Paulita Pappel über Pornografie: „Einvernehmen ist wie ein Muskel“

Paulita Pappel ist feministische Porno-Produzentin und Buchautorin. Wie sieht ihre Version von einer sexpositiven Welt aus?

Portrait der Pornofilmproduzentin Paulita Pappel in einem Treppenhaus

Paulita Pappel im Treppenhaus des Kreuzberger Gewerbebaus, wo ihr Büro liegt Foto: Miriam Klingl

Ein Kreuzberger Hinterhof, ein alter Gewerbebau aus Backstein. Paulita Pappel führt schnellen Schrittes durch ein helles Treppenhaus und einen dunklen Gang, sie wirkt, als wäre ihr Kopf gerade noch voller Dinge. Dann bittet sie in einen kleinen, nüchtern eingerichteten Konferenzraum, schließt die Tür, setzt sich hin und ist voll da, drei ­Stunden lang.

wochentaz: Paulita, wir haben uns vor etwa fünf Jahren für ein Interview gesehen. Damals bekam die alternative Pornoszene öffentlich Aufwind. Was hat sich seither getan?

Paulita Pappel: Sehr viel, würde ich sagen. Pornos werden immer salonfähiger, es wird auch mehr drüber geschrieben. Und die Fragen haben sich verändert. Früher wurde ich oft gefragt: Warum ist das, was du machst – also feministische Pornografie – besser? Mittlerweile habe ich das Gefühl, die Gespräche sind differenzierter.

Was ist an der Frage problematisch?

Sie geht von der Prämisse aus, dass alles andere, also das, was oft als Mainstream-Pornografie bezeichnet wird, schlecht, falsch oder schlimm wäre. Aber dieser Gegensatz stärkt nur einen Diskurs, der eine ganze Industrie – mit Ausnahme der Nische, die sich eben als alternativ oder feministisch labelt – in der Schmuddelecke gefangen hält.

Die Person

Paulita Pappel, 35, ist in Madrid aufgewachsen und hat in Berlin studiert.

Die Pornoproduzentin

Seit ihren frühen Zwanzigern arbeitet sie in der Pornobranche. Seit 2013 ist sie Teil des Kuratoriums des Berliner PornFilmFestivals. 2016 gründete sie die Online-Platt-form Lustery, 4 Jahre später die Plattform Hardwerk. Ihr Buch „Pornopositiv“ erscheint am 31. August im Verlag ullstein extra.

Mit Schmuddelecke meinst du den Vorwurf, dass Frauen in der Porno-Industrie schlecht behandelt oder gar missbraucht und sexistische Stereotype reproduziert werden?

Ja, die Debatte um den Dokumentarfilm „Hot Girls Wanted“ von 2015 ist dafür ein gutes Beispiel. Darin werden ein paar junge Amateur-Pornodarstellerinnen begleitet. Allerdings zeigt die Doku nur einen winzigen Teil der Porno-Industrie, der aber als stellvertretend für die gesamte Branche dargestellt wird – mit der pauschalen Message: „So schlimm ist die Pornoindustrie.“ Das war tendenziös und unfair. Daraufhin gab es viel Protest und so wurde 2017 eine differenziertere Neuauflage für Netflix gedreht.

Was wurde bemängelt?

Ver­tre­te­r:in­nen der Branche, aber auch Jour­na­lis­t:in­nen haben darauf hingewiesen, dass Ausbeutung und Machtmissbrauch überall stattfinden, auch in der Porno-Industrie – aber nicht mehr als in anderen Branchen auch. Es ist falsch, eine ganze Industrie darauf zu reduzieren und mit zweierlei Maß zu messen. Der Fehler liegt hier im System, nicht in der Branche.

Du hast 2016 „Lustery“, eine Online-Plattform für Amateur-Pornografie, und 2020 die Plattform „Hardwerk“ für Hardcore-Porn, also GangBangs, zu deutsch Gruppensex, gegründet. Beide Unternehmen werden in der Branche und den Medien als feministisch bezeichnet. Auf den Webseiten findet sich der Begriff aber allenfalls versteckt. Warum?

