Mehr Geld für die Bundeswehr: Bedingt kriegstüchtig

Verteidigungsminister Pistorius hat mit neuen Leitlinien vorgelegt. Kanzler Scholz sichert ihm nun dauerhaft mehr Mittel für die Bundeswehr zu.

Ein Soldat blickt durch ein Fernglas

Pistorius hat die Messlatte für die Reform der Bundeswehr hoch gehängt Foto: Hardt/Panama Pictures/imago

BERLIN taz | Vor wenigen Tagen sorgte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für Schlagzeilen und Aufruhr auch innerhalb seiner Partei. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, forderte der SPD-Mann. Ein Satz, der es in sich hat. Der Krieg in der Ukraine, nun der Krieg im Nahen Osten, Anforderungen an Deutschland aus der Nato: Dies sind alles Punkte, die Pistorius dazu bringen, den großen Wurf sowohl in der Bundeswehr als auch in seinem Ministerium zu wagen.

Der Schwerpunkt soll künftig viel stärker auf der Landes- und Bündnisverteidigung liegen, weniger auf Friedenseinsätzen. Dazu soll die Ausstattung der Bundeswehr besser werden. Das bedeutet, er will die Anzahl der Streitkräfte erhöhen und in Ausbildung sowie Material investieren.

Wie ernst Pistorius es mit seiner Ankündigung meint, zeigt sich in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien. Der Verteidigungsminister und sein Generalinspekteur Carsten Breuer betonen in dem Grundsatzdokument: „Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen.“

Auslöser für die Reform ist für Pistorius der russische Angriffskrieg – und damit auch eine veränderte Bedrohungslage. „Der Krieg ist mit Putins brutalem Angriff gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt“, erklärte der Minister anlässlich der Vorstellung.

Umbauen, umstrukturieren, reformieren

Dazu will Pistorius umbauen. Und zwar im großen Stil. Das Ministerium soll „schlanker“ werden – die Stellen dafür in die Bundeswehr wandern. Und er will die „strategische Steuerungsfähigkeit“ stärken. „Mit dieser neuen Organisation wollen wir zu besseren, mutigeren und schnelleren Entscheidungen beitragen“, betont Pistorius. Konkret heißt das, wie am Freitag bekannt wurde, dass drei Unterabteilungen des Ministeriums aufgelöst werden.

Mehr als 200 Dienstposten werden aus dem Ministerium in den nachgeordneten Bereich der Bundeswehr verlagert. Hinzu kommt: Mehr als 1.000 Dienstposten – und damit mehr als ein Drittel des Hauses – sollen intern umstrukturiert werden. Laut Verteidigungsministerium ist das die größte Strukturänderung im Ressort seit 2012.

Strukturen ändern ist das eine. Pistorius wird aber perspektivisch deutlich mehr Geld für sein Vorhaben benötigen. Auch dazu brachte er vor den finalen Haushaltsberatungen in der kommenden Woche seinen Satz der „Kriegstüchtigkeit“ ins Spiel. Auch sein Vorhaben, rund 4.000 Sol­da­t:in­nen dauerhaft in einer Brigade in Litauen zu stationieren, wird einiges kosten. Für den Aufbau der Infrastruktur vor Ort, zum Beispiel für Kasernen, hat die litauische Regierung bereits beim Nato-Gipfel in Vilnius finanzielle Unterstützung zugesagt. Um gut ausgebildete Streitkräfte für den Dienst in Litauen zu werben, soll es laut Spiegel zudem Prämien geben. Dies sind alles Ausgaben, die gedeckt werden wollen.

Kanzler unterstützt Pistorius

Kanzler Olaf Scholz ist voll des Lobes für die Pläne seines Ministers und SPD-Parteikollegen und sagte Pistorius am Freitag bei der Bundeswehrtagung deutlich höhere Verteidigungsausgaben im zweistelligen Milliardenbereich zu. Dauerhaft. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte Scholz ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr eingerichtet.

Für den Kanzler ist dies nur „ein erster Schritt“. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen nun dauerhaft für die Verteidigung bereitgestellt werden. Für dieses Ziel müssten absehbar mehr als 20 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr in den Etat des Ministeriums fließen. Erstmals wird Deutschland im kommenden Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichen.

Mehr Geld und neue Strukturen: Pistorius hat die Messlatte für die Reform der Bundeswehr hoch gehängt. Viel Zeit wird er für seine Maßnahmen nicht haben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Bündnisstaaten beim Ukraine-Krieg bereits auf eine „Langstrecke“ eingeschworen. Auch im Nahen Osten werden die Kapazitäten der Bundeswehr gefragt bleiben. Sei es für Evakuierungseinsätze, wie sie bisher aus Zypern geplant werden, oder für militärische Unterstützung und Ausrüstung der israelischen Armee.

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