Schiffskollision in der Deutsche Bucht: Bei Nacht und Nebel gesunken

Vor Helgoland sind zwei Frachtschiffe kollidiert, eins ist untergegangen. Ein Vermisster wurde tot geborgen, vier werden noch gesucht.

Suchscheinwerfer leuchtet im Dunkeln auf Meeresoberfläche

Auf der Suche nach Vermissten: Rettungseinsatz in der Deutschen Bucht Foto: P&O/dpa

RENDSBURG/HAMBURG taz | In der Deutschen Bucht zwischen Helgoland und Wangerooge ist es am Dienstagmorgen zu einer tödlichen Kollision zweier Frachtschiffe gekommen. Nachdem die beiden Transportschiffe gegen fünf Uhr früh zusammenstießen, sank das britische Frachtschiff „Verity“.

Im Laufe des Tages vermeldete das vom Bund und den Küstenländern gemeinsam betriebene Havariekommando, zwei Vermisste gerettet zu haben. Nach vier weiteren Vermissten wurde am Dienstag noch gesucht. Eine Person war am Mittag tot geborgen worden.

Nach Angabe eines Sprechers des Havariekommandos waren seit dem Morgen mehrere Rettungsschiffe, Hubschrauber und Flugzeuge im Einsatz. Auch das britische Kreuzfahrtschiff Iona schloss sich der Suche nach Vermissten an. Das in Cuxhaven stationierte Havariekommando übernahm am Morgen die Koordination der Rettungsmaßnahmen, auf See koordinierte der Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede“ der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DgzRS) die Suche der Vermissten.

„Wir tun derzeit alles Menschenmögliche, um weitere Menschenleben zu retten“, sagte der Leiter des Havariekommandos in Cuxhaven, Robby Renner, am Mittag. Am Nachmittag waren auch Taucher im Einsatz, die im gesunkenen Schiff nach den Vermissten suchten.

Drei Meter hohe Welllen

Die 190 Meter lange und 28 Meter breite „Polesie“ hatte am Montagabend Hamburg verlassen und war auf dem Weg ins spanische La Coruña. Die Verity hatte etwa zeitgleich Bremen verlassen und war auf dem Weg nach Immingham an der britischen Ostküste. Das 2001 gebaute flache Stückgutschiff ist mit 91 Meter Länge und 14 Meter Breite nur etwa halb so groß wie die Polesie.

Offenbar war es nach der Kollision am frühen Morgen zügig gesunken. Die Polesie war mit 22 Menschen an Bord nach der Kollision aber weiter schwimmfähig, auch gab es dort keine Verletzten. Die Geretteten der Verity wurden am Dienstag zur medizinischen Behandlung an Land gebracht.

Wie es zur Kollision kommen konnte, ist bislang noch unklar. Es herrschte am Dienstagmorgen allerdings starker Wind mit Wellen um die drei Meter Höhe in der Deutschen Bucht.

Die Nordsee habe in den vergangenen Jahren eine „Glückssträhne“ ohne Havarien mit schweren Folgen erlebt, doch diese Zeit könnte vorbei sein, befürchtet die „Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste“ (SDN). Der Zusammenschluss aus rund 200 küstennahen Kommunen, Vereinen und Institutionen warnt seit Längerem vor den Folgen des Ausbaus der Nordsee zum „Industriepark regenerativer Energien“.

Robby Renner, Leiter des Havariekommandos

„Wir tun derzeit alles Menschenmögliche, um weitere Menschenleben zu retten“

Die geplanten Off-Shore-Inseln würden zu noch mehr Verkehr auf den Wasserstraßen führen und außerdem die Schifffahrtswege immer weiter einengen, sagt Ulrich Birstein, zweiter Vorsitzender der Schutzgemeinschaft und im Hauptberuf Lotse.

Das könne nicht nur das Risiko von Havarien vergrößern, sondern erschwere auch die Bergung. „Und bei Ladungs- und Ölverlust potenzieren sich die lebensfeindlichen Havariefolgen ins Unberechenbare“, warnt Birstein. Auf dem Weg aus Hamburg soll die Verity Stahl geladen haben, allerdings läuft laut NDR auch Treibstoff aus dem gesunkenen Schiff.

Dass es heute überhaupt ein Havariekommando gibt, ist einem anderen schweren Schiffsunglück zu verdanken, das sich vor genau einem Vierteljahrhundert auf der Nordsee ereignete. In der Nacht des 25. Oktober 1998 funkte der Kapitän des italienischen Frachters „Pallas“, der mit einer Ladung Holz von Schweden unterwegs nach Marokko war, einen Mayday-Ruf.

Unter Deck war Feuer ausgebrochen, Rauch stieg aus zwei Luken auf. Das Schiff befand sich zu dem Zeitpunkt vor der dänischen Küste und bewegte sich bei schwerem Seegang in Richtung deutscher Küstengewässer.

Schon einmal havariert

Doch statt der Crew in Not sofort zu helfen, gab es ein Zuständigkeits- und Verantwortungschaos: Es habe ein „Zeitloch“ von zwei Stunden gegeben, weil der Ruf „im Meldekopf festhing“, heißt es im Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses, den der Schleswig-Holsteinische Landtag später einsetzte. So ging es weiter: Jede Stelle arbeitete nach ihren eigenen Plänen. Schlepper, Bergungs- und Löschschiffe wurden zu spät alarmiert.

Damit wurde die Chance verpasst, einen Löschtrupp oder eine Notfallbesatzung an Bord zu bringen. Zwar wurde die Crew geborgen, aber das Schiff trieb tagelang brennend durch das Wattenmeer. Erst am 29. Oktober lief die „Pallas“ vor Amrum auf. Aus dem Wrack traten 220 Tonnen Öl aus, die schwarze Brühe trieb an die Strände der umliegenden Inseln.

Etwa 16.000 Vögel verendeten. Als Fazit stellte der über 600 Seiten dicke Untersuchungsbericht fest, dass sowohl die Zusammenarbeit mit Dänemark und den Niederlanden, als auch die Struktur der deutschen Behörden verbessert werden müsste. 2003 wurde das Havariekommando in Cuxhaven gegründet. Die Reste der „Pallas“ liegen bis heute vor Amrum.

Auch die Verity war schon einmal havariert: Nachdem der Frachter Anfang des Jahres 2016 bei rauer See und Stürmen der Stärke acht nahe an die Küste von Nord-Devon im Südwesten Englands getrieben war, musste er mithilfe eines niederländischen Kriegsschiffs abgeschleppt werden. Der Motor der Verity war ausgefallen. An Bord befanden sich 3.000 Tonnen Metallschrott. Auch damals waren sieben Menschen an Bord. Die Crew konnte unbeschadet an Land gehen.

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