Prigoschins Flugzeugabsturz: Russlands Interessen in Afrika

Am Tag seiner Rückkehr aus Mali stürzte ein Flugzeug über Russland ab – mutmaßlich mit Söldnerchef Prigoschin. Ein Zusammenhang scheint naheliegend.

Soldaten aus der Ferne fotografiert.

Russische Söldner der Wagner-Gruppe 2022 im Norden von Mali Foto: ap

KAMPALA taz | Erst am Dienstagmorgen war Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin aus Afrika nach Russland zurückgekehrt. Abends stürzte dann das Flugzeug, mutmaßlich mit ihm als Insassen, nahe der russischen Stadt Twer ab – Prigoschin ist offenbar tot.

Am Tag zuvor hatte ein Handyvideo in den sozialen Medien die Runde gemacht. Darin sah man den Wagner-Chef in voller Kampfuniform in einer sandigen Wüste, im Hintergrund ein Pick-up. „Hier sind Temperaturen von über 50 Grad“, erklärte Prigoschin. Er werde nun die Wagner-Operationen überall auf dem Kontinent ausweiten, um die afrikanischen Völker „freier“ zu machen, hatte er angekündigt.

Verschiedene Quellen vermuten, das Video sei in Mali entstanden. Sicher bestätigt ist das aber nicht, genauso wenig wie das Aufnahmedatum. Das Flugzeug, mit dem die Wagner-Crew nun am Dienstagabend in Russland abgestürzt ist, war nach Angaben von Flight-Trackern am 18. August von Moskau gestartet und via syrischer Hauptstadt Damaskus zunächst nach Mali geflogen. Angeblich war Prigoschin in Mali, um weitere lokale Milizen als Verbündete im Kampf gegen den Terror zu gewinnen.

Auf den Wagner-nahen Telegram-Kanälen zirkulierten Handyfotos: Darauf zu sehen sind angeblich drei Kämpfer der malischen Dozo-Miliz. Dazwischen steht ein weißer Soldat in Kampfuniform. Genau solch eine Uniform trägt auch Prigoschin in dem Wüsten-Video.

Aus für Wagner in Afrika?

Doch dann musste der Wagner-Chef Mali anscheinend überhastet verlassen. Der Grund: auf den Wagner-Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram wurden Gerüchte laut, dass Russlands Verteidigungsministerium und der russische Militärgeheimdienst GRU Wagners Engagement in Afrika beenden wollen.

Wagner-Chef Prigoschin mit Waffe.

Wagner-Chef Prigoschin im August, vermutlich in Mali Foto: UPI Photo/imago

Ein Indiz dafür war ein Rekrutierungsaufruf der privaten russischen Sicherheitsfirma Redut, die auch Kämpfer und Übersetzer für Afrika und den Nahen Osten sucht. Die Firma ist eng verbandelt mit dem Militärgeheimdienst GRU sowie dem Staatskonzern Gasprom und damit mit dem Kreml.

Auf den Telegram-Kanälen wurden schnell Vermutungen laut, Russlands Verteidigungsministerium wolle nun bald Ressourcen umleiten und andere kremlnahe Sicherheitsfirmen würden schon in den Startlöchern stehen, um Wagner nun auch in Afrika zu ersetzen.

Konkret wurden Pläne laut, dass GRU-Vizedirektor Andrei Awerjanow, verantwortlich für geheime Spezialoperationen, eine 20.000 Mann starke Truppe aufstellen wolle, um die bisher von Wagner-Truppen durchgeführten Operationen in Afrika zu übernehmen. Prigoschin wollte dies verhindern, offenbar vergeblich.

Nicht einmal eine Stunde nach dem Flugzeugabsturz in Twer, bei dem Prigoschin vermutlich ums Leben kam, hob eine Maschine des russischen Katastrophenschutzministeriums in Moskau ab, flog zunächst nach Damaskus und dann weiter nach Mali: dieselbe Flugroute, die Prigoschin vergangenes Wochenende genommen hat. Dies mag kein Zufall sein.

Streit um russische Kontrolle afrikanischer Märkte

Einige afrikanische Milizenführer und Putschisten dürften sich Sorgen machen, wie es um ihre Beziehungen nach Moskau steht und welche Folgen dies für ihren eigenen Machterhalt hat. Ein Beispiel ist der sudanesische General Mohammed Hamdan Daglo alias Hametti, Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF).

Seit dem Beginn des Bürgerkrieges im Sudan Mitte April hat er mehrfach Waffenlieferungen aus Russland erhalten. Diese wurden über Wagner-Kontakte und deren Stützpunkt im südlichen Nachbarland Zentralafrikanische Republik in den Sudan geliefert. Mit an Bord des abgestürzten Wagner-Flugzeugs war auch Alexander Totmin, einer von Prigoschins engen Leibwächtern, stationiert im Sudan.

„Ich denke, der Tod Prigoschins hat etwas zu tun mit Afrika“, so Christo Grozev, Investigativjournalist beim nicht-staatlichen Recherchenetzwerk Bellingcat. „In der letzten Woche sahen wir die Eskalation eines tiefen Grabenkampfes zwischen dem Verteidigungsministerium sowie dem Kreml auf der einen Seite und Prigoschin auf der anderen Seite um die Kontrolle über einige sehr lukrative Märkte in Afrika, beispielsweise Mali und die Zentralafrikanische Republik. Prigoschin war in den vergangenen Tagen in Mali, um zu versuchen, dort nicht die Kontrolle zu verlieren. Und ich denke, es ist diese Eskalation des Streites um die Interessen Russlands in Afrika, die nun zu diesen Aktionen gegen Prigoschin geführt haben.“

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