Klage gegen Bohrprojekt in der Nordsee: Die Nordsee soll Gas geben

Ein Gericht verhandelt über eine neue Gasbohrplattform bei Borkum. Umweltschützer und Anlieger halten das Projekt für gefährlich und unnötig.

Ein Bohrinsel-Verbotsschild steckt im Sandstrand

Eine Firma will unweit von Borkum Erdgas fördern: Manche würden das am liebsten verbieten Foto: Sina Schuldt/dpa

Die geplanten Gasbohrungen in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Wattenmeer werden seit Donnerstag vor dem Bezirksgericht Den Haag verhandelt. Geklagt haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Stadt Borkum, die Bürgerinitiative „Saubere Luft Ostfriesland“ sowie die niederländische Umweltorganisation „Mobilisation for the Environment“ (MOB). Die Kläger halten das Projekt wegen dessen „Folgen für den Klimaschutz sowie für die umliegenden Schutzgebiete für nicht genehmigungsfähig“.

Die von dem niederländischen Konzern One Dyas beantragte Bohrplattform läge knapp noch auf niederländischem Gebiet, 23 Kilometer nordwestlich von Borkum – mitten zwischen europäischen Meeresschutzgebieten und dem Nationalpark Wattenmeer. Der niedersächsische Landtag hatte das Vorhaben zunächst abgelehnt, sich infolge des Ukraine-Krieges und der ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland jedoch anders besonnen.

One Dyas plant nach Angaben des niedersächsischen Landesamts für Bergbau (LBEG) neun Bohrungen, die in 1.500 bis 3.500 Metern in verschiedene Richtungen gelenkt werden sollen, zum größten Teil unter deutschem Gebiet. Das Unternehmen erhofft sich, dort 4,5 bis 13 Milliarden Kubikmeter Erdgas fördern zu können.

Die Umwelthilfe hält diese Menge mit Blick auf den deutschen Gasverbrauch von zuletzt knapp 80 Milliarden Kubikmetern im Jahre für vernachlässigbar. Zudem werde die Förderung nicht vor 2024 beginnen. „Das ist zu spät, um auf die befürchtete Gasknappheit in diesem und im nächsten Winter reagieren zu können“, stellt die Umwelthilfe fest.

Nicht zu vernachlässigen seien demgegenüber die bis zu 65 Millionen Tonnen CO2, die das Verbrennen des Gases in die Atmosphäre entlassen würden. Überdies bestehe Erdgas hauptsächlich aus Methan, das durch Lecks bei der Förderung und beim Transport entweicht. Die Treibhauswirkung von Methan ist 25-mal so stark wie die von CO2. Es verschwindet aber schneller aus der ­Atmosphäre.

Die DUH warnt, das Erdgasprojekt werde „massive Auswirkungen auf das maritime Ökosystem“ haben. Schon der Bohrlärm beeinträchtige bei der Orientierung, Kommunikation und Partnersuche. Durch die Gasförderung könnte sich zudem der Meeresboden senken, wodurch sich Schlickströme verändern und die Steinriffe in dem Gebiet schädigen könnten.

Gefährdete Riffe im Projektgebiet

Dass es solche Riffe im Projektgebiet gibt, darauf hatte Greenpeace hingewiesen. Im Juni stellte die Umweltorganisation das Ergebnis eigener Forschungen vor. Taucher fanden demnach weitere ökologisch wertvolle Steinriffe in der Nähe der avisierten Bohrstelle. „Wir haben dort einen Zaubergarten aus Seenelken, Schwämmen, Weichkorallen und Seemoos gefunden“, schwärmte Philipp Schubert, Meeresbiologe der von Greenpeace beauftragten Firma Submaris. Das alles sei nur aufgrund der Steinriffe möglich, die als Oasen der Artenvielfalt streng geschützt werden müssten.

Greenpeace untermauerte diese Position mit einer Simulation: Ak­ti­vis­t:in­nen setzten drei frei schwimmende Bojen an der geplanten Bohrstelle N05a aus. Die mit GPS-Sendern ausgestatteten Bojen wurden bei Niedrig- und Hochwasser sowie zwischen den Tiden in die Nordsee eingelassen. Die Strömung habe alle Bojen nach spätestens 48 Stunden zum Naturschutzgebiet Borkum Riffgrund, nordöstlich der geplanten Bohrstelle getrieben. Zwei von drei Bojen seien bereits nach 24 Stunden bei einem Steinriff in der Nähe des Windparks Riffgat gelandet.

Für Greenpeace ist damit der Fall klar: „Im Falle einer Havarie würden austretende Schadstoffe, wie Schwermetalle und aromatische Kohlenwasserstoffe, sehr wahrscheinlich Schutzgebiete und schützenswerte Steinriffe verunreinigen“, teilte die Organisation am Dienstag mit. Denkbar wären Blow-outs, bei denen unkontrolliert Gas, Bohrspülung und Lagerstättenwasser frei werden oder auch eine Schiffskollision.

Überdies gelangten bei Öl- und Gasbohrungen ständig Schadstoffe in die Umwelt. Über einen Produktionszeitraum von 15 bis 35 Jahren könnten diese auch in geringen Konzentrationen Tiere und Pflanzen schädigen. Die Deutsche Umwelthilfe weist außerdem darauf hin, dass One Dyas belastetes Lagerstättenwasser wieder ins Meer leiten wolle.

Unesco auch gegen Bohrungen

Unterstützung erhielten die Projektgegner in der vergangenen Woche von der UN-Kulturorganisation Unesco. Die Welterbe-Kommission der Vereinten Nationen forderte mit Blick auf das Projekt bei Borkum Deutschland und die Niederlande auf, keine neuen Probe­bohrungen für Salz, Öl oder Gas im Wattenmeer oder in dessen unmittelbarer Nachbarschaft mehr zu genehmigen. Denn eben diese seien unvereinbar mit dem Status des Wattenmeeres als Weltnaturerbe. Überdies seien alle Förderaktivitäten in der Nähe daraufhin zu prüfen, ob sie den besonderen Wert dieses Gebiets zu beeinträchtigen drohten – und gegebenenfalls zu unterlassen.

„Wenn die Unesco sich so klar positioniert und die Niederlande und Deutschland öffentlich kritisiert, so muss dies bei allen Beteiligten endgültig zum Umdenken führen“, sagte die Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz von den Grünen. „Der Weltnaturerbestatus darf keinesfalls gefährdet werden“, bekräftigte ihr Parteikolleg Christian Meyer, der Umweltminister.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte bereits im Juli darauf verwiesen, dass die Gasförderung nicht genehmigt werde, wenn dies für den Umwelt- und Naturschutz nicht vertretbar sei. Wenn das Planfeststellungsverfahren aber zu dem Ergebnis komme, dass die ­Sicherheit gewährleistet ist, werde es eine Genehmigung geben.

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