Feministische Pornografie ist in erster Linie eine Selbstdefinition. Was das dann im Einzelnen konkret bedeutet, ist sehr unterschiedlich. Auf den Seiten vermitteln wir durch das Produkt, was wir machen und nach welchen Grundsätzen. Für mich ist feministische Pornografie, Sexualität zu zelebrieren und dabei kritisch mit gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen und Machtverhältnissen umzugehen. Was die Arbeitsbedingungen angeht, sind es dieselben drei Säulen, die für die gesamte Filmindustrie gelten sollten: Kommunikation, Transparenz und Einvernehmen.

Stichwort Einvernehmen am Set: Du hast auch eine Ausbildung zur Intimitätskoordinatorin für „normale“ Filmdrehs gemacht. Was macht man da genau?

In der Porno-Filmbranche gibt es diesen Job schon lange, unter dem ­Namen „Performers Care“. In der konventionellen Filmbranche betreue ich die Arbeit mit intimen Filmszenen künstlerisch und technisch und vermittle dabei zwischen den Interessen der Schau­spie­le­r:in­nen und denen der Regisseur:innen. Ich passe zum Beispiel auf, dass Schau­spie­le­r:in­nen nicht dazu getrieben werden, über ihre Grenzen zu gehen. Dafür machen wir auch Einvernehmlichkeitsübungen. Beim „normalen“ Film ist ja alles simuliert, außer Küssen. Für eine Sexszene wird eine genaue Choreografie ausgearbeitet. Dann werden intime Körperteile abgeklebt. Es gibt Szenen, die im Film total leidenschaftlich aussehen, bei denen sich aber die Körper während des Drehs kaum berührt haben. Allerdings ist dieser Job oft schwierig und das liegt auch am allgemeinen Umgang dort.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wie ist der?

Das glaubt immer keiner, aber die Filmbranche erlebe ich als viel sexistischer als die Porno-Industrie. Meine ersten Jobs als Intimitätskoordinatorin habe ich unter meinem Porno-Pseudonym Paulita Pappel gemacht und da wurde ich im Team absolut nicht ernst genommen, teilweise sogar richtig gemobbt. Seitdem ich für diesen Job meinen bürgerlichen Namen verwende, ist es besser geworden.

Warum ist das so?

Gerade weil Sexualität in der Pornobranche im Zentrum von allem steht, wird sehr bewusst kommuniziert und auch über die Kommunikation selbst gesprochen. In der Filmbranche sind es die meisten Menschen nicht gewohnt, über Sexualität in einem pro­fessionellen Kontext zu sprechen. Außerdem sind die Machtgefälle größer. ­Sexuelle Übergriffe sind Alltag und kaum jemand wagt es, darüber zu sprechen.

Diese Einvernehmlichkeitsübungen, wie laufen die ab?

Da gibt es ganz viele verschiedene. Wir können eine machen, wenn du magst?

Wie, jetzt sofort?

Ja, wir machen eine ganz reduzierte Version: Ich frage dich gleich, ob ich dich an einer bestimmten Stelle berühren darf und du sagst Nein. Du sagst mir nicht, warum, du entschuldigst es nicht, du sagst einfach nur Nein. Bist du bereit?

Okay.

Nora, darf ich dir über den Rücken streicheln?

Nein.

Okay, danke! Das wäre der Anfang und dann würden wir die Übung ein paar Mal wiederholen mit verschiedenen Ausgangsszenarien. Zum Beispiel könntest du sagen: „Okay, am Rücken, aber wie?“ Und ich würde sagen: „Nur mit zwei Fingern, ganz leicht, drei Sekunden lang.“ So würden wir dann deine Grenzen genau verhandeln.

Darüber, was Einvernehmlichkeit genau bedeutet und wie man sie herstellt, wird ja auch immer wieder gestritten …

Ja, da gibt es ein großes Missverständnis und Leute, die sagen: „Jetzt darf man sich wohl nicht mal mehr anfassen.“ Da wird man dann in die prüde Ecke gestellt. Dabei geht es ja nicht darum, sich nicht mehr zu berühren, sondern um die Kommunikation drumherum. Und die kann natürlich auch nonverbal über Körpersprache, Mimik, Gestik ablaufen. Da gibt es zum Beispiel Leute – oft sind es Männer –, die von sich denken, sie seien super aufgeklärt, und einen mit „Darf ich dich küssen?“ überfallen, wobei sie schon nur noch einen Zentimeter von deinem Gesicht entfernt sind. Das ist so fucking unsexy. Einvernehmen ist wie ein Muskel. Den muss man trainieren. Am besten von klein auf.

