Landesparteitag der Berliner Grünen: Vorstandswahl scheitert

Die Realo-Kandidatin Tanja Prinz fällt mit nur 27 Prozent durch. Über zwei Drittel stimmen gegen sie. Der Parteitag soll Mittwoch weiter gehen.

Das Bild zeigt Tanja Prinz, die beim Grünen-Landesparteitag als Vorsitzkandidatin durchfiel.

Tanja Prinz hatte mit ihrer Kandidatur als Landesvorsitzende beim Grünen-Parteitag keine Chance Foto: dpa

BERLIN taz | Die Vorstandswahl der Berliner Grünen ist gescheitert. Beim Landesparteitag fiel am Samstag die einzige Bewerberin für den für Frauen reservierten Platz in der Doppelspitze, Tanja Prinz vom Realo-Flügel, in drei Wahlgängen durch. Nur 27,9 Prozent der 147 Delegierten stimmten für sie, 70,8 Prozent gegen sie. Weil so der laut Satzung Frauen vorbehaltene Platz nicht besetzt werden konnte, konnte es auch keine Wahl für den zweiten, auch für Männer offenen Platz in der Doppelspitze geben. Für den wollte der 2021 gewählte bisherige Landesvorsitzende Philmon Ghirmai erneut kandidieren. Der Parteitag wurde unterbrochen und soll am Mittwochabend fortgesetzt werden. Der bisherige Vorstand bleibt bis dahin im Amt.

Prinz hatte sich Anfang Oktober per Video für den Landesvorsitz beworben und sich in einer internen Vorabstimmung des Realo-Parteiflügels gegen Ghirmais bisherige Co-Vorsitzende Susanne Mertens durchgesetzt. Nach einen inoffiziellen Quotierung besetzt seit 2011 jeder der beiden Parteiflügel einen Platz in der Doppelspitze – wobei sich dennoch alle Parteimitglieder in beiden Vorsitzenden wiederfinden sollen.

Die Lage schien kurzzeitig geregelt, als Mertens zwei Tage nach der Vorabstimmung Mitte November ankündigte, nicht erneut zu kandidieren. Der vierköpfige Koordinatorenkreis der Realos veröffentlichte danach einen Text, in dem es unter anderem heißt: „In Ruhe haben wir nun eine einvernehmliche, interne Lösung gefunden.“ Doch in den folgenden knapp drei Wochen bis zum Parteitag ebbte die schon zuvor geäußerte Kritik an Prinz nicht ab.

Die Parteilinken lehnen ihren Ansatz ab, den Realos mehr Gewicht in der Partei zu verleihen. Bei den Realos gilt manchen ihr Vorgehen als zu drastisch und nicht daran orientiert, die gesamte Partei mitzunehmen. Noch stärker als auf Prinz richtet sich die Kritik dabei gegen die Prinz tragende Gruppierung „Grüne Reals in Mitte“, die unter dem Kürzel Gr@ms“, sprich „Gräms“, firmiert. Die macht die Parteilinke und einen auf Weiterregieren mit SPD und Linkspartei orientierten Kurs für die verlorene Regierungsbeteiligung verantwortlich. Die Gruppe fordert, dass die Berliner Grünen sich weit mehr an Baden-Württemberg orientieren, wo der dortige Landesverband Wahlen gewann und den einzigen grünen Ministerpräsidenten stellt.

Berliner Grünen gegen Bundesspitze

Im Berliner Landesverband kommt dieses Vorgehen aber bei vielen als zu radikal an. Das spitzte sich am Freitag in einem Brief an die 149 Parteitagsdelegierten zu, den neun der zwölf Kreisvorstände unterstützen und der der taz vorliegt. Darin heißt es: „Wir appellieren an alle, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, denn wir sorgen uns, dass die aggressive und unversöhnliche Art von GR@M die Handlungsfähigkeit unserer Partei gefährdet.“ Zu den Unterstützern gehört auch der Kreisvorstand Tempelhof-Schöneberg, wo Prinz Beisitzerin ist. Prinz selbst wird in dem Brief nicht namentlich genannt, aber die Botschaft an die Delegierten ist klar: Wählt sie nicht!

Wohin die Delegierten mehrheitlich tendieren würden, zeigte sich vorher schon bei einer Abstimmung zum Leitantrag über Wirtschaftstransformation, in dem auch die umstrittene Schuldenbremse auftaucht. Die Bundesvorsitzende der Partei, Ricarda Lang, hatte als Gastrednerin zuvor eine Reform der Schuldenbremse gefordert und sah sich dabei auch in einem Lager mit Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Der Leitantrag hingegen enthält den Satz: „Wir wollen die Schuldenbremse abschaffen.“ Ein Änderungsantrag des Kreisverbands Mitte, der vorsah, aus „abschaffen“, ein „zeitgemäß gestalten“ zu machen, konnte sich nicht durchsetzen.

Nachdem Prinz in zwei Wahlgängen mit jeweils rund 27 Prozent gescheitert war, gab es eine Unterbrechung des Parteitag, während der sich Mitglieder des Realo-Flügels zu einer Beratung zurückzogen. Prinz kündigte danach an, erneut zu kandidieren, bekam auch aber diesmal nur 27,9 Prozent – absolut bloß eine einzige Stimme mehr als im vorigen Wahlgang. Auf einen möglichen vierten Anlauf verzichtete Prinz und verließ sichtlich bewegt mit einem “Vielen Dank, frohe Weihnachten“ den Tagungssaal im MOA-Hotel in Moabit.

In einer merklich für diesen Fall vorbereiteten Rede mahnte Parteichef Ghirmai die Delegierten, nun nichts zu überstürzen. Die gewichtige Wahl des Landesvorstands dürfe „nicht übers Knie gebrochen werden“. Er schlug erfolgreich vor, den Parteitag mit etwas Abstand am Mittwochabend fortzusetzen. Die Landesgeschäftsstelle der Partei habe für die nun entstandene Lage – „die sich niemand in der Partei gewünscht hat“ – Vorsorge getroffen und einen Tagungsort in Kreuzberg reserviert. Die frühere Fraktionschefin Antje Kapek sagte umringt von Journalisten, sie sei seit 20 Jahren bei Parteitagen. „Aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“

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