Massenprotest in der Westbank: „Tag des Zorns“ in Palästina

Für Freitag sind Massenproteste gegen Israels Militäroperation in Gaza geplant. „Es wird vermutlich zu Gewalt kommen“, sagen die Organisatoren.

In Beirut gingen Palästinenser gegen Israels „Regime des Kriegs“ auf die Straße. Am Freitag soll es im Westjordanland weitergehen. Bild: dpa

RAMALLAH taz | Der Kontrollpunkt Kalandia, wichtigster Übergang zwischen Jerusalem und Ramallah im Westjordanland, ist für den Autoverkehr geschlossen. Israelische Grenzschützer sperren die Region seit den Morgenstunden des gestrigen Donnerstag weiträumig ab, denn es sind Demonstrationen geplant.

Zehntausende, so prophezeiten die Veranstalter, würden zum Protestmarsch in der „Lailat al-Qadr“, der „Nacht des Schicksals“, kommen, die Muslime am 27. Tag des Fastenmonats Ramadan begehen. Für Freitag sind Proteste angekündigt. Es soll ein „Tag des Zorns“ werden. Die Demonstranten sollen überall dorthin gehen, wo israelische Grenzsoldaten postiert sind.

„Wir hoffen, dass die Soldaten nicht mit scharfer Munition schießen“, sagt Lina Ali, die den „Marsch der 48.000“, so der Titel der Demonstration, in der Nacht zum Freitag mitorganisiert. „Es wird vermutlich zu Gewalt kommen“, räumt sie ein, doch ohne die Demonstrationen „hört uns einfach niemand“. Das Blutvergießen im Gazastreifen und die Besetzung im Westjordanland müssten ein Ende haben. Die Stadtverwaltung von Ramallah habe 2.000 Flaggen gespendet, sagt Ali, die nicht ausschließen will, dass die ersten Massenproteste seit Beginn der israelischen Militäroffensive eine dritte Intifada ins Rollen bringen.

Auf dem Markt am zentralen Al-Manara-Platz herrscht reger Handel in Vorbereitung auf das letzte Ramadan-Wochenende. Trotzdem ist die Stimmung besorgt. Die 37-jährige Amal Hassan ist Mutter von fünf Kindern. „Viele reden wieder vom Widerstand“, sagt sie, obschon doch sicher sei, dass die Gewalt nichts bringen werde. „Wenn ich die Kinder sehe, die in Gaza sterben, denke ich an meine eigenen Kinder und das Herz tut mir weh.“ Auch den Tod israelischer Zivilisten lehnt sie ab. „Wir wollen den Frieden“, sagt sie. Die Hamas treffe jedoch keine Schuld an den kriegerischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen: „Die Hamas beschützt unser Volk.“

Aus dem offenen Fenster eines vorbeifahrenden Autos tönt der jüngste Hit in Palästina: „Steh auf, mach einen Terroranschlag“, singt ein Männerchor in flottem Rhythmus. Die 29-jährige Hiba will „ganz bestimmt“ an den Demonstrationen gegen die Gaza-Militäroperationen teilnehmen. Dass es zu Gewalt kommen kann, schreckt sie nicht. „Dort sterben Kinder im Bombenfeuer aus der Luft und von Panzern, da soll ich mich fürchten?“ Solange die israelischen Soldaten Palästinenser töteten, gäbe es keinen anderen Weg als den Widerstand. „Die Stimmung hier ist kurz davor, zu explodieren.“

Kerry drängt auf Feuerpause

Trotz der internationalen Bemühungen um einen Waffenstillstand stieg die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen bis Donnerstagnachmittag auf über 730. Fünfmal gab es auch in Tel Aviv Raketenalarm.

US-Außenminister John Kerry setzte seine Pendeldiplomatie fort. In US-Kreisen wurde jedoch die Erwartung gedämpft, eine Feuerpause stehe unmittelbar bevor.

Der Schlüssel für einen Waffenstillstand liegt in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Chaled Meschal, Chef des Hamas-Politbüros, macht das Ende der Gaza-Blockade und geregelte Öffnungszeiten für den Waren- und Personenverkehr am Grenzübergang Rafah in Richtung Ägypten zur Bedingung. „Wir brauchen Nahrungsmittel, Treibstoff und Strom“, sagte er am Mittwochabend vor Journalisten in Doha. Kerry drängt hingegen auf eine sofortige Feuerpause, um erst anschließend Verhandlungen zu führen.

„Wir sind für einen sofortigen Waffenstillstand“, meinte der Hamas-Politbürochef, aber „im Gegenzug muss die Blockade aufgehoben werden.“ Andernfalls könnte die Hamas „den Krieg noch eine Woche oder zwei oder sogar einen Monat fortsetzen“. Das Ende der Blockade „ist die Forderung jedes Palästinensers in Gaza“.

Das von der EU und den USA formulierte Ziel, den Gazastreifen langfristig zu einer entmilitarisierten Zone zu machen, kommentierte Meschal wenig begeistert: „Einige reden unter dem Tisch über eine Entwaffnung des Widerstands. Niemand wird den Widerstand entwaffnen. Das wird nicht passieren.“

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