Neues Immigrationsgesetz in Frankreich: Macron beugt sich Diktat von rechts

Mit rechten und konservativen Stimmen verabschiedet Paris eine Revision des Gesetzes zur Immigration. Protest kommt von links und aus der Mitte.

Ein Mann schaut kritisch

Vom eigenen Reformwillen überrollt: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Foto: Johanna Geron/reuters

PARIS taz | Eigentlich wäre es an je sieben Mitgliedern des französischen Senats und der Nationalversammlung gewesen, hinter verschlossenen Türen und ohne Intervention von außen einen Kompromiss zum Immigrationsgesetz zu finden. So zumindest ist Aufgabe der gemischten paritätischen Kommission in Frankreich definiert, die normalerweise einen Ausweg finden soll, wenn sich die beiden Parlamentskammern in der Gesetzgebung nicht auf eine gemeinsame Vorlage einigen können.

In diesem Fall aber wurden die Diskussionen vor den Augen und Ohren der Medien direkt und im Auftrag von Staatspräsident Emmanuel Macron von der Premierministerin, Elisabeth Borne, mit den Parteispitzen geführt. Die parlamentarische Kommission konnte am Ende den Text, auf den sich Macrons Regierungsparteien und die Konservativen (Les Républicains) geeinigt hatten, bloß absegnen. Danach wurde das revidierte Immigrationsgesetz noch am selben Abend dem Senat und der Nationalversammlung zur Zustimmung unterbreitet.

Was dabei herausgekommen ist, entspricht nur noch sehr wenig der ursprünglichen Regierungsvorlage, sie tönt sehr viel mehr nach der restriktiven Version, die von der französischen Rechten im Senat verabschiedet worden war. So soll das Parlament jährliche Quoten für die Einwanderung festlegen. Doppelbürger*innen, die sich Verbrechen oder Gewaltakten gegen die Polizei strafbar machen, sollen ihre französische Staatsbürgerschaft verlieren und so abschiebbar werden. Der illegale Aufenthalt in Frankreich wird – wie dies früher der Fall gewesen war – ein Delikt, das mit Geldbußen bestraft wird. Zudem soll die Abschiebung von Illegalen und für unerwünscht Erklärten (zum Beispiels nach der Ablehnung eines Asylgesuchs) erleichtert und beschleunigt werden.

Schlimmer noch: Wer in Frankreich geboren wurde und dort aufwuchs, wurde bisher mit 18 automatisch französischer Staatsbürger, nun muss dies ausdrücklich verlangt werden. Ausländische Studierende (von außerhalb der EU) müssen vor ihrer Immatrikulation eine Kaution hinterlegen.

„Kompromiss“ im Sinne der extremen Rechten

Als „humane“ Komponente der sonst härteren Regeln war ursprünglich geplant, dass illegal Eingereiste, die in bestimmten Wirtschaftssektoren mit extremem Personalmangel tätig sind, mit einem neuen Statut und einer Sondergenehmigung legalisiert werden könnten. Doch die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigung bleibt von Fall zu Fall dem Gutdünken der Präfekten (Regierungsvertreter in den Departements) überlassen.

Familienzulagen gibt es für ausländische Eltern, die legal in Frankreich leben und arbeiten, in Zukunft erst nach einer Karenzfrist von 30 Monaten. Für die Mietbeihilfen APL gilt neu eine Wartezeit von drei Monaten für die Erwerbstätigen, aber fünf Jahre für die Nichtberufstätigen.

Dieser „Kompromiss“ tönt penetrant nach der von der extremen Rechten seit Jahren geforderten „nationalen Präferenz“ bei allen Sozialzulagen. Marine Le Pen vom Rassemblement national (RN), das bei der Abstimmung am Dienstagabend in beiden Kammern mit Ja gestimmt hat, hatte das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Regierung und der konservativen Rechten im Voraus als einen „ideologischen Sieg des RN“ gefeiert. Ihre Parteikollegen wiederholten dies den ganzen Tag über in den Medien, bis manchen Macronisten dieser Jubel über eine von der extremen Rechten inspirierte Einigung dann doch etwas peinlich wurde.

Linke Opposition in Frankreich spricht von „Schande“

Laut der Zeitung Le Monde hatten sich bei der Abstimmung 59 Abgeordnete der Regierungsparteien der Stimme enthalten oder dagegen votiert. Der Gesundheitsminister kündigte seinen Rücktritt an, andere Regierungsmitglieder könnten seinem Beispiel folgen.

Grünen-Abgeordneter Benjamin Lucas

„Ganze Teile des RN-Programms kopiert“

Dennoch stimmten am Dienstagabend dann der Senat und auch die Nationalversammlung dank der Stimmen aus dem Lager der Konservativen und des Rassemblement National dem Gesetz zu. Doch das Missbehagen in den Reihen der Macronisten ist groß und nachhaltig. Ihr Präsident wollte unbedingt, dass „noch vor Weihnacht“ die Immigrationsgesetze durchgepaukt würden. Um seinen Wunsch zu erfüllen, haben sie sich dem Diktat der Konservativen gebeugt. Die haben nicht nur den politischen Preis für eine Einigung bis zuletzt hochgetrieben, sondern – wie in der Nationalversammlung der Grünen-Abgeordnete Benjamin Lucas protestierte – ungeniert „ganze Teile des RN-Programms kopiert“. Die linke Opposition spricht von einer „Schande“.

Rund 50 Vereinigungen, darunter die französische Menschenrechtsliga und die beiden größten Gewerkschaftsverbände CGT und CFDT, haben in einem gemeinsamen Communiqué gegen die „schlimmste Regression seit 40 Jahren“ protestiert.

Innenminister Gérald Darmanin, dessen ursprüngliche Vorlage vor einer Woche an einem Rückweisungsantrag der Oppositionsparteien in der Nationalversammlung gescheitert war, freute sich hingegen über Gesetzesmaßnahmen, welche „die Franzosen schützen“ würden.

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