Mannschaftsbilder für Bundesliga: Brust raus, stillgestanden

Wenn die Mannschaftsbilder für die Bundesliga-Saison fotografiert werden, ist das eine heilige Angelegenheit, besonders in Mönchengladbach. Ein Ortstermin.

Wo soll er schon sitzen, der Torsteher? Natürlich immer Mitte vorn. Bild: ap

MÖNCHENGLADBACH taz | Alles ist akribisch arrangiert. Auf Strafraumhöhe, mittig akkurat ausgerichtet: Ein Podest, zwei ordinäre Bierbänke, darauf große Hinweiszettel, wer gleich wo hingehört, Blickrichtung Seitenlinie. Blankgewienert die acht großen bunten Sponsoren-Schilder. Früher stand da höchstens mal ein Medizinkoffer mit Aufschrift, falls der Doc ihn grad dabei hatte. Borussia Mönchengladbach hat zum offiziellen Teamfotoschuss geladen.

Es ist sehr düster an diesem Morgen. Ein Fotograf schlägt das Flutlicht vor. Sein Kollege rät ab: "Bloß nicht, das gibt diese Nasenschatten und Tränensäcke." Derweil wirft einer wichtig seinen Blackberry an, Regenradar. "Die Daten sind aktualisiert. Die Front kommt jeden Moment." Regen - Feind eines jeden Bildes. Nasse Spieler - Feind jedweder Werbebotschaft. "In Köln gestern", erzählt einer, "das war das reine Chaos. Keiner wusste, wer wo stehen soll. Und beim Poldi war es besonders schlimm." Tja, Köln! Hier, beim geborenen Feind des FC, hört man das gern.

Nasse Dauerfäden beginnen vom Himmel zu fallen. Die Spieler kommen aus der Kabine. "Scheiße", sagt Roel Brouwers und fummelt sich durch die Gelfrisur.

Das Erstellen eines Saison-Mannschaftsfotos ist eine heilige Angelegenheit. "Das ist schon ein ernster Termin, vor allem für die Sponsoren", sagt Markus Aretz, Borussias-Sprecher und heutiger Bilder-Regisseur, "man richtet sich vor allem nach der Größe der Spieler, dass es einheitlich aussieht, nicht dass ein 2-Meter-Mann neben einem ganz Kleinen steht. Und die Torhüter immer Mitte vorne - der Klassiker." Und der Trainer habe sich als Einziger seinen Platz aussuchen dürfen.

Mannschaftsfotos sind ein entschlossenes Versprechen auf die Zukunft. Sie sind Autogrammvordruck, und natürlich, Futter für das Kicker-Saisonheft. "Der Kicker hat Montagfrüh um halb zehn Redaktionsschluss. Da müssen wir Rücksicht nehmen." Ärgerlich: Michael Bradley und Paul Staltieri fehlen noch, wegen Urlaub und Gold-Cup. Sie müssen später passfotogroß eingeklinkt werden - eine ästhetische Beleidigung.

Und die Transferzeit läuft noch. Sicher werden Spieler wieder mal ganz woanders sein, wenn die Saisonhefte am Kiosk sind. Bei manchen Clubs werden mehrere Bilder gemacht, mit und ohne Wackelkandidaten. Hier heute nicht.

Borussia ist ein besonders heikler Fall. Im Vorjahr wurde das Personal wild gewechselt - und schlussendlich von drei Trainern 34 Kicker eingesetzt. Ligarekord. Im Januar musste ein komplett neues Mannschaftsbild gemacht werden - "vor allem", sagt Aretz, "weil wir das Bild prominent und riesig im Stadion hängen haben und weil wir einen neuen Trainer hatten".

Die Spieler bauen sich auf. Aretz dirigiert. Da, dort, noch etwas links. Enger zusammen. Die Trikots stramm ziehen. Ganz wichtig: Die Spieler müssen akkurat versetzt stehen, damit die Brustlogos überall zu lesen sind. Jan-Ingwer Callsen-Bracker fummelt noch mal an den Haaren. Er steht ungünstig.

Denn wenn Jan-Ingwer Callsen-Bracker mal Autogramme kritzelt, wird sein unpraktisch langer Namenszug im Gesicht des Kollegen Thomas Kleine rechts neben ihm enden. Das, gibt Aretz zu, habe man nicht so wichtig genommen, "solche Überlegungen sind bei den Spielern nachher schon ein Thema. Aber uns ist Optik wichtiger."

Brust raus, stillgestanden, stillgesessen. Hände auf die Knie oder hinter den Rücken. Der Blick beerdigungsernst und entschlossen ins Ungefähre, vereinzelt ein gewolltes Lächeln dabei. Und klickklickklick. Drei Dutzend Kameras rasen im Dauerschuss. Die Fotografen stehen über 30 Meter hinter einer Absperrung. Das verhindert ungewollte Unschärfe-Spielereien. Kreativität unerwünscht. Es muss in seiner kalten Ästhetik aussehen wie immer und überall. Steif, genormt, diszipliniert. Keiner der Kicker scheint irgendeine Beziehung zum Nebenmann zu haben.

Originalität ist tabu, Ernsthaftigkeit die Regel. Als Ausnahme gelten schon Hertha, Hoffenheim und der VfB: Da dürfen die albernen Maskottchen mit aufs Bild. Die Ligaszene lacht heute noch über Thorsten Legat. Der zog sich beim Teamshooting 2000 die Hose hoch bis knapp unter die Brustwarzen. Die Verantwortlichen des FC Schalke fanden das nachher gar nicht lustig. Legat hatte eine 1.000-Mark-Wette gewonnen, musste aber 10.000 Mark Strafe zahlen.

Unten mittig sitzen die Torhüter mit je einem silbernen Ball in den Pranken. Logan Bailly war ein plötzlicher Problemfall. Vor Wochenfrist hat er ein Klimagerät durch seine Wohnung getragen, das Ding fiel auf seinen Fuß, glatter Bruch. Sechs Wochen Pause. Und jetzt Gips zum Fototermin. Auf Krücken kam er angehumpelt. Torwarttrainer Uwe Kamps alberte ihn an: "Kannste nicht mal schneller?" Die Krücken sind auf dem Bild versteckt, der eingegipste rechte Fuß hinten der Sanitätstasche verschränkt. Endlich macht eine Werbeutensilie mal Sinn.

Für die Sponsoren-Spezialbilder wird noch schnell ein riesiger Parabolschirm aufgebaut. Einmal müssen sich die Spieler launig mit einer Colaflasche zuprosten, dann auf Kommando Sponsorenbälle in die Luft werfen. Alle klatschen, als sie gehen dürfen. Jetzt sind sie wieder Fußballer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.