Netflix-Serie „Glamorous“: Queere Lebensfreude

Marco möchte in einem Make-up-Imperium durchstarten. Die Netflix-Serie „Glamorous“ überzeugt als leichtherzige Sommerunterhaltung.

Marco vor dem Spiegel

Marcos Leben nimmt rasch eine märchenhafte Wendung Foto: Amanda Matlovich/ Netflix

Um es vorwegzunehmen: Intellektueller Anspruch gehört definitiv nicht zu den Dingen, die „Glamorous“ auszeichnen. Dessen scheint sich die zehnteilige Comedy-Serie aber immerhin bewusst zu sein. Jedenfalls versucht sie erst gar nicht, etwas anderes zu sein, als sie ist: eine gutgelaunte Coming-of-Age-Story, die mit umwerfendem Enthusiasmus queere Identitäten zelebriert.

Creator Jordon Nardino („Desperate Housewives“) erzählt mit einem charmanten Augenzwinkern vom schillernden Marco (gespielt von Youtube-Sternchen „Miss Benny“), der anfangs noch im Kinderzimmer bei seiner Mutter (Diana-Maria Riva) in New Jersey wohnt und dort mit großer Leidenschaft – aber nur wenig Erfolg – an einer Karriere als Influencer arbeitet.

Sein Leben nimmt allerdings rasch eine märchenhafte Wendung, als er bei seinem Nebenjob in der Kosmetikabteilung eines Einkaufszentrums unverhofft auf Madolyn Addison (gespielt von „Sex and the City“-Star Kim Cattrall) trifft. Das ehemalige Supermodel ist heute Chefin eines prestigeträchtigen, aber angestaubten Make-up-Imperiums und erkennt umgehend das Potenzial des planlosen, aber selbstbewusst auftretenden Marco.

Eigentlich ernennt sie ihn „nur“ zu ihrem persönlichen Assistenten. Tatsächlich schwingt sich der stets perfekt geschminkte Mittzwanziger jedoch zum Ideengeber für neue Impulse auf, die das Unternehmen gegenüber hipperen Marken wieder zu Konkurrenzfähigkeit verhelfen sollen. Aber selbst in „Glamorous“ ist nicht alles Glitzer, was glänzt. Mit Chad (Zane Phillips), der sich als Vertriebsleiter endlich die Anerkennung seiner Mutter Madolyn erkämpfen will, wird ihm allerdings ein verbissener Antagonist gegenübergestellt.

Das wahre Ich

Als hypermaskuliner Muskel-Bro, der von Marcos femininem Auftreten in High Heels und Kleidchen irritiert ist, repräsentiert er das andere Ende auf dem breiten Spektrum dessen, was Schwulsein bedeuten kann.

Die Vielfalt innerhalb der LGBTQ-Community mit treffsicherem Witz abzubilden, ist die größte Stärke dieser Serie. Eine, die man mit Gastauftritten von Dragqueens wie „Monét X Change“ und „Lip-Sync-Battles“ getrost zu den „gayesten“ Net­flix-­Pro­duk­tio­nen überhaupt zählen kann. Allzu sehr an den realen Verhältnissen zeigt sich „Glamorous“ aber nicht interessiert, wenn es um die Dichte an nicht-heterosexuellen Mit­ar­bei­te­r*in­nen innerhalb der Belegschaft des Beautykonzerns geht. Mit Venetia (Jade Payton), Marcos zielstrebiger Vorgesetzten, die bald eine Beziehung mit einer Kollegin (Ayesha Harris) aus der Grafikabteilung eingeht, und dem schüchternen Ben (Michael Hsu Rosen), der wiederum ein Auge auf den flambo­yanten Serien-Helden wirft, liegt der Fokus des Plots beinahe ausschließlich auf queeren Figuren.

Zwar wird auch Madolyn eine Romanze zugestanden. Neben den mit mehr Temperament erzählten jüngeren Lovestorys wirkt sie allerdings recht dröge. Ohnehin fragt man sich immer wieder, wieso Kim Cattrall einer Rolle zusagte, die ihr nur wenig Raum zugesteht und sie beinahe knöchern wirken lässt, vor allem im Kontext des allgegenwärtigen Gen-Z-Klamauks.

Das wahre Ich

Der kommt etwa in Marcos Lifestyle-Videos zum Tragen, die meist in die Folge einführen oder das Geschehen zusammenfassen und oberflächliche, aber wohlgemeinte Empowerment-Phrasen enthalten. Weniger mit Tiefgang als mit Präzision glänzt „Glamorous“ auch dann, wenn es um die Darstellung dieser „Tiktok“-Spielart unseres Zeitgeistes geht.

So fließen, mit einer gewissen ironischen Distanz, etwa der Hang der jungen Generation zur Astrologie mit ein – aber auch ihre gesteigerte kritische Aufmerksamkeit. Beispielsweise in einem Handlungsstrang, der sich um eine neuen „Pride“-Kampagne der Make-up-Marke dreht. Dabei wird offen das Marketing-Kalkül großer Konzerne angeprangert, sich aus Imagegründen lautstark gegen Homophobie auszusprechen, ohne es mit Diversität und Inklusion tatsächlich ernst zu meinen.

Authentizität ist sowieso das, worum es „Glamorous“ vor allem geht. Nicht nur im Arbeitsumfeld, sondern auch Dating-Kontext lernt Marco, gegen Widerstände und Manipulation für sein wahres Ich einzustehen. Zumindest wer eine gewisse Toleranz für seichte Serien mitbringt, findet hier sommergerechte Unterhaltung voller wohltuender Leichtherzigkeit.

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