Wie steht es um die Jugendlichen und ihre Aufklärung? Welche Rolle spielen Pornos darin?

Explizit für diesen Zweck produzierte Pornos könnten sehr gut zu einer lustorientierten Sexualaufklärung beitragen. Aber der Jugendschutz ist kontraproduktiv geregelt und das ist schlecht für die Aufklärung – und für die Branche. In Deutschland sollen etwa nur Volljährige Zugang zu Pornografie haben, in der Schweiz immerhin schon die 16-Jährigen. Aber die Neugierde über den eigenen und fremden Körper fängt ja schon mit 13, 14 Jahren an, und diese Neugierde sollte pädagogisch aufgefangen werden. Ein weiteres Problem ist, dass sich Se­xu­al­päd­ago­g:in­nen strafrechtlich angreifbar machen, wenn sie konkrete Plattformen wie zum Beispiel Pornhub benennen, obwohl gerade dort viele Jugendliche Pornografie konsumieren und Aufklärung da gut ansetzen könnte.

Und welchen Einfluss hat der Jugendschutz auf die Branche?

Die Kommission für Jugendmedienschutz ist da ein wichtiger Player. Sie überwacht den Vertrieb von Pornografie nach dem Jugendschutzgesetz. Darüber, dass Produkte der Erwachsenenunterhaltung nicht für Minderjährige zugänglich sein sollten, sind wir uns einig. Aber wie sie das Gesetz umsetzen, gleicht einem Geisterfahrer auf der Autobahn. Sie verlangen, dass deutsche Pornoplattformen eine biometrische Altersverifikation haben, das heißt, alle Kon­su­men­t:in­nen müssen sich online identifizieren. Weil das aber teuer ist und Kun­d:in­nen abschreckt, verlegen die Pro­du­zen­t:in­nen ihren Firmensitz ins Ausland. So ist rein gar nichts mehr reguliert und es grassiert die Piraterie, die den ökonomischen Druck auf jene Un­ter­neh­me­r:in­nen verstärkt, die qualitativ hochwertige, fair produzierte Pornos anbieten wollen.

Gibt es einen Austausch mit der Kommission darüber?

Vor zwei Jahren hat der Berufsverband für die Pornobranche Free Speech Coalition Europe einen offenen Brief geschrieben, der aber nie beantwortet wurde. Dieses Jahr haben Marc Jan Eumann, der Vorsitzende der Kommission, und ich uns immerhin bei einem Panel auf der Republika (eine Konferenz zur digitalen Gesellschaft, Anm. d. Red.) getroffen und dort unter anderem über die datenschutzrechtlichen Probleme der Altersverifikation diskutiert. Es gäbe aber noch viele andere Streitpunkte zu besprechen …

Klingt nach Reibung …

Die Kommission für Jugendmedienschutz hat regelrecht eine Atmosphäre der Angst geschaffen in der Branche. Es werden regelmäßig Strafanzeigen mit hohen Geldstrafen gegen Content Creators erlassen, also Soloselbstständige, die Pornos auf Plattformen vertreiben, die keine Altersverifikation haben. Das ist ja mittlerweile die große Mehrheit, die Filme selbst dreht und schneidet, mit dem Handy teilweise. Und selbst die Wissenschaftlerin Madita Oeming, die nur zu Pornografie forscht und bei Twitter ab und zu für ihre Arbeit relevante Screenshots aus Filmen postet, hat so eine Anzeige bekommen. Diese Kriminalisierung ist doch krass! Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

Damals hattet ihr auch immer wieder Probleme mit Instagram und Co, die deine Firmenaccounts geblockt oder sogar gelöscht haben, samt der mühsam aufgebauten Followerschaft. Hat sich das gebessert?

