Offener Brief an Stromfirma: Sehr geehrte Firma Lichtblick

Ich als Ökostromkunden zahle ja sowieso ein wenig mehr. Aber eine Preiserhöhung um sieben Prozent? Das ist das Ende der Romantik in unserer Beziehung.

Mein Traum vom Ökostrom: Ein romantisches Windrad, in der ein bärtiger Mann mit Latzhosen den Strom einspeist. Bild: dpa

Sehr geehrte Firma Lichtblick,

bis gestern war ich stolzer Kunde Ihres Unternehmens. Jetzt bin ich nur noch Kunde. Denn wie ich erfahren musste, werden Sie Ihre Preise zum ersten Januar um sieben Prozent erhöhen. Damit haben Sie mir meine Träume geraubt, was ich Ihnen leider nicht verzeihen kann.

Es ist nämlich so: es war gar nicht so leicht für mich, auf Ökostrom zu wechseln. Lange habe ich mich sogar geweigert. Es gibt da einen Bekannten, der mir seit geraumer Zeit wegen meiner Ökobilanz in den Ohren liegt. Aber seine Reden hatten auf mich nicht den gewünschten Effekt, ganz im Gegenteil: sie waren abschreckend. Immer, wenn er wieder eines seiner flammenden Plädoyers gegen schnelle Autos mit hohem CO2-Ausstoss hielt, habe ich mir im Stillen gedacht: ich will sofort mit einem Porsche Cayenne auf die Autobahn und Vollgas geben. Jetzt erst recht. Immer, wenn er die Atomlobby und stromfressende Haushaltsgeräte anprangerte, habe ich mir gedacht: ich kauf mir jetzt extra einen riesigen Wäschetrockner und lasse ihn exklusiv von Vattenfall mit Strom versorgen. Fragen Sie mich nicht, warum. Ich habe nichts gegen die Umwelt oder unseren Planeten im Allgemeinen. Es ist wahrscheinlich nur mein Widerstandsgeist: wenn mir einer mit Moral kommt, dann schalte ich auf stur.

Eine dumme Haltung, ich weiß. Trotz ist als Lebenshaltung nur bei sehr jungen Menschen tragbar. Schließlich habe ich mich besonnen. Ich habe eingesehen: Wir müssen alle zusammen mithelfen, den Planeten zu retten. Und der Wechsel zu Ihrer Firma schien mir ein Schritt in diese Richtung zu sein - nicht nur beziehe ich bei Ihnen sauberen Ökostrom, sondern schütze auch noch den Regenwald mit einer Spende.

Nun musste ich nur noch mein privates Umfeld vom Wechsel überzeugen, will sagen: die Person, mit der ich zusammen lebe. Leider verdienen wir beide nicht besonders viel Geld, und daher tauchte die berechtigte Frage auf, ob wir uns den Wechsel auf Ökostrom überhaupt leisten können. Wir haben mehrmals darüber gesprochen. Schließlich konnte ich sie überzeugen. Wir wechselten endlich. Und es war gut. Stolz berichtete ich dem aufklärererischen Bekannten von unserem Schritt. Der sagte aber nur, Lichtblick sei gar nicht mehr state of the art, man müsse stattdessen jetzt zu den Elektrizitätswerken Schönau wechseln, die seien noch viel korrekter. Aber das war mir egal.

Als vor kurzem die großen Stromkonzerne ankündigten, ihre Preise zu erhöhen, habe ich mich sogar gefreut: Ha, das betrifft mich nicht, habe ich mir gedacht. Und jedem, der es hören wollte, gesagt: wir sind sicher vor Preiserhöhungen. Wir zahlen sowieso schon etwas mehr (der Umwelt zuliebe), und Wasser Sonne und Wind werden nicht teurer, davon gibt es genug für alle und für immer. Auch Freunde, die bisher nicht im Traum daran gedacht hätten, auf Ökostrom umzusteigen, Freunde, die mich wegen meines "Ökowahns" für verrückt erklärt haben, sind darüber ins Grübeln gekommen.

Und jetzt das: "Gestiegene Kosten der Beschaffung und Netznutzung bedingen Strompreiserhöhung zum 1. Januar 2008", schreiben Sie auf Ihrer Homepage. Und reden da von "Großhandelspreisen". Wie jetzt? Mein romantisches Bild von der Lichtblick-Strom-Erzeugung ist komplett zerstört. Kein bärtiger Mann in Latzhosen wartet sein romantisches Windrad und speist den Strom eigenhändig ins Netz, sondern ein anonymer Strommanager sitzt irgendwo im Büro und ordert zu Großhandelspreisen anonymen Strom. Aber immer noch Ökostrom, hoffe ich.

Ich weiß schon, was Sie sich jetzt denken: Zuerst war ich saublöd (bezog Atomstrom aus Trotz), dann naiv (glaubte an bärtige Latzhosenträger) - jetzt sollte ich langsam mal erwachsen werden: Ökostrom ist ein Geschäft. Ökoessen ist ein Geschäft. Ökoautos sind ein Geschäft. Kurz: Öko ist ein Geschäft. Und das ist auch gut so. Denn wenn es sich nicht lohnt, wird es sich niemals durchsetzen. Und vielleicht stimmt das ja auch.

Aber, verdammt nochmal, hätten Sie mir diese Lektion nicht schonender beibringen können? Will sagen: billiger?

Eines verspreche ich Ihnen jedenfalls: jetzt, da jegliche Romantik in unserer Beziehung zerstört ist, werde ich genau prüfen, ob ich nicht einen günstigeren Ökostromanbieter finden kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Kunde

PS: Mist: Schönau erhöht ebenfalls um sieben Prozent. Und Naturstrom um drei.

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