Serie „It’s A Sin“: Immer mit Lust

Die Serie „It’s A Sin“ auf ZDFneo erzählt die schwulen 80er-Jahre in London. Glänzend, glamourös, sexy – und vor allem stets nah an der Wahrheit.

Zwei junge Männer umarmen sich

Ritchie (Olly Alexander) muss seine Gefühle nicht mehr ver­stecken Foto: Ben Blackall/ZDF

Der Nachteil dieser gar nicht hoch genug zu preisenden Serie erschließt sich erst, wenn man das eigene Lebensalter ins Verhältnis zur Zufriedenheit mit diesem fünfteiligen TV-Epos setzt: Wer aber von den Jüngeren kann die politische wie auch ästhetische Kraft von „It’s A Sin“ ermessen, abgesehen vom Zuspruch für überaus gelungene Schauspielleistungen und der Macht der Coming-of-Age-and-Death-Geschichte?

Es geht in diesen Folgen um die frühen bis späten achtziger Jahre in London. Es war die Zeit, in der gewöhnlichste Homophobie auf die schleichend ansteckende Epidemie namens Aids traf. Jede der Folgen springt zwei Jahre weiter als die vorherige, die Geschichte endet, als immer noch kein pharmakologisches Mittel gegen die Immunschwächekrankheit gefunden worden war – erst seit Mitte der Neunziger gibt es Medi-Cocktails, die immerhin kein fast zwangsläufiges Sterben an dieser Infektion bedeuten.

Geschildert werden Leben und Schicksal von sechs bis sieben Freunden und einer Freundin, die durch Zufälligkeiten im Dancin’ London der Achtziger in einer WG zueinanderfinden. Alle ringen um das, was man Erwachsensein nennt, sie wollen Liebe, sie wollen mitmachen – und sie wollen Sex.

Nicht als schwules Verhängnis denunziert

Die schwule WG (plus Hetera) kracht vor Lebenslust beinah aus allen Nähten. Der Vorzug von „It’s a Sin“ (ganz im Sinne der offen schwulen Pet Shop Boys, die diesen Titel auf ihre Weise zur Debatte um Sagbarkeit von Schwulem beisteuerten) ist vor allem, dass diese Leben – mit und ohne Aids – nicht als schwules Verhängnis denunziert werden. Von wegen: So musste es ja kommen – und dann kämpften sie.

Nein, diese Geschichte gönnt sich dramaturgisch die Ruhe, Aids als Geißel jener Zeit nicht unentwegt immer dräuender in die Alltagshandlungen zu flechten – das Virus frisst sich wie ein leiser, langsam lauter werdender Fakt in die Leben seiner Protagonisten.

Die wehren die Gefahr ab, die der kondomlose Sex birgt: Ist das nicht schon wieder eine schwulenfeindliche Masche, unsere Körperlichkeit zu dämonieren? Um zu lernen, dass die öffentliche Rezeption immer stärker die Folgen einer Ansteckung mit dem HI-Virus als „Schwulenkrebs“ denunziert, dies aber nicht heißt, dass von dieser Erkrankung nicht vor allem homosexuelle Männer heimgesucht sind – ihren sexuellen Praxen gemäß.

Explizit, aber nie pornografisch

Anders als deutsche Serien gewöhnlich – man mag sich gar nicht vorstellen, was eine hiesige Geschichte aus dieser Zeit an übelstem Kitsch serviert hätte –, wird in dieser britischen Produktion nah an der Wahrheit erzählt. Und, nicht nur nebenbei, es wird Sex gezeigt, so wie es war: beiläufig, fokussiert zugleich, dauernd und wie nie-enden-wollend. Das sieht explizit aus, aber nie pornografisch.

Dramaturgisch fällt auch angenehm auf, dass alle Handlungen keineswegs in geföhnten und polierten Mittelschichtsinterieurs stattfinden, sondern in Räumen, die anzeigen, wie karg sie in ihrer WG lebten. Keine üble Praxis, die aidsinfizierten Schwulen angetan wurde – die Isolation in abgesperrten Räumen, illegale Bluttests –, wurde zu schildern ausgespart, vor allem springt ins Auge, wie stark es diese Serie vermag, die brutale (vor allem familiär glutende) Homophobie jener Zeit zu schildern: Nichts war so igitt ohnehin wie schwul, mit Aids wurde es dann gar aussätzig.

Britische Gesetzgebung unter Premierministerin Margaret Thatcher untersagte beispielsweise pädagogischen Einrichtungen die Darstellung von nichtheterosexuellen Lebensstilen – und zugleich war der Pop jener Jahren so was von schwulschwul, Boy George, Freddie Mercury, Elton John, Jimmy Somerville selbst noch nicht so ganz out, aber immerhin schon bekennend bi (die öffentliche Zwischenlösung), sympathisierend begleitet durch Prinzessin „Lady Di“ Diana – moralische Verhältnisse, die verkleisterten, wie sehr die Helden und Heldinnen dieser Geschichte auf Fluchten vor der Familie angewiesen waren – sonst wären sie nicht an Aids, sondern an Familyphobie verreckt.

Wie gesagt: Das Lob kann nur eines aus der selbst erlebten Lebensperspektive sein, der Autor ist Jahrgang 1957 und kennt diese Zeit, der auch ein Aufbruch sexueller, homosexueller Emanzipation werden sollte, aus dem Effeff. Die Angst, der Horror, die Mutmaßung, dass Aids begriffen wird als Strafe Gottes gegen die Sündigkeit der sexuellen Abweichung. Wie treffend, dass der an den Folgen von Aids sterbende Ritchie Tozer (bezaubernd, stark gespielt von Olly Alexander) am Ende sagt: Dass die Zeit, Aids hin oder her, auch einfach Spaß gemacht. Spaß!, Fun!, Lebenslust!: So fühlt sich diese Serie an.

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