Regierungsbildung in Polen: PiS scheitert im Parlament

Polens Parlament verweigert rechtsnationalistischer Regierung die Mehrheit. Das Verfassungstribunal erklärt EU-Zwangsgelder für verfassungswidrig.

Jaroslaw Kaczynski im Gedränge

Schneller gescheitert, als er gucken kann: PIS-Chef Jaroslaw Kaczynski am Montag im polnischen Parlament Foto: Aleksandra Szmigiel/reuters

WARSCHAU taz | „Herr Premier Morawiecki, wie können Sie es wagen, uns in diesem Hohen Haus solche Lügen aufzutischen?“, wettert Barbara Nowacka von der noch oppositionellen Partei Bürgerkoalition (KO) im Sejm, dem Abgeordnetenhaus Polens. Gerade hat Mateusz Morawiecki von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sein chancenloses Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre vorgestellt.

Chancenlos, weil ihm der Sejm kurze Zeit später am Montagnachmittag das Vertrauen entzog – wie es zu erwarten war. In der Abstimmung votierten am Montag nur 190 von 456 Abgeordneten für Morawieckis nationalkonservative PiS-Regierung. 266 stimmten dagegen.

Zwar hatten bei den Parlamentswahlen am 15. Oktober „so viele Polen wie nie zuvor für die PiS gestimmt“, lobte Morawiecki in seiner Rede die eigene Partei. Dass jedoch für die künftige Koalition aus der liberalkonservativen KO, dem christlich-agrarischen Parteienbündnis Dritter Weg und der Neuen Linken knapp vier Millionen mehr Wahlberechtigte gestimmt hatten, erwähnte er nicht mehr.

Präsident Andrzej Duda (PiS) ließ sich zu dieser Groteske breitschlagen, den Willen der Wähler zu missachten. Er betraute Morawiecki mit der Regierungsbildung, obwohl die PiS die absolute Mehrheit verloren hatte und keine Partei mit ihr zusammenarbeiten wollte.

Gescheiterte Geburtenpolitik in Polen

Morawiecki behauptete am Montag: Das Programm „wird in jedem Fall gewinnen. Wenn nicht heute, dann in Zukunft.“ Solange Polen „an erster Stelle“ stehe, so Morawiecki, befinde sich alles andere an „richtiger“ Stelle. Weder die EU noch ein anderer Staat dürfe über Polen bestimmen. „Dabei ist unser Platz in Europa“, betonte der PiS-Politiker, „aber nicht in einer zentralistischen EU.“

Herausforderungen seien der von der PiS geplante Großflughafen zwischen Warschau und Łódź, der Einstieg in die Atomenergie, der Aufbau der größten Landarmee Europas mit 300.000 Soldaten und die Steigerung der Geburtenrate. Die sei der PiS trotz des Kindergeldes in Höhe von 500 Złoty (umgerechnet 115 Euro) pro Kind und Monat nicht gelungen. Die PiS wolle unfruchtbaren Paaren helfen, doch noch ihren Kinderwunsch zu erfüllen, wobei die Wahl der Methode den künftigen Eltern überlassen werden solle.

„Wie können Sie es wagen?“, empörte sich wieder Nowacka. „Sie haben doch selbst die In-Vitro-Befruchtung abgeschafft. Haben Sie sich plötzlich bekehrt? Wo waren Sie, als schwangere Polinnen starben, weil diese zur Geburt todkranker Föten gezwungen wurden?“ Auch Vertreter anderer Parteien ließen kein gutes Haar an Morawieckis Programm.

Noch während der Sejm-Debatte am Montag urteilte das von der PiS kontrollierte Verfassungstribunal in Warschau, die Zwangsgelder, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen Polen verhängt hatte, seien verfassungswidrig.

Konkret geht es um zwei Fälle: Den vom EuGH verhängten und zeitlich befristeten Stopp des Steinkohleabbaus im Kohlebergwerk Turow sowie die Liquidierung der illegalen Disziplinarkammer für Richter am Obersten Berufungsgericht in Warschau. Es ist das dritte Urteil des umstrittenen Verfassungstribunals, das polnisches Recht über EU-Recht und Urteile des EuGH stellt.

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