Nazi-Assoziationen mit Deutschland: Romantik am Abgrund

Nach dem Nazi-Witz des Moderators bei der Oscar-Verleihung stellt sich die Frage, wie Deutschland international in ein anderes Licht kommen könnte.

Familie Höß mit Sandra Hüller als Hedwig Höß und Christian Friedel als Rudolf Heß sitzt am Esstisch in einer Szene des Films "The Zone of Interest".

Nazis am Esstisch: Szene aus dem Film „The Zone of Interest“ mit Sandra Hüller (links) als Hedwig Höß Foto: picture alliance/dpa/Leonine

„Letzte Nacht hab ich von Sandra Hüller geträumt“, sagt der Freund im Strickhoodie auf der Restaurantterrasse.

„Was war die Handlung?“, fragt der andere Freund.

„Wir sind da vorn, Ecke Susannenstraße, ineinandergelaufen, sie trug ein weißes T-Shirt und sah ganz bezaubernd aus! Ich hatte mir gerade einen frisch gepressten O-Saft geholt und hab sie damit komplett eingesaut.“

„Wo gibt’s hier frischen O-Saft to go?!“

„Und was ist dann passiert?“

„Ich hab Sandra gesagt, sie könne sich gleich ums Eck bei mir in der Wohnung frisch machen und da haben wir uns dann blitzartig ineinander verliebt.“

„Und dann?“, fragen nun alle gespannt.

„Wir haben verliebt miteinander abgehangen und sie kam auch gut klar mit euch, all die entspannte Normalität, die ihr mittlerweile fehlt und so, es passte einfach. Aber dann stellte sich heraus, dass sie heimlich mit Matthias Schweighöfer zusammen ist, mein Herz brach in tausend Teile und sie schickte mir das Originalgemälde ‚Propellerfrau‘ von ­Sigmar Polke zum Trost. Dann ergriff die AfD in Deutschland die Macht, strebte die Weltherrschaft an, Sandra floh in die USA und wurde ein noch größerer Star!“

„Und du?“

Liebeskummer wegen Sandra Hüller

„Ich hatte furchtbaren Liebeskummer.“

„Und was wurde aus Deutschland?“

„Keine Ahnung, ich wachte vorher mit einem Schreck auf.“

„Dein Traum hat voll geklaut bei ‚Notting Hill‘“, sagt die Freundin und tropft sich Tabasco aufs Brot.

„Das liegt an Jimmy Kimmel!“

„Hä?“

„Er scherzte bei der Oscar-Verleihung, in Deutschland seien Filme wie Hüllers mörderisches Nazifilmdrama quasi romantische Komödien.“

„Einige waren davon sehr gekränkt.“

„Na, aber so einen wie Hugh Grant gibt es bei uns ja nun echt nicht.“

„Es geht dabei ja nicht um Schauspieler, sondern um die Geschichten.“

„Dass es hier nur in bitter ernst herausragend geht.“

„Bierernst.“

„Romantik geht nur am Abgrund klar.“

„Stimmt das denn?“

„Mit Deutschland werden auf sicher oft Nazis, das Böse und Krampfige assoziiert.“

„Meinetwegen.“

„Und die Nazis haben ja nun mal zuletzt die allergrößte Aufmerksamkeit bekommen.“

„Genau, da müsste Deutschland sich ganz schön was einfallen lassen, um das mal partiell zu überblenden.“

„Das Klima retten vielleicht?“

„Wäre ein Anfang.“

„Frieden im Nahen Osten vermitteln?“

„Würd’ sagen: Die Kombi würde den ersten Eindruck in der Tendenz schon mal verbessern.“

„Aber ich glaub’, dann wären die meisten Drehbücher für romantische Komödien hier noch immer nicht besser.“

Romantische Komödie über Alice Weidel

„Ich würde gern die Liebesgeschichte von Alice Weidel und ihrer aus Sri Lanka stammenden Frau als romantische Komödie sehen.“

„Dann aber eher so als Bollywood-Version.“

„Und auf jeden Fall ohne AfD!“

„Dafür mit viel Musik und Tanz.“

„Alle Anforderungen nach Diversität der Streaming-Dienste wären erfüllt.“

„Warum ist es in echt anders als bei der Filmförderung?“

„Weil Matthias Schweighöfer nicht Alec Baldwin ist.“

„Und Helene Fischer ist eben nicht Taylor Swift.“

„Aber politisch ticken immerhin gleich zwei Überblondinen gleich.“

„Dann ist ja nicht alles verloren.“

„Solange die Massen ihnen zujubeln.“

„Und manche Träume noch schäumen.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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