Polizei greift vor: Manndeckung für junge Straftäter

Mehrfachtäter erhalten ab Januar feste Ermittler. Sie sollen sie eng betreuen und so viele Informationen über sie sammeln wie möglich. Kritik vom Datenschutzbeauftragten: "Auch Straftäter haben ein Recht auf Privatsphäre"

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen jungen Mehrfachtätern verstärkt zu Leibe rücken. Manndeckung würde man im Sport dazu sagen. Im Klartext: Die Ermittlungsbehörden wollen ganz dicht an den jungen Delinquenten ran. Das geht nur, wenn sie so viele Daten wie möglich über sie sammeln. "Wir machen aus den Menschen eine gläserne Person", kündigte der Leiter des Landeskriminalamts (LKA), Peter-Michael Haeberer, am Montag an. Diese Wortwahl stößt beim Datenschutzbeauftragten Alexander Dix auf Kritik. "Auch Straftäter haben ein Recht auf Privat- und Intimsphäre", sagte Dix.

Startschuss für das Projekt, das Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vorstellten, ist Januar 2008. Fortan sollen jugendliche und heranwachsende Mehrfachtäter im Alter zwischen 14 und 21 Jahren einen festen Ermittler bekommen. Im Juristenjargon wird die Gruppe, um die es geht, Schwellentäter genannt. Als solcher gilt, wer mindestens fünf erhebliche Straftaten wie Raub, Körperverletzung oder Ähnliches begangen hat. Derzeit sind bei den Ermittlungsbehörden 170 junge Leute als Schwellentäter registriert. Die Zahl werde vermutlich auf über 400 anwachsen, so der leitende Oberstaatsanwalt Andreas Behm.

Mit der Manndeckung soll verhindert werden, dass sich ein Schwellentäter zum Intensivtäter entwickelt. Dank der Spezialbetreuung von Intensivtätern haben Berlins Ermittlungsbehörden dabei schon Erfahrung. Als Intensivtäter gelten Jugendliche und junge Erwachsene, die mehr als zehn Straftaten oder mehrere besonders schwere Taten auf dem Konto haben. Bei der Staatsanwaltschaft gibt es die seit 2003 aus zehn Dezernenten bestehende Sonderabteilung 47, die sich nur um Intensivtäter kümmert. Zurzeit sind dort 434 junge Männer erfasst.

Laut einer Untersuchung eint die Mehrzahl der Intensivtäter, dass sie einen Migrationshintergrund haben, aus einer problembelasteten Familie kommen und keinen Schulabschluss haben. Die Folge ist, dass sie auf der Straße abhängen und in die kriminelle Subkultur abdriften. Das alles trifft auch auf die Schwellentäter zu.

Das neue Konzept sieht so aus, dass jeder Schwellentäter einen speziellen Polizisten und Staatsanwalt hat, die immer für ihn zuständig sind. Der Polizist sammelt alles an Daten, was er über seinen Schützling kriegen kann: welche Freunde er hat, wo er seine Freizeit verbringt, in welche Kneipen er geht, sowie "alle Telefonnummern, deren man habhaft werden kann", erklärt Kripochef Haeberer. "Wir sagen ihm auch, dass er von nun an einen neuen Begleiter hat. Das muss er nicht mögen, aber er hat ihn." Ziel der Ermittler ist es, bei erneuten Straftaten schnell und zügig zu reagieren und den jungen Mann in Haft zu nehmen.

Für die Staatsanwaltschaft bedeutet das neue Konzept, dass 50 Jugendstaatsanwälte zusätzliche Arbeit bekommen. Dabei gelten sie schon jetzt als überlastet.

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