiter Klasse gelebt. „Nachdem sie nach England zur Arbeit angeworben wurden, belohnte das Land sie mit dem schlechtesten Jobs, Unterkünften und anderen Ungerechtigkeiten.“ Deshalb plant sie Sounds zum Thema „Stoppt polizeiliche Schikanierung schwarzer Menschen im Vereinigten Königreich“.

Im Lloyds Park in Croydon am südlichsten Rand Londons haben sich am Samstag am frühen Nachmittag an die 30 Personen zu einer Hindu-Zeremonie versammelt. Vom Himmel regnet es so erbärmlich, dass sich die Gruppe unter einem Baum retten muss. Priester Parneshwar Govind Das zündet hier unter großen Schwierigkeiten ein Opferfeuer an und betet, dazu läutet eine Frau mit einem Glöckchen. Neben einem Topf Ghee, mit dem das Feuer gespeist wird, steht ein kleines Bild von Charles und Camilla.

Nitin Meta, 69, Vorsitzender der „Organisation Indische Vegetarier und Veganer“ – er trägt einen Verdienstorden an seinem Mantel und hat sowohl Charles als auch die Queen getroffen – erläutert, dass er und andere dies zum Dank organisiert hätten: „Dafür, dass man uns nach der Flucht aus Kenia hier in Großbritannien gut behandelt hat.“

Deshalb hätten sie den Priester bestellt, der nun ein besonders Gebet zur Ernennung von Königen durchführe. Eine halbe Stunde dauert die Zeremonie und endet mit dem dreimaligen Umkreisen der Feuerstelle durch alle Anwesenden. Danach tanzen noch zwei Mädchen.

Nicht alle Feiernden denken wie Nitin Meta. Kamal, 55, gibt an, dass er den Briten nicht für das, was sie in Indien anstellten, vergeben kann und möchte. Er erzählt von seinem Besuch Amritsars und den Massakern unter britischer Herrschaft. Dennoch sei heute alles komplizierter, seitdem das Vereinigte Königreich mit Rishi Sunak einen Premierminister mit ähnlichem Hintergrund wie er selber habe.

Auch Metas Tochter sieht die Royals eher skeptisch und als privilegiert. „Andererseits“, findet sie, „wer kann nach Brexit und Boris Johnson behaupten, dass die Menschen in diesem Land in der Lage sind, einen gutes Staatsoberhaupt zu wählen?“ Was ihr Vater hier organisiert habe, bezeichnet sie als schrullig und nimmt doch alles zur Erinnerung auf Video auf.

Das Königspaar auf einem Briefkasten in Hackney, Freitag Foto: Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Auch in der „New London Synagoge“ in der Nähe von Abbey Road wird an diesem Tag gebetet, wie in allen anderen Synagogen. Rabbiner Jeremy Gordon belehrt die Gemeinde über die Geschichte der Rückkehr jüdischer Menschen unter Cromwell und Charles II. und dass es seitdem Tradition und wichtig sei, das Königshaus zu preisen, umso mehr heute, wo Charles III. sich als Verteidiger des Glaubens überhaupt verstehe. Anlässlich der Krönung hat die Synagoge die britische Nationalhymne neu auf Hebräisch übersetzt, sie wird zur Feier des Tages vorgetragen.

Er ist aber nicht die Queen

Auf einer Veranstaltung der protestantischen „Newington Green Unitarian Church“ im Ostlondoner Stadtteil Hackney fragt sich Veranstalter Nick Toner, ob Charles III. auch diese Gemeinschaft, eine Abspaltung der anglikanischen Staatskirche, verteidigen würde. Eingeladen sei Charles allemal. Für heute hat er Mu­si­ke­r:in­nen und Dich­te­r:in­nen eingeladen, die das Thema Monarchie mit Spaß und Humor behandeln können. Doch es geht um mehr. Dieser Abend ist auf der Internetseite der antimonarchischen Organisation „Republic“ empfohlen.

Zwei der Mu­si­ke­r:in­nen sind sich vollkommen klar, weshalb sie hier heute spielen wollen. Sophie Crawford, 32, eine professionelle Folkmusikerin und Organisatorin der Gruppe „Queer Folk“ gibt sich als Sozialistin aus und hält das Königshaus als Verschwendung in Zeiten der Not. „Ich werde unter anderem Joe Hill nach Paul Robeson singen“, sagt sie – ein Gewerkschafter, der von der Polizei umgebracht wurde.

Steve White von der Punkband „Steve White and the Protest Family“ will sarkastische Lieder spielen, mit denen die Band schon zum Jubiläum letztes Jahr auftrat. „Ich habe keinerlei Toleranz für die Monarchie. Ich glaube dass auch andere allmählich davon ablassen. Selbst wer noch romantische Gefühle für die Queen hatte, fühlt mit Charles nicht mehr das gleiche.“

Außerhalb der Feiernden in der Innenstadt bestätigen viele ähnliche Meinungen. Von der taz befragte Brit:innen, Eingewanderte aus Spanien und Litauen und auch Besucher aus Guernsey glauben, es reiche mit der Monarchie. Eine Neuseeländerin und ein Australier sowie Ame­ri­ka­ne­r:in­nen sind für die Monarchie, richtig überzeugt hören sie sich jedoch auch nicht an.

Laut dem Meinungsinstitut YouGov unterstützen 62 Prozent aller Bri­t:in­nen die Monarchie, allerdings sinkt der Anteil bei den 18-24-Jährigen auf 36 Prozent. Es ist diese Generation, die auf Instagram und TikTok am meisten Spaß mit Parodien zur Inthronisierung hat, und mit Videos, die sich über Charles, Camilla und den ganzen Prunk lustig machen. Als Spaßobjekt hat die Monarchie bei ihnen doch noch „Zukunft“.

Derweil saßen die echten Mon­ar­chis­t:in­nen am Ende des Tages durchnässt mit Plastikfähnchen in der U-Bahn.

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