Rechte Dozentin in der Ukraine: Hochschule feuert Philologin

Nach kruden Äußerungen über ukrainische Soldaten, die Russisch sprechen, muss eine Dozentin gehen. Sie gehört einer rechtsradikalen Partei an.

Soldaten bei einer Übung.

Kadetten des ukrainischen Militärs bei der Vereidigung in einer Kaserne in Lwiw Foto: Pavlo Palamarchuk/reuters

BERLIN taz | Ihr wurde der Hochschul-Job in der westukrainischen Stadt Lwiw gekündigt und sie hat ein Ermittlungsverfahren am Hals: Es sieht nicht gut aus für Iryna Farion. Auslöser für die jüngsten Ereignisse sind mehr als grenzwertige Äußerungen der promovierten Philologin und ehemaligen Parlamentsabgeordneten in einem TV-Interview am 6. November.

Die 59-Jährige – sie ist Mitglied der rechtsradikalen Partei „Swoboda“ – war über ukrainische Soldaten hergezogen, die nach wie vor Russisch sprechen. Solche Leute könne man nicht als Ukrainer bezeichnen. Wenn es keine Disziplin gebe, sei das keine Armee, sondern schlicht Pöbel.

Als in den sozialen Netzwerken ein veritabler Shitstorm los brach, veröffentlichte Farion zwei Tage nach dem Interview noch den Brief eines ihrer Unterstützer – angeblich ein Student von der durch Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim. Neben dem Schreiben stellte sie dabei noch dessen persönliche Daten ins Netz.

Am vergangenen Montag machten auf der Krim in prorussischen Telegram-Kanälen Berichte die Runde, wonach besagter Student vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB vorgeladen worden sei. Ob diese Informationen der Wahrheit entsprechen, ist jetzt Gegenstand von Ermittlungen des ukrainischen Geheimdienstes SBU.

Studierende machen Druck

Am vergangenen Dienstag machten Studierende des Polytechnikums in der westukrainischen Stadt Lwiw, an dem Farion 30 Jahre unterrichtet hatte, mobil. Hunderte versammelten sich vor dem Hauptgebäude der Hochschule und forderten Farions Entlassung. Auf Plakaten waren Slogans wie „Nieder mit Farion“ und „Iryna Farion ist eine Schande für die Ukraine“ zu lesen.

Tags darauf wurde der SBU aktiv und leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Die Vorwürfe lauten: Verletzung der Gleichheit der Bürger, Beleidigung der Ehre und Würde eines Soldaten, Verletzung des Briefgeheimnisses sowie der Vertraulichkeit von Telefongesprächen oder anderer Korrespondenz, die per Computer übermittelt wird sowie Verletzung der Privatsphäre.

Nur wenige Stunden später wurde Farion gefeuert. Zur Begründung hieß es ukrainischen Medienberichten zufolge, es handele sich um eine unmoralische Straftat, die mit der Fortsetzung einer Hochschuldozentur unvereinbar sei.

Farions jüngste verbale Ausfälle sind nicht die ersten ihrer Art und so etwas wie ein Markenzeichen der Rechtsaußenpolitikerin. Aufsehen erregte ein Video aus dem Jahre 2010, in dem sie sich in einem Kindergarten vor laufender Kamera an angeblich „unukrainischen“ Vornamen abarbeitete.

Charismatische Frau

Als Beispiel wurde „Lisa“ genannt. Der Name leite sich von dem Verb lisat`ab, so Farion. Auf Deutsch bedeutet das so viel wie „lecken“. 2018, da war ihr zweijähriges Intermezzo im ukrainischen Parlament (Werchowna Rada) bereits Geschichte, empfahl sie, allen „Moskowiter*innen“ in den Kiefer zu treten, um den Krieg zu gewinnen.

Einer derartigen Rhetorik können allenfalls noch Kol­le­g*in­nen von „Swoboda“ etwas abgewinnen, wie unlängst der Vize-Vorsitzende Andrei Iljenko. Die Menschen hörten ihr zu, weil sie eine intelligente und sehr charismatische Frau sei, sagte Iljenko kürzlich in einem Interview. Sehr oft formuliere sie eine Position, mit der viele einverstanden seien, aber nicht darüber reden wollten.

Sie sei keine Politikerin im klassischen Sinne des Wortes und denke nicht über ihre Beliebtheitswerte nach. Die Partei Swoboda erreichte 2012 mit 10 Prozent ihr bestes Wahlergebnis. Vor drei Jahren fuhr die Truppe nur noch 2 Prozent der Stimmen ein.

Zum abrupten Ende von Farions akademischer Karriere äußerte sich auch Bildungsminister Oksen Lisowoj. Leute, die „die Werte der Würde nicht teilen und keinen Respekt vor Soldaten haben, haben im Bildungssystem keinen Platz“, zitiert ihn das ukrainische Nachrichtenportal Novoje Vremja. Farions Entlassung sei insbesondere aufgrund der Forderung der Studierenden erfolgt, die wüssten, wie sie „ihre Werte wahren und verteidigen“ könnten.

Im Falle einer Verurteilung drohen Farion bis zu sieben Jahre Haft. Wegen Beleidigung von Soldaten und Verletzung des Briefgeheimnisses.

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