Wir haben Wege gefunden, die Accounts zu halten und trotzdem Inhalte zu posten. Es gibt da so Tricks: keine Nippel zeigen oder Sex nicht mit x sondern mit zwei gg schreiben, also Seggs. Aber diskriminiert werden wir immer noch. Neulich wollten wir für den Berufsverband ein Spendenkonto bei der Deutschen Bank eröffnen, aber man hat uns abgelehnt, ohne Begründung. Dabei gibt es ein Grundrecht auf ein Konto. Wir versuchen jetzt, dagegen zu klagen.

Was könnte die Lösung für das Jugendschutzproblem sein?

Wir haben schon viel dazu recherchiert. Eine freiwillige Selbstkontrolle wäre gut, nach dem Vorbild der Film­industrie. Statt FSK würde es in dem ­Label dann PSK heißen, „Porno­grafische Selbstkontrolle“. Ein anderer Weg wäre – und dazu tendieren wir mehr –, die ­Hersteller von Smartphones, ­Tablets, Laptops dazu zu bringen, Filter auf ihren Geräten einzurichten, die die Eltern einstellen können. Und da müssen dann alle gemeinsam dran arbeiten, die Inhalte entsprechend zu markieren, also auch die Pornoproduzent:innen, Plattform-Betreiber:innen, App-Pro­gram­mie­rer:in­nen.

Und die Politik?

Die muss die großen Tech-Konzerne unter Druck setzen. Bei der Vereinheitlichung von Ladekabeln hat das auf EU-Ebene ja auch schon geklappt. Und die Politik müsste ernsthaft gegen illegale Plattformen und Piraterie vorgehen und gleichzeitig jene fördern, die es besser machen wollen. Aber vor allem muss mit gesellschaftlichen Vorurteilen aufgeräumt werden und Leute müssen bereit sein, für gute Pornos einen entsprechenden Preis zu bezahlen.

Was für Vorurteile sind das?

Es wird zum Beispiel immer wieder das Gerücht gestreut, der Konsum von Pornografie könne süchtig machen. Natürlich können Menschen, egal welchen Alters, einen ungesunden, zwanghaften Umgang mit Pornos haben, so wie mit allen anderen Medien oder Konsumgütern auch, aber es gibt keine wissenschaftliche Basis für die Porno-Sucht-These. Außerdem endet die Debatte oft an diesem Punkt, obwohl noch ganz andere Fragen gestellt werden könnten oder sollten. Zum Beispiel: Was macht es mit uns, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, die sagt, die Darstellung von Sexualität sei schmuddelig, falsch, irgendwie gefährlich?

Warum hält sich das Tabu so hartnäckig, selbst unter Aufgeklärten?

Ich denke, es geht da um ein Verständnis von Geschlechterrollen und Sexualität, bei dem Frauen Opfer sind und Männer triebgesteuerte Tiere, so grob. Und das sitzt einfach unfassbar tief, weil es der Gesellschaft über Jahrhunderte eine feste Ordnung gegeben hat. Natürlich ändert sich das – auch nicht erst seit gestern – durch den Feminismus vor allem. Aber das sind noch die Relikte davon. Außerdem neigen Menschen noch immer dazu, die Gesellschaft zu infantilisieren.

Inwiefern?

Zum Beispiel beim Thema Gewalt. Da gab es ja die Diskussion um Ballerspiele für Computer oder Konsolen, aus Angst, dass erwachsene Leute, die das spielen, irgendwann auf echte Menschen schießen könnten. Mittlerweile wissen wir, dass das in der Regel Quatsch ist und Menschen sehr wohl zwischen Spiel und Realität unterscheiden können. Aber bei Gewaltpornografie wird noch immer eine willkürliche Grenze gezogen.

Die ist in bestimmten feministischen Kreisen bis heute ein rotes Tuch. Was entgegnest du ihnen?

Dass nichteinvernehmliche Handlungen niemals okay sind und die natürlich strafrechtlich verfolgt werden müssen. Dafür gibt es auch die entsprechenden Gesetze. Aber auch hier muss man genau hinschauen. Gewaltpornografie ist nicht gleich Vergewaltigung, sondern sie zeigt bestimmte Praktiken, die Gewalt beinhalten und dabei Lust erzeugen – bei allen Beteiligten, einvernehmlich.

Die ablehnende Haltung gegenüber Pornografie und Sexarbeit war in der zweiten Welle der Frauenbewegung sehr präsent. Auch deine Mutter war Teil davon. Wie verträgt sich das mit deinem Beruf?

Ich war mit meiner Mutter auf Demos mit Schildern, auf denen stand: Pornografie ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis. Für mich war da aber schon als Jugendliche diese Ambivalenz. Mich hat Pornografie einfach fasziniert, trotz meiner Sozialisation. Als ich zum Studieren von Madrid nach Berlin zog, habe ich die Anonymität hier sehr genossen und konnte mich dieser Faszination öffnen.

Und dann?

Ich habe mich im Studium mit queerfeministischer Theorie beschäftigt und eine Pornoproduzentin kennengelernt, die queere Pornos dreht, Marit Östberg. So bekam ich meine erste Rolle. Grundsätzlich passe ich gut in die Kategorie „Mädchen von nebenan“. Leute sagten oft, ich sei so authentisch, was sie gut fanden, dabei war an den Szenen nichts wirklich authentisch, sondern alles stark durchchoreografiert. So kam ich später auch auf die Idee, die Amateur-Plattform „Lustery“ zu gründen, wo sich Paare selbst beim Sex filmen.

Wie ist die Einstellung deiner Mutter zu deinem Porno-Entrepreneurship heute?

Total positiv. Sie erzählt anderen sogar stolz, dass ich Pornos mache. Immer, wenn ich das mitbekomme, muss ich weinen.

Bist du manchmal von Hate-Speech betroffen?

Madita Oeming, die Wissenschaftlerin, bekommt viel mehr Hasskommentare als ich. Leute kriegen es nicht zusammen, wie eine Akademikerin sich ernsthaft mit Pornografie auseinandersetzen kann. Ich hingegen bin ja „nur eine Pornodarstellerin“, gesellschaftlich also quasi eh nix wert.

Dabei hast du ein abgeschlossenes Studium in deutscher Philologie und vergleichender Literaturwissenschaft und jetzt auch noch ein Buch ge­schrieben. Hat das Buch etwas verändert?

Ja, schon. Ich sage seit zehn Jahren immer wieder dieselben Dinge, aber erst jetzt scheinen mir die Leute richtig zuzuhören. Da ist irgendwie eine größere Kredibilität. Das ist schon verrückt, aber auch lustig.

Dein Buch hat den Titel „Pornopositiv“ und eine Kernaussage ist: Es reicht nicht, nur sexpositiv zu sein. Läutest du da gerade die vierte Welle des Feminismus ein?

Der Mainstream-Feminismus greift zu kurz. Da ist zwar eine sexpositive ­Haltung, aber immer noch eine Leerstelle um die Themen Sexarbeit und Pornografie und mangelnde Solidarität gegenüber Sexarbeiter:innen. Ich will nicht vorschreiben, wie jemand fickt oder ob jemand Pornos guckt. Ich will, dass der Blick auf das gelenkt wird, was die Gesellschaft in Wahrheit unfrei macht, und das sind die Angst vor bestimmten Spielarten der Sexualität und die Vorurteile, die diese Angst schüren.

Du schreibst in dem Buch, dass dich die Pornografie auch privat bereichert hat. Inwiefern?

Ich habe mich selbst und meine Bedürfnisse besser kennengelernt, ich habe gelernt, diese Bedürfnisse zu äußern und Nein zu sagen. Ich fühle mich freier und selbstbestimmter und ich habe ein gutes Verhältnis zu meinem Körper. Das ist schon eine ganze Menge.

Wie sähe eine Welt aus, in der alle sexuell befreit sind?

Oh, das wäre eine tolle Welt! Pornografie wäre nur ein weiteres Produkt auf dem Unterhaltungsmarkt. Sexualaufklärung würde auch Kommunikation und Einvernehmen lehren. Es würde mehr Räume geben, in denen die Menschen ihre Sexualität frei ausleben könnten, ohne sich schämen oder verstecken zu müssen. Menschen würden am Sonntag laut darüber nachdenken, ob sie mehr Lust auf das Fußballstadion oder den Sexclub um die Ecke haben.

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