Pro und Contra zum Ehegattensplitting: Steuern sparen für alle?

Steuervorteile für Verheiratete bleiben umstritten. Sind sie reaktionär? Was ändert sich mit der Ehe für alle? Und wie finden wir das?

Die Figur eines Brautpaars liegt mit abgebrochenem Kopf zur Seite umgekippt auf der Straße

Endlich weg mit überkommenen Idealen – und damit auch dem Ehegattensplitting? Foto: dpa

Am Freitag wird wohl im Bundestag die Ehe für alle beschlossen. Soll es, daraus folgend, auch ein Ehegattensplitting für alle geben?

Ja, es begegnet realen Lebensverhältnissen

Die Ehe für alle ist eine gesellschaftliche Chance. Für homosexuelle Paare sowieso, das liegt auf der Hand. Aber auch die Heteros werden davon profitieren. Denn die Ehe für alle wird erstmals dazu führen, die Chancen des umstrittenen Ehegattensplittings zu erkennen – losgelöst von allen Geschlechterdebatten.

Wer heute noch heiratet, tut das in der Regel aus zwei Gründen. Da ist zum einen das Bekenntnis zueinander – vor Familie und Freunden, bei einigen auch vor Gott. Doch wer es romantisch haben will, sollte statt ins sterile Standesamt lieber ganz ohne Beamte auf eine sonnige Waldlichtung ziehen und sich dort versprechen, was man sich zu versprechen wünscht. Auch Liebe, Sex, Kinder und Einbauküche sind längst problemlos ohne Trauschein zu bekommen. Für all das bräuchte es das staatliche Institut der Ehe gar nicht.

Der zweite Grund steht bei der zeremoniellen Feierei selten im Vordergrund, ist tatsächlich aber von weit größerer Bedeutung. Es geht um die Bildung einer kleinen Solidargemeinschaft – und um die Anerkennung als solche durch den Staat. Mit allen Rechten. Vor allem aber auch mit allen Pflichten. In guten wie in schlechten Zeiten. Wenn man ehrlich ist: vor allem in schlechten Zeiten.

Denn Eheleute gehen eine Versorgungsgemeinschaft ein, sie verpflichten sich zu unbedingter, finanzieller Solidarität – was sogar im Falle einer Scheidung erst mal weiter gilt. Kann oder will eineR der GattInnen nicht mehr für sich sorgen, ist der Staat fein raus – und erkennt im Gegenzug das Paar als Steuergemeinschaft an.

Das Ehegattensplitting ist die Keimzelle solidarischer Partnerschaft

Das wiederum macht Verheiratete frei. Sie müssen und dürfen untereinander ausmachen, wer welche Aufgaben übernimmt. Dabei geht es keineswegs nur um Kohle und Kinder, sondern auch um Zeit für unbezahltes Engagement, Freiräume für Kreativität oder, warum auch nicht, das Recht auf Faulheit. Wenn der Partner das mitträgt, gilt: anything goes ganz ohne staatliche Gängelung in der kleinen autonomen Zelle Ehe.

Dennoch gilt die Forderung, den Steuervorteil für Verheiratete abzuschaffen, in linken Kreisen seit Jahren als progressiv, weil er Frauen benachteilige, sie als tendenziell weniger Verdienende zurück an den Herd dränge. Das stimmt. Doch bei den künftig vollkommen gleichgestellten Homopaaren gibt es diesen Gendergap nicht. Das zeigt: Das Problem ist die gesellschaftliche Diskriminierung der Frauen, die sich nur in einer gemischtgeschlechtlichen Ehe fortsetzt. Das muss natürlich bekämpft werden.

Das Ehegattensplitting aber sollte als Keimzelle solidarischer Partnerschaften nicht abgeschafft, sondern ausgeweitet werden, als Möglichkeit für Lebensgemeinschaften, die längst real und weit größer sind als eine Zweierbeziehung – ganz egal, ob man sie nun Ehe, Familie, WG, Freundeskreis oder wie auch immer nennt.

Gereon Asmuth

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Nein, es sollte abgeschafft werden

Die „Ehe für alle“ ist ein großer Fortschritt – symbolisch. Denn faktisch waren schwule und lesbische Paare auch schon vorher weitgehend gleichgestellt. So urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits 2013, dass das Ehegattensplitting auch für eingetragene Partnerschaften gilt. Aber man sollte die Symbolik nicht unterschätzen. Es hatte ja eine Funktion, dass die Konservativen so hartnäckig an der Vorstellung festhielten, die „echte“ Ehe sei nur für Heterosexuelle da.

Mit dieser Überhöhung der Hetero-Ehe wurde gleichzeitig ein antiquiertes Partnerschaftsmodell transportiert und gefeiert: Der Mann geht seinem Beruf nach, die Frau arbeitet höchstens Teilzeit. Genau für dieses altertümliche Modell ist auch das Ehegattensplitting konstruiert: Es lohnt sich nur, wenn ein Partner viel verdient – und der andere weitgehend zu Hause bleibt. Den meisten Bürgern ist deshalb noch gar nicht aufgefallen, dass das Ehegattensplitting längst auch für eingetragene Partnerschaften gilt. Denn bei schwulen und lesbischen Paaren haben beide Partner oft ähnlich gute Jobs, sodass das Ehegattensplitting für sie nicht relevant ist.

Mit der „Ehe für alle“ geraten die Konservativen in die Defensive. Wenn alle in gleicher Weise verheiratet sind, dann wird offensichtlich, dass es absurd ist, nur eine Form der Partnerschaft steuerlich zu begünstigen: die Ein-Verdiener-Ehe.

Zu den Absurditäten des Ehegattensplittings gehört, dass auch Verheiratete subventioniert werden, die gar keine Kinder aufziehen – während umgekehrt eine Alleinerziehende keine Steuervergünstigungen erhält. Kinder sind inzwischen das größte Armutsrisiko. Statt eines Ehegattensplittings bräuchten wir eigentlich ein Familiensplitting, das sich daran orientiert, wie viele Kinder im Haushalt leben oder unterstützt werden. Auch Fans des Ehegattensplittings haben nichts dagegen – solange auch der Vorteil für kinderlose Ehen erhalten bleibt. Doch für beides reicht das Steuergeld nicht. Wer Kinder angemessen fördern will, muss sich von der Subventionsgießkanne für die Ein-Verdiener-Ehe verabschieden.

Wer Kinder angemessen fördern will, muss sich von der Subventionsgießkanne verabschieden

Bleibt ein letztes Argument, das von den Fans des Ehegattensplittings gern angebracht wird: das „Solidar-Prinzip“: Ehepartner würden sich gegenseitig beistehen, „bis der Tod sie scheidet“ – und dadurch den Sozialstaat entlasten. Da sei es nur fair, dass Eheleute einen Steuervorteil erhalten. Wieder liegt die Tücke im Detail: Vom Ehegattensplitting profitieren vor allem die Spitzenverdiener: Je höher das Einkommen – desto höher die Steuer­ersparnis durch das Splitting. Umgekehrt profitieren Geringverdiener gar nicht. Das Prinzip der Solidarität wird also auf den Kopf gestellt.

Das Ehegattensplitting ist ein Relikt aus der Adenauer-Zeit. Es sollte abgeschafft werden.

Ulrike Hermann

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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