Russisch-nordkoreanische Beziehungen: Kim Jong Un ist in Russland am Zug

Der nordkoreanische Diktator trifft den Kreml-Chef. Es geht wohl um Waffengeschäfte. Bei Atomwaffen ist Moskau bisher zurückhaltend.

Kim Jong Un steigt aus einem grünen Zug aus

Aus dem Telegram-Video des Gouverneurs der Region Primorsky: Kim steigt in Russland aus dem Zug Foto: Russischer Gouverneur via ap

MOSKAU/PEKING taz | Am Dienstagmorgen überquerte der olivgrüne Sonderzug schließlich im Schneckentempo die nordkoreanische Grenze nach Russland: Statt die einstündige Flugroute nach Wladiwostok zu wählen, absolviert Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un seine erste Auslandsreise seit vier Jahren lieber im kugelsicheren Zugabteil. Aufgrund der maroden Gleise und der tonnenschweren Sicherheitsausrüstung ist Nordkoreas Machthaber über 20 Stunden unterwegs. Kremlsprecher Dimitri Peskow bestätigte am Dienstag, dass Kim in Russland eingetroffen sei.

Laut Angaben der russischen staatlichen Agentur Interfax soll Kim in „einer Atmosphäre absoluter Geheimhaltung“ den Bahnhof Chasan erreicht haben, einer Ortschaft im Dreiländer­eck von Russland, China und Nordkorea. Wo und wann genau ein Treffen zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Kim stattfinden soll, sagte Peskow nicht. Spekuliert wurde, das Treffen erfolge am Mittwoch in einem Weltraumbahnhof 1.500 Kilometer nördlich von Wladiwostok, wo Putin gerade an einem Wirtschaftsforum teilnimmt.

Es ist Kims erster Auslandsbesuch seit April 2019. Auch damals reiste er nach Russland. Seit Tagen war spekuliert worden, ob er mit Putin einen Deal „Waffen gegen Lebensmittel“ verhandelt. Kim, dessen Regime sowohl die von Moskau besetzte Krim als auch die ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk als russisch anerkennt, kann sich als Moskaus Retter in der Not inszenieren und zeigen, dass sein Land international nicht isoliert ist. Denn Putin braucht den Mann, in dessen Arsenalen sich noch viel Waffenmaterial aus Sowjetzeiten findet. Russland, so sagen Beobachter, könnte von Nordkorea vor allem Artilleriegranaten und Raketen für seinen Krieg gegen die Ukraine kaufen.

Nordkorea könnte im Gegenzug auf Militärtechnologie für Satelliten und U-Boote hoffen. Die USA und Südkorea haben Putin bereits gewarnt, Kim nicht bei der Modernisierung seines Atomwaffenprogramms zu helfen. Dies würde nicht nur vom Westen als Affront gesehen, sondern auch von Peking abgelehnt. Denn China will Stabilität in der Region und lehnt die ständigen Raketentests der Nordkoreaner ab. Pjöngjang könnte auch versuchen, für seine unterernährte Bevölkerung Getreide herauszuschlagen.

Die Bedeutung des Treffens geht aber über praktische Ziele hinaus. Es geht auch um Symbolik und mögliche Bestrebungen, ein Anti-USA-Bündnis in Asien zu schließen. Peking wäre der mächtige Dritte in der Allianz. Früher waren Nordkorea und die Sowjetunion Partner. Erst durch Moskaus Waffenlieferungen konnte Pjöngjang überhaupt den Koreakrieg (1950–53) beginnen. 1961 schlossen beide Länder zusammen mit China einen Vertrag über eine gemeinsame Verteidigungsstrategie. Mit China wurde dieses Abkommen im Jahr 2000 erneuert, als Putin an die Macht kam, mit Nordkorea nicht.

Peking diktierte russische Nordkorea-Politik

In den vergangenen Jahrzehnten unterstützte Moskau beinahe kompromisslos die Pekinger Außenpolitik gegenüber Nordkorea. UN-Sanktionen, die Peking nicht gefielen, lehnte auch Moskau ab. Auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nordkorea und Russland waren zuletzt fast auf null gesunken und machten lediglich 0,006 Prozent des chinesisch-nordkoreanischen Handelsvolumens aus, schreibt die russische Zeitung Kommersant. Obwohl Nordkorea durchaus darauf gepocht hätte, seine Wirtschaft zu diversifizieren und gern mit Moskau engere Bindungen eingegangen wäre, hielt sich Moskau – um Peking nicht zu verprellen – stets zurück.

Im Juli besuchte schließlich der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu Pjöngjang, just zu Feierlichkeiten des 70. Jahrestages des Endes des Koreakrieges. Die Bilder davon zeugen von eingemotteter und doch so bekannter Sowjetästhetik. Auch das chinesische Politbüromitglied Li Hongzhong war zugegen. Schoigu nahm an einer Militärparade teil und hatte eine Militärkooperation in Aussicht gestellt, auch gemeinsame Übungen mit Nordkorea halte er für möglich, hieß es danach.

Russland und Nordkorea teilen sich eine 17 Kilometer lange Grenze. Transporte wären per Zug möglich, aber auch mit Schiffen. Westliche Geheimdienste sprechen seit Längerem davon, dass Nordkorea im Verborgenen bereits Waffen nach Russland liefere. Beide Länder bezeichneten solche Gerüchte stets als Lüge.

Sollte es in Wladiwostok doch zu Waffengeschäften kommen, würden sie wohl weiterhin im Verborgenen ablaufen, da Russland sich kaum die Blöße geben würde, als sei es auf alte sowjetische Technik aus Nordkorea angewiesen. Pjöngjang wiederum könnte an der russischen Technik für atombetriebene U-Boote interessiert sein. Doch da hält sich Moskau bedeckt. Bislang hat es sich auch geweigert, seine U-Boote an Peking zu liefern – aus Angst, die Chinesen könnten diese nachbauen.

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