Rückkehr Russlands in den Weltsport: Akademisch-olympisches Gefecht

Die Rückkehr Russlands in den Weltsport führt zur Debatte über den Wert der olympischen Charta. Kaum einer glaubt an die Symbole des IOC, doch sie wirken.

Fechterin Lea Krüger nimmt während eines kampf das Visier ab

Als Athletensprecherin derzeit überaus gefragt: Fechterin Léa Krüger Foto: Beautiful Sports/imago

Olympische Charta, Olympismus, olympischer Frieden. Diese Begriffe fallen in den Tagen seit der Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees, Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus unter bestimmten Bedingungen wieder zuzulassen, mit selten gehörter Häufigkeit. Juristinnen arbeiten sich an der olympischen Charta ab, und Thomas Bach, der Präsident des IOC, wird nicht müde, seinen Klub als Friedensprojekt darzustellen.

Für Sportlerinnen und Sportler ist das eine existenzielle Diskussion. Zu groß sind die Olympischen Spiele geworden, um eine Teilnahme daran nicht als oberstes Karriereziel zu betrachten. Auch für Léa Krüger, die Säbelfechterin, die als Präsidiumsmitglied der Sportlervertretung Athleten Deutschland e. V. derzeit eine oft befragte Frau ist, ist die Qualifikation für die Spiele 2024 in Paris überaus wichtig.

Darüber und über ihre Ratlosigkeit, wie sie nun damit umgehen soll, dass Russinnen und Belarussen wieder dabei sein sollen, hat sie in der vergangenen Woche beim Sportgespräch der Humboldt-Universität zu Berlin Auskunft gegeben.

Krüger sprach auch als Anwältin ukrainischer Athletinnen, mit denen sie in Kontakt steht. Gerade im Fechten sei ein Kampf zwischen russischen und ukrainischen Athletinnen nur schwer vorstellbar. Man gehe schließlich mit Waffen aufeinander los. Und wer gewinnt, werde dann in seiner Heimat gefeiert. Krüger möchte jedenfalls ebenso wenig wie ihre ukrainischen Mitfechterinnen zu Zwecken russischer Propaganda missbraucht werden.

Kein Recht auf Teilnahme an den Spielen

Ob denn jede Propaganda Kriegspropaganda sei, fragte sich da Wolfgang Schild, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilo­sophie und Strafrechtsgeschichte an der Universität Bielefeld. Er hatte sich für das Kolloquium das Gutachten von Alexandra Xanthaki, der UN-Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte, angesehen, das Grundlage des IOC-Beschlusses zur Wiederzulassung von Sportlern aus den Aggressorstaaten des Ukraine­kriegs ist.

Er hat es entlang der Charta des IOC abgeklopft. Dort hat er ein Diskriminierungsverbot gefunden, aber eben auch Regel 44.3, nach der kein Sportler das Recht auf Teilnahme an den Spielen hat. Die Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, das Begehen von Kriegsverbrechen, beides „völkerstrafrechtlich verfolgbare Verbrechen“, könne einen Ausschluss rechtfertigen. Aber auch einen von Sportlern, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen?

Die sollen als Individualsportler dabei sein dürfen, so das IOC, es sei denn, sie seien eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, eines Genozids schuldig oder hätten dafür Propaganda gemacht. Aber würde ein Russe überhaupt für Russland Propaganda machen, schließlich heiße es doch im olympischen Eid, den ein Athlet stellvertretend für all Olympioniken spricht, nicht mehr, er trete zur „Ehre unseres Vaterlands“ an, sondern „zur Ehre unserer Mannschaft“.

Der olympische Eid, das sei doch auch nur eines dieser leeren Symbole, auf die niemand wirklich etwas gebe. Gunter Gebauer, emeritierter Professor für Philosophie und Sportsoziologie, wollte da nur abwinken. Obwohl – gerade so ein symbolhaft überfrachtetes Event wie die Eröffnungsfeier Olympischer Spiele hat immer die höchsten Einschaltquoten. Es funktioniert, was das IOC da inszeniert. Auch deshalb ist der Streit um die Spiele so wichtig für den Sport. Für eine Athletin wie Léa Krüger sowieso.

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