Ralph Ogden über 40 Jahre Deutschland: "Ich dachte: Wo bin ich hier gelandet?"

Ralph Ogden war der erste US-Basketball-Profi bei einem deutschen Verein: zuerst in Osnabrück, dann 36 Jahre in Oldenburg. Jetzt geht er in die USA zurück.

Wollte schon als Kind nach Europa: Oldenburgs Basketball-Legende Ralph Ogden. Bild: Andreas Burmann

taz: Herr Ogden, vor 40 Jahren kamen Sie nach Deutschland, als erster Spieler aus der amerikanischen Profi-Basketballliga NBA. Was war Ihr erster Eindruck?

Ralph Ogden: Eine sehr niedrige Halle, die Haarenufer-Halle in Oldenburg. Ich spielte damals zunächst für den VfL Osnabrück. Wir hatten ein Pokalspiel gegen den Oldenburger Turnerbund (OTB). Ich werde nie vergessen, wie ich in diese Halle gekommen bin. Dieses niedrige Dach! Ich habe geguckt und gedacht: Wo bin ich hier gelandet?

In einer Garage, so ungefähr?

Ja.

Sie waren anderes gewohnt.

Wenn Du im Madison Square Garden gespielt hast vor 20.000 Leuten: Das ist ein kleiner Unterschied.

Wie kamen Sie als NBA-Profi nach Osnabrück?

Die waren Pokalsieger und hatten Großes vor. Kurz vorher hatte Leverkusen einen Amerikaner bekommen, John Ecker. Er war von der UCLA gekommen, der University of California in Los Angeles. Die Osnabrücker haben dann auch ihre Fühler ausgestreckt. Sie trafen meinen Agenten. Zwei Wochen später war ich in Deutschland.

1,96 Meter, war der erste Spieler der US-Basketballliga NBA, der nach Deutschland kam. Er spielte ab 1972 für Osnabrück und Essen und wechselte 1976 zum Oldenburger Turnerbund (OTB).

Die Mannschaft führte er von der vierten in die zweite Liga. 1985 stieg der OTB in die erste Liga auf - mit Ogden als Trainer.

Er legte das Fundament für den Erfolg der Oldenburger Basketballer, die seit 12 Jahren in der ersten Liga spielen - seit 2001 als EWE Baskets.

Der erste NBA-Profi.

Und das war ein Problem.

Warum?

John Ecker wusste das und hat gesagt: Er darf nicht spielen, weil er als Profi gespielt hat. 1972 war Basketball in Deutschland Amateursport. Ich musste zwei Monate warten und den Generalsekretär der International Basketball Federation anrufen, Dr. Jones in London. Er sagte: Wenn du dich in die Gesellschaft einfügst und arbeitest, nicht nur Basketball spielst, kannst Du spielen.

Haben Sie dann eigentlich gearbeitet?

Ich habe immer gearbeitet, seit dem ersten Tag in Deutschland.

Als was?

Sie haben mich in das Lager eines Supermarktes geschickt, da musste ich rein in den Kühlraum, was holen, wieder raus, hin und her, natürlich wurde ich sofort krank. Dann habe ich für einen Architekten gearbeitet, als Mädchen für alles. Und das alles, ohne richtig Deutsch zu sprechen.

Sie hatten in der besten Liga der Welt gespielt, bei den San Francisco Warriors. Warum Osnabrück?

Osnabrück war erfolgreich, und komischerweise wollte ich schon als Kind immer nach Europa. Ich lief durch die Gegend und hatte Sweatshirts an mit Bach und Beethoven, die haben mich da für verrückt gehalten. Es hat mich gereizt.

In den USA hatten Sie einen großen Rivalen, Kareem Abdul-Jabbar. Kein NBA-Spieler hat mehr Punkte gemacht. Sie trafen ihn schon zu College-Zeiten.

Wir waren die zweit- oder drittbeste Mannschaft in der College-Liga und hatten es mit UCLA zu tun. Und wer spielte da? Kareem Abdul-Jabbar.

Der damals noch anders hieß.

Lew Alcindor.

Ralph Ogden, Santa Clara University, gegen Lew Alcindor, UCLA. Und der war …

… nicht zu schlagen. Der war 2,14 Meter oder so, hatte unheimlich lange Arme, der konnte alles machen.

Was war die Spezialität?

Sky Hook. Von hier oben, kam kein Mensch ran. Wir hatten nie eine Chance.

Und später in der NBA hatten Sie es wieder mit ihm zu tun.

Wir kamen mit den Warriors in die Playoffs und mussten gegen die Milwaukee Bucks spielen – schon wieder Kareem. Da waren wir raus. Seinetwegen.

Sie blieben nur ein Jahr in Osnabrück und zogen weiter: Zwei Jahre Essen, wieder ein Jahr Osnabrück, dann Oldenburg. Der OTB spielte damals, 1976, in der vierten Liga. Was wollten Sie da?

Ich hatte meine heutige Ex-Frau kennengelernt, eine Oldenburgerin. Ich fühlte mich wohl hier. Nette Leute, idyllische Stadt. Wir bekamen Kinder, es ging immer weiter, auch mit Herrn Lange.

Gerold Lange, damals Direktor der Oldenburger Molkereizentrale, der sein Herz für den Basketball entdeckt hatte.

Er spielte eine sehr große Rolle für mich, er hat mir einen Ausbildungsplatz angeboten bei der Molkerei. Als ich da arbeitete, rief er mich jeden Tag einmal: Herr Ogden, kommen sie nach oben. Und ich dachte: Scheiße, was habe ich jetzt gemacht? Dann saß er hinter seinem Tisch und sagte: Mach’ die Tür zu. So. Was machen wir mit Basketball? Es wurde eine einmalige Verbindung. Ich habe das Sportliche gemacht, ihm die Ideen geliefert, er hat ausgeführt: Wir brauchen einen großen Mann, einen kleinen Mann oder einen Deutschen oder was weiß ich. Einmal hat er mich geholt und gesagt: Herr Ogden, ich habe kein Hobby, ab sofort sind Sie mein Hobby.

Eine Art Vaterfigur?

Oh ja. Aber nicht nur für mich, er und seine Frau Elisabeth waren für alle Spieler da.

Trotzdem: vierte Liga. Das war ein Rückschritt.

Richtig, aber wir sind dann sofort aufgestiegen, zweimal, bis in die zweite Liga. Da sind wir lange geblieben, später ist der OTB zweimal in die Bundesliga auf- und wieder abgestiegen.

Mit Ihnen als Trainer.

Erst als Assistenztrainer. Als es nicht so gut lief, wurde ich Headcoach. 1985 stiegen wir auf – und im Jahr darauf wieder ab.

Und 1987 wieder auf.

Und wieder ab. Aufgestiegen, abgestiegen, aufgestiegen, abgestiegen.

Eine Fahrstuhlmannschaft.

Genau. Und 1990 sah es in der Abstiegsrunde in der zweiten Bundesliga nicht gut aus, da habe ich gesagt: Ich gehe.

Sie wurden Trainer in Wolfenbüttel und Manager in Hagen. Mitte der neunziger Jahre kehrten Sie zurück nach Oldenburg und wurden wieder Trainer.

Gerold Lange hat mich wieder aufgenommen. Ich wurde Assistenztrainer und übernahm das Team, als wir kurz vor dem Abstieg standen.

Sie hätten dann nach Würzburg wechseln können.

Holger Gschwindner rief an und sagte: Hör’ mal, wir haben hier die jungen wilden Leute, die sind teilweise NBA-reif. Einer davon hieß Dirk Nowitzki, den hat Holger entdeckt. Ich fuhr hin, bekam einen Vertrag und eine Arbeitsstelle, es stand alles fest. Ich brauchte nur noch zu unterschreiben. Ich wollte darüber nachdenken. Der OTB tat sich gerade mit der TSG Westerstede zusammen, Hermann Schüller hatte gerade angefangen.

Heute Geschäftsführer des Bundesligisten EWE Baskets.

Der sagte: Ach, vergiss das mit dem Vertrag, schreib’ uns einen Vertrag – er unterschrieb und gab ihn mir. Ich habe ihn selbst aber nicht unterschrieben zurückgegeben. In Würzburg habe ich abgesagt, wegen Schüller. Dann haben wir die ersten beiden Spiele verloren, abends sagten Langer und Schüller: Wir wollen am nächsten Tag mit dir sprechen. Ich bin da angetreten, da saßen die beiden, Langer sagte ganz sachlich: Wir wollen uns von dir trennen. Dann schaltete er den Fernseher ein und guckte fern. Und Schüller redete 45 Minuten auf mich ein. Ich habe das nicht verstanden.

Eine große Enttäuschung?

Nicht nur für mich, für die gesamte Mannschaft.

Und trotzdem sind Sie dem OTB treu geblieben, haben Nachwuchsmannschaften trainiert und wurden deutscher Seniorenmeister – 17 Mal.

Der Verein war meine Familie, da waren viele andere Leute, die mir wichtig waren.

Dass sie jetzt in die USA zurückgehen, hat mit einer Schulfreundin zu tun.

Bitte sehr, das ist Arlene. (Er zeigt ein Bild auf seinem Laptop: er selbst und eine blonde Frau.) Wir haben uns beim 90. Geburtstag meiner Mutter in San José getroffen, unserem Heimatort. Das war vor zwei Jahren. Sie sagte: Du gehst in Rente, ich gehe in Rente, überleg’ mal, was du machst. Dann habe ich gedacht: Wieder nach Kalifornien, meine Mutter hat nicht mehr lange zu leben, das wäre eine Idee. Sie sagte: Du brauchst gar nichts, ich habe zwei Autos, ein Haus in den Bergen, du kannst kommen, wenn du willst. Dann war ich in Brasilien, Senioren-Weltmeisterschaft, ich spielte für Deutschland. Ich fragte sie: Wenn du willst, kannst du in der Zeit nach Brasilien kommen. Und sie kam. Dann sagte sie: Ich komme aber auch zu Weihnachten. So ging das los. Also haben wir beschlossen, dass, wenn ich in Rente gehe, ich zu ihr ziehe.

Sie hat die Initiative ergriffen.

Sie hatte immer schon ein Auge auf mich geworfen. In der Highschool hatte sie ihren Spind genau unter meinem. Das hatte sie arrangiert, hat sie mir jetzt erst erzählt. Seit ich in Deutschland war, hat sie mir immer geschrieben, Bilder ihrer Kinder, Weihnachtsgrüße. Ich habe die Briefe alle aufgehoben. Ich weiß nicht, warum.

Zurück nach Kalifornien, nach 40 Jahren.

Ich wollte immer zurück. Die Frage war nur das Wie und Wann. Jetzt passt es. Auch wegen meiner Mutter, weil sie nur noch ein paar Jahre zu leben hat. Lieber jetzt als zu spät. Ich bin Rentner, es ist ein Neuanfang.

Was werden Sie vermissen?

Die Leute werden mir fehlen. Oldenburg ist meine Heimat. Als ich San José verlassen habe, das ist im Silicon Valley, lebten dort 160.000 Leute. Heute leben da 950.000, fast eine Million. Ich kenne es nicht mehr.

Spielen Sie weiter in der deutschen Ü 60-Nationalmannschaft?

Bald Ü 65. Ich werde im Januar 65, ich hoffe, dass ich da einsteigen kann.

Sie wurden 1990 Weltmeister und 2009 in Prag Vize-Weltmeister.

Demnächst ist in Litauen Europameisterschaft. Aber ich kann nicht in Amerika ankommen und sagen: Okay, ich bin jetzt da, aber jetzt muss ich nach Litauen, tschü-hüß! Ich werde versuchen, im Mai zur Deutschen Meisterschaft zurückzukommen.

Zum OTB?

Ich glaube schon.

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