Reise-Dokumentarfilm „Abenteuerland“: Professionalität statt Zufall

Im Film „Abenteuerland“ durchquert Christo Foerster Deutschland mit den Stand-Up-Paddleboard. Die Reise liefert tolle Bilder, bleibt aber ereignislos.

Christo Foerster paddelt auf einem Standup Paddleboard auf der Ostsee.

So stürmisch wird die Reise selten: Christo Foerster auf der Ostsee Foto: Jozef Kubica

Ein Paddelboot auf der Zugspitze? Das ist ähnlich absurd wie Schlittschuhe auf dem Amazonas. Aber mit diesem Bild beginnt der Reisefilm „Abenteuerland“: Das Paddelboot, genau genommen ein Stand-Up-Paddleboard, ist noch unaufgeblasen in einem dicken Plastiksack, den Christo Foerster stolz auf dem Gipfel des höchsten Bergs Deutschlands präsentiert und dann den Abstieg herunterschleppt.

Aus seinem Rucksack ragen die beiden Paddel heraus. Rauf ist er bequem mit der Seilbahn gefahren, aber runter will er sein Schwimmgefährt unbedingt tragen, denn die Aufgabe (neudeutsch „challenge“), die er sich gestellt hat, besteht darin, von der Zugspitze bis nach Sylt zu paddeln oder zu laufen.

Wirklich nötig war es wohl nicht, den schweren Sack den Berg rauf- und wieder runterzutransportieren, aber so beginnt der Film mit einem Gag, den Regisseur Kai Hattermann dann mit vielen schönen Aufnahmen von den Paddeln im Sack und dem sich abmühenden Wanderer bis zum letzten Tropfen Ironie melkt. „Von nun an geht es nur noch bergab!“, sagt Foerster da in die Kamera, aber da weiß er noch nichts von den Mühen der Ebenen: Von den 1.600 km, die vor ihm liegen, wird er über 600 km laufen. Und dies bedeutet nicht zünftig wandern, sondern das dann doch recht große Paddleboard auf einem kleinen Wägelchen hinter sich herziehen.

Foester wird in 54 Tagen aus dem Eibsee in die Isar, dann auf der Donau, dem Main-Donau-Kanal, der Saal, der Elbe und dann ein wenig auf der Ost- und der Nordsee paddeln. Aber weil diese Wasserwege nicht miteinander verbunden sind, muss er sich auch auf dem Land fortbewegen. Eine Bedingung dabei ist, dass er jede Nacht draußen verbringt. So schläft er – manchmal „wild“ wie im Münchner Englischen Garten – 53 Nächte in seiner Hängematte und eine Nacht in einer Scheune „auf einem Stapel alter Kaffeesäcke“.

„Abenteuerland“ mit Christo Foerster, Regie: Kai Hattermann, Deutschland 2023, 87 Minuten

Die im Titel versprochenen Abenteuer erlebt Foerster auf seiner Reise allerdings nicht. Eine schmerzhafte Blase an einer Ferse und ein verdorbener Magen zählen da schon zu den aufregendsten Erlebnissen. Wenn die Isar schnell strömt oder es auf der Nordsee windig ist, dann zieht Foerster sein Board aus dem Wasser und sucht sich eine alternative Route. Das ist vernünftig, aber für den Film wenig ergiebig.

Interessante Menschen trifft Foerster auf seiner Deutschlandtour auch kaum. Dabei sind solche Zufallsbekanntschaften ja das Salz in der Suppe eines guten Reisefilms. Zwar wurde der Film in den Zeiten von Corona gedreht, aber dass Foerster außer einem Almwirt beim Abstieg von der Zugspitze mit keinen ihm fremden Menschen spricht, ist dann doch ein wenig enttäuschend. Dafür „besuchen“ ihn auf der Tour seine Familie und ein Freund, mit dem er zwei Tage lang zusammen auf der Elbe paddelt.

Wichtig sind dem Regisseur und dem Protagonisten stattdessen dessen Befindlichkeiten. So hört man im Film oft Foersters inneren Monolog, in dem er mal davon erzählt, wie existenziell die Erfahrung dieser Reise für ihn ist, dann aber wieder den Reiseführer gibt und Informationen darüber vorliest, wie lang die Flüsse sind und wann die Kanäle gebaut wurden.

Seit dem Überraschungserfolg der Reisedokumentation „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ von Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier im Jahr 2017 hat sich in Deutschland ein Subgenre mit Reisefilmen entwickelt, die aus der streng subjektiven Perspektive der Reisenden erzählt werden. Entscheidend ist dabei, wie authentisch diese audiovisuellen Reisetagebücher wirken. Deshalb sind die meisten von ihnen ohne ein professionelles Filmteam, manchmal sogar nur mit Handykameras aufgenommen worden.

Christo Foerster hat dagegen den Film zusammen mit dem Filmemacher Kai Hattermann gemacht. Denn Foerster ist ein Medienprofi: Er betreibt einen Podcast zum Thema „Mikroabenteuer“, veröffentlicht Bücher mit Titeln wie „Dein bestes Ich“ oder „Neo Nature“.

26.6., 20 Uhr, Hamburg, Zeise; Mi, 28. 6., 19.30 Uhr, Lüneburg, Scala; Do, 29. 6., 19.30 Uhr, Lübeck, Filmpalast Stadthalle; Fr, 30. 6., 18 Uhr, Oldenburg, Casablanca; Fr, 30. 6., 20.30 Uhr, Bremen, Schauburg

Und Kai Hattermann hat sich kräftig aus der Trickkiste des Natur- und Reisefilms bedient. Neben ihm haben vier weitere Kameramänner (kein Gendern nötig) an dem Film gearbeitet. Es gibt viele schöne Drohnenaufnahmen, die so beliebten Zeitraffer, in denen die Wolken über den Himmel und die Schiffe über das Wasser rasen, Unterwassersequenzen und animierte Landkarten mit dem Verlauf der Reise. Dazu eine stimmungsvolle, nicht zu aufdringliche Filmmusik von Tom Linden.

„Abenteuerland“ ist auf einem hohen professionellen Niveau produziert: Der Film sieht gut aus. Aber genau dies ist das Problem, denn in diesem Kontext wirkt auch Christo Foerster eher professionell und nicht wie der leidenschaftliche Reisende auf einem „Mikroabenteuer“ (seine Wortschöpfung), den er im Film darstellt.

Wenn er dann schließlich in Sylt am Strand landet, aus dem Wasser steigt und seine Familie umarmt, dann wirkt dieses Schlussbild zu arrangiert, um wirklich zu berühren. Bei „Abenteuerland“ wurde mehr inszeniert als dokumentiert.

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