Sauber Fahren in der Berliner City: Berliner ignorieren Umweltzone

Ab 1. Januar dürfen nur noch Autos mit Plakette in die Innenstadt. Bislang wurden aber nur 500 Ausnahmegenehmigungen beantragt. Die Bezirksämter fürchten einen Ansturm im Dezember.

Zur Not kann man ja auf die saubere Bahn umsteigen: Ab. 1. Januar dürfen Autos nur noch mit Plakette in die Berliner City Bild: AP

Nur noch acht Wochen, dann tritt die Umweltzone in Kraft. Doch viele Berliner kümmert das nicht: Nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt hat bis jetzt lediglich ein Drittel der hier gemeldeten Fahrzeuge eine Plakette. Bisher seien bei den Bezirksämtern auch nur 500 Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt worden. Dabei erfüllen nach Schätzungen der Verwaltung rund 85.000 Pkws und Lkws die neuen Anforderungen der Umweltzone nicht. "Die Anträge sind bis jetzt erschreckend wenig. Wir haben große Sorgen, dass die meisten erst zwischen Weihnachten und Neujahr kommen und wir dann ein Mengenproblem haben", sagt Peter Beckers (SPD), zuständiger Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg.

Die Umweltzone ist das zentrale umweltpolitische Projekt der Landesregierung, um die Berliner vor gesundheitsschädlichem Feinstaub und Stickoxiden zu schützen. Sie geht zurück auf eine Richtlinie der EU, der zufolge bestimmte Grenzwerte nicht mehr als an 35 Tagen im Jahr überschritten werden dürfen. Berlin knackt diese Werte regelmäßig. Ab Januar dürfen deshalb Autos und Lastwagen mit einem besonders hohen Schadstoffausstoß nicht mehr innerhalb des S-Bahn-Rings fahren (siehe unten). Ein viereckiges Schild mit rotem Kreis soll an den Zufahrtsstraßen auf die Umweltzone aufmerksam machen. Zum Jahr 2010 werden die Anforderungen weiter verschärft.

Fahrzeuge erhalten je nach Schadstoffausstoß eine rote, grüne oder gelbe Plakette verpasst - für fünf Euro. Bis 2010 müssen sich allerdings 114.000 Autohalter etwas einfallen lassen, wenn sie weiter durch die Innenstadt düsen wollen

Rote, gelbe, grüne Plaketten: Die Verursacher von Feinstaub sollen in Zukunft auf den ersten Blick erkennbar sein. Pkws und Lkws werden je nach Schadstoffausstoß nach einem bundesweiten System in vier Gruppen unterteilt: Dreckschleudern bekommen keine Plakette. Das sind vor allem Fahrzeuge mit Dieselmotor ohne Rußfilter oder Benziner ohne Katalysator. Andere Fahrzeuge erhalten eine rote Plakette (Schadstoffausstoß immer noch hoch), eine gelbe Plakette (mittlerer Ausstoß) oder eine grüne Plakette (Ausstoß in Ordnung). Die bunten Sticker auf der Windschutzscheibe sind nicht befristet, sie gelten auch in den Umweltzonen anderer Städte.

Die erste Stufe: Ab Januar 2008 gilt die erste Stufe der Umweltzone. Dann dürfen nur noch Pkws und Lkws innerhalb des S-Bahn-Rings fahren, die eine rote, gelbe oder grüne Plakette haben. Autos und Lastwagen ohne Aufkleber müssen draußen bleiben - es sei denn, sie haben eine Ausnahmegenehmigung. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt sind von den 1,2 Millionen in Berlin gemeldeten Fahrzeugen 7 Prozent, also rund 85.000, von der ersten Stufe der Umweltzone betroffen. Ihre Besitzer müssen einen Katalysator oder einen Rußfilter einbauen lassen oder sich gleich ein Auto mit geringerem Schadstoffausstoß besorgen.

Die zweite Stufe: Die verschärfte zweite Stufe tritt 2010 in Kraft. Dann dürfen nur noch Pkws und Lkws in der Umweltzone verkehren, welche eine grüne Plakette vorweisen können. Nach Schätzungen des Senats sind davon 114.000 Fahrzeuge betroffen.

5 Euro für Zonen-Sticker: Die Zuordnung zu einer Schadstoffklasse ergibt sich aus der so genannten Emissionsschlüsselnummer in den Fahrzeugpapieren. Die Plaketten sind bei den Kfz-Zulassungsstellen, aber auch bei TÜV, Dekra und zahlreichen Werkstätten erhältlich. Sie kosten bei den Zulassungsstellen 5 Euro, bei den Werkstätten möglicherweise mehr.

Ausnahmen für Stinker: Im März hat der Senat Grundsätze für Ausnahmen beschlossen. Wenn beispielsweise ein Auto gar nicht umweltfreundlich nachrüstbar ist, kann von einem Fahrverbot abgesehen werden. Ebenso, wenn der Besitzer nachweist, dass der Kauf eines neues Wagens seine Existenz bedrohen würde. Gefährdet ein Fahrverbot das Überleben eines Unternehmens, kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Auch Schwerbehinderte dürfen weiterhin mit Dreckschleudern durch die Innenstadt fahren. Alte Polizei-, Kranken- und Feuerwehrwagen sind ebenfalls vom Fahrverbot ausgenommen. Auch Besitzer von mindestens 30 Jahre alten Oldtimern mit "H" oder "07"-Kennzeichen brauchen keine Plakette zu kaufen oder Ausnahmegenehmigungen zu beantragen.

Ausnahmen können teuer sein: Die Ausnahmeregelungen müssen die Kfz-Halter bei den Bezirksämtern der Bezirke beantragen, die ganz oder teilweise innerhalb der Umweltzone liegen. Achtung: Die Beamten berechnen für die Bearbeitung eine Gebühr, die einige hundert Euro betragen kann. In Friedrichshain-Kreuzberg kostet die Genehmigung nach Angaben des Bezirksamtes im Durchschnitt zwischen 20 und 30 Euro. Die Ausnahmegenehmigungen sind zeitlich befristet: Die meisten gelten nur für 18 Monate

Vor allem Halter von Dieselfahrzeugen ohne Rußfilter und von Benzinern ohne Katalysator müssen schon ab Januar die Innenstadt meiden oder ihre Autos entsprechend nachrüsten. Oder eben einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung stellen - was bisher die wenigsten getan haben. Nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg, auch im Bezirksamt Mitte befürchtet man im Dezember einen großen Andrang. "Wir haben 37 Mitarbeiter für diesen Bereich. Die können nicht zehntausende Anträge auf einmal bearbeiten", warnt Harald Büttner, der Leiter des Straßen- und Grünflächenamts.

Seiner Meinung nach gibt es zwei mögliche Szenarien: "Entweder die Menschen rennen uns im Dezember die Bude ein. Oder sie lassen es darauf ankommen und sagen: Das machen wir nicht mit." Er hält auch für denkbar, dass ab Januar eine Menge von Leuten systematisch gegen die Vorschriften verstoße.

Genau das will die Umweltverwaltung vermeiden. Und erteilt Ignoranten schon mal vorab eine Absage: "Es wird keine Kulanz geben. Das wäre schließlich die Missachtung eines Verkehrsschildes", sagt Sprecherin Marie-Luise Dittmar. Lediglich bei Touristen, die über das Wochenende nach Berlin kommen und in dieser Zeit keine Plakette kaufen können, werde man möglicherweise nachsichtig sein.

Für die Kontrolle der Umweltzone sind die Ordnungsämter der Bezirke und die Polizei verantwortlich. Wer ohne Plakette erwischt wird, muss 40 Euro Bußgeld zahlen und bekommt einen Punkt in Flensburg. Wie stark die neue Zone aber tatsächlich überwacht wird, bleibt abzuwarten. Die Ordnungsämter haben auch ohne Umweltzone schon genug zu tun. Und die Polizei lässt verlauten: Die Kontrolle der Plaketten werde keinesfalls Schwerpunkt ihrer Arbeit sein.

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