Olaf Scholz in Westafrika: Alibi-Werbereise

Der Kanzler wirbt für Deutschland um „Talente“. Eigentlich geht es ihm aber um die Rücknahme von Nigerianer*innen, die schon in Deutschland sind.

Männer auf Holzbooten

Die Lagune der Wirtschaftsmetropole Lagos in Nigeria, dem wirtschaftsstärksten Land Afrikas Foto: Michael Kappeler/dpa

COTONOU taz | Vor dem Abflug war es nur einen Halbsatz wert. Doch vor Ort in Nigerias Hauptstadt Abu­ja sowie in der Wirtschaftsmetropole Lagos wurde Migration zu einem zentralen Thema der dritten Afrikareise von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Gleich zu Beginn seiner dreitägigen Reise nach Nigeria und Ghana sagte Scholz, es gehe um die „Öffnung von Möglichkeiten für Talente aus Nigeria, in Deutschland auf Basis legaler Migration berufstätig zu sein“. Gleichzeitig müsse irreguläre Migration zurückgedrängt werden. „Das geht nur in enger Kooperation miteinander, zum Beispiel auch durch Migrationsabkommen.“

In Deutschland leben nach amtlichen Angaben knapp 14.000 ausreisepflichtige Asyl­be­wer­be­r:in­nen aus Nigeria, von denen etwa 12.500 geduldet sind, weil sie keine Ausweispapiere haben. Ihre Rückführung gilt deswegen als schwierig. Dieser hat Präsident Bola Tinubu immerhin generell zugestimmt, solange es sich denn tatsächlich um Ni­ge­ria­ne­r:in­nen handelt.

Sein Vorhänger Muhammadu Buhari hatte im Jahr 2018 bei einem Treffen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema komplett ignoriert. Unterzeichnet wurde aber auch von Tinubu nichts.

„Als sei er der Präsident“

Rex Osa, der 2005 aus Nigeria nach Deutschland flüchtete, äußert sich gegenüber der taz am Telefon enttäuscht. „Ich hatte gehofft, dass Präsident Tinubu deutlich seine Meinung vertritt. Doch Scholz hat sich so aufgeführt, als sei er der Präsident.“

Osa ärgert sich über „Doppelmoral“. Er meint: „Auf der einen Seite will die Bundesregierung um nigerianische Fachkräfte werben. Auf der anderen Seite will sie Menschen, die längst in Deutschland sind, hier arbeiten und Steuern zahlen, abschieben. Andere erhalten immer nur für kurze Zeit eine Duldung und hängen ständig in der Luft. Das ist absurd.“ Laut Osa würden zahlreiche Abgeschobene keine Hilfe bekommen, wenn sie in Nigeria landen. „Sie sind gestrandet und wissen nicht, wohin sie gehen sollen.“

In der südnigerianischen Stadt Benin City arbeitet Doris Ogbeifun seit Jahren zu Menschenhandel und Migration. „Selbstverständlich ist Deutschland ein souveräner Staat, der seine Entscheidungen trifft. Migration ist aber auch ein Menschenrecht“, findet sie.

Auf Scholz’ Besuchsprogramm stand auch der Besuch eines „Migrationszentrums“ in Lagos, wo potenziellen Mi­gran­t:in­nen sowie Rück­keh­re­r:in­nen Fragen beantwortet werden sollen. „Es mag ein gut gemeinter Ansatz sein, aber die Realität in Nigeria ist düster“, sagt dazu Stanley Achonu, Direktor der nichtstaatlichen Organisation One Nigeria. Junge Menschen suchten bessere Chancen sowie Sicherheit. „Es braucht ganzheitliche Lösungen, damit sie sich wieder eine Zukunft in Nigeria vorstellen können.“

Eigentlich sollte es um Wirtschaftsthemen gehen

Dazu gehören für Aktivistin Adenike Oladosu auch ökologische Maßnahmen. Scholz sagte vor der Reise, Deutschland habe einen erheblichen Bedarf an Flüssiggas und perspektivisch auch an Wasserstoff. „Mit Gas gelingt es uns nicht, eine grünere Welt zu schaffen“, kritisiert Adenike Oladosu. Nigeria brauche einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. „Nigeria hat viel Potenzial, und das schafft Millionen von Jobs.“

Laut Programm hätte die Reise im Zeichen von Wirtschaftsthemen stehen sollen. Vor allem Ghana gilt als interessant für deutsche Unternehmen. Doch auch in Ghana herrscht längst Zurückhaltung. Die Wirtschaft kriselt, die Instabilität der angrenzenden Sahelstaaten droht sich auszubreiten. Bei den Gesprächen zwischen Präsident Nana Akufo-Addo und Olaf Scholz in Accra ging es denn auch um militärische Zusammenarbeit.

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