SPD-Chef und seine Idee zum Mindestlohn: Was Klingbeil verschweigt

Die Bundesrepublik muss die EU-Mindestlohnrichtlinie spätestens 2024 umsetzen. Das Versagen der Ampel ist, dass sie es nicht bereits getan hat.

Im Schatten und im Profil zu sehen ist Lars Klingbeil, der mit einem anderen Mann spricht

Lars Klingbeil hat sich nicht ganz klar ausgedrückt. Was er verspricht, muss ohnehin passieren Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Es sind bemerkenswerte Bekenntnisse, die der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in einer großen Boulevardzeitung abgelegt hat: Gebraucht werde „eine gute Politik, die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt“, verkündete er da. Und dass Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen „auf die politische Tagesordnung“ gehörten. Recht hat er. Nur was folgt daraus? Nichts. Das ist das Problem der SPD.

In den Umfragen dümpelt die Kanzlerpartei zwischen 18 und 19 Prozent vor sich hin, gleichauf mit oder sogar hinter der AfD. Daran ändert sich auch nichts, wenn Obersozi Klingbeil mit klassenkämpferischen Sprüchen die Menschen für dumm verkaufen will. Denn alle wissen, dass die Ampel auch weiterhin keine befriedigenden Antworten auf die drängenden Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen in diesem Land geben wird.

Beispiel Mindestlohn: Mit einem verbalen Bedauern, ansonsten jedoch anstandslos hat SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gerade die Mehrheitsentscheidung der zuständigen Kommission durchgewunken, den Mindestlohn im nächsten und übernächsten Jahr nur um jeweils 41 Cent steigen zu lassen.

Nun beklagt sich Klingbeil über die Minierhöhung, die die Arbeitgeber mithilfe der ihr gewogenen Kommissionsvorsitzenden gegen die Ge­werkschaften durchgesetzt haben. Die SPD werde darauf „drängen“, dass Deutschland die EU-Mindestlohnrichtlinie im nächsten Jahr umsetzt, dann könne „auch der Mindestlohn noch einmal ansteigen“.

Was Klingbeil verschweigt: Die Bundesrepublik muss die 2022 in Kraft getretene EU-Mindestlohnrichtlinie spätestens im nächsten Jahr in nationales Recht umsetzen. So sehen es die Regeln der EU vor. Das Versagen der Ampel ist, dass sie es nicht bereits getan hat. Denn dann hätte sich die Mindestlohnkommission daran verbindlich orientieren müssen.

Legte man den dort benannten Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns der Berechnung zugrunde, würde er bereits heute 13,53 Euro betragen. Was angesichts dramatisch gestiegener Lebenshaltungskosten auch noch wenig wäre